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1.1.2 Die unmittelbare Schau der Rose

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Die Frage, wie wir diese reale Rose nun erleben, führt uns in den Bereich der Erkenntnistheorie – auch als „Epistemologie“ bezeichnet. Wir erinnern uns: Das kleine Mädchen nimmt an, dass sie die Welt so erlebt, wie sie ist. In ihrem Sinne sehen wir durch unsere Augen direkt und unmittelbar die Welt um uns herum. Dabei haben wir – beim normalen Sehen – sogar nicht einmal den Eindruck, dass wir mit zwei verschiedenen Augen (binokular) sehen, sondern sogar nur mit einem großen – so wie es einem Zyklopen ergehen müsste.

Die Rose ist demzufolge genau so, wie wir sie wahrnehmen – nämlich rot. Unsere Wahrnehmung selbst spielt dabei nur eine passiv-rezipierende Rolle. Natürlich kann man die Frage stellen, was passiert, wenn das Licht plötzlich ausginge, es dämmern würde oder wir die Rose mit grünem Neonlicht beleuchten würden. Wäre die Rose dann immer noch rot? Oder wäre sie plötzlich weg, grau oder sonst wie gefärbt? Okay, man könnte sie weiterhin ertasten und somit steht fest, dass sie immer noch real und eine Rose ist, aber in Bezug auf die Frage der Farbe wird man schnell unsicher.

Gibt es etwa ein Rot der Rose, unabhängig davon, wie es für uns aussieht? Aber dann würden wir ja gar nicht mehr die Rose so erleben, wie sie in Wirklichkeit existiert, sondern nur, wie sie uns erscheint. Oder hat die Rose vielleicht je nach Beleuchtung verschiedene Rot-Töne und -Schattierungen? Aber dann würde das Rosenrot nicht mehr alleine für sich existieren, sondern wiederum von äußeren Einflüssen abhängig sein, nur diesmal nicht von uns, sondern von der Umgebung.

Bereits bei diesen noch sehr vorsichtigen Fragen kommen wir sehr schnell an die Grenzen dieser eher simplen Weltsicht. Generell wird sie auch als „naiv“ bezeichnet. Wir dürfen jedoch nicht den Fehler machen, die Wahrnehmung selbst als naiv zu bezeichnen. Die Sinne trügen uns nicht, sondern erst unsere daraus gefolgerten Schlüsse. Die Wahrnehmung an sich zwingt uns weder zu der Annahme, dass die in ihr vermittelten Objekte real sind, noch, dass sie objektiv ist. Dies sind Schlüsse unseres Verstandes. Schlüsse, die wir zumeist stillschweigend voraussetzen, ohne uns über ihre Konsequenzen im Klaren zu sein. Wahrnehmung selbst kann somit niemals naiv sein – nur der Verstand.

„Die Sinne betrügen nicht. Dieser Satz ist die Ablehnung des wichtigsten, aber auch, genau erwogen, nichtigsten Vorwurfs, den man den Sinnen macht, und dieses darum nicht weil sie immer richtig urteilen, sondern weil sie gar nicht urteilen, weshalb der Irrtum immer nur dem Verstande zur Last fällt.“

Immanuel Kant [2]

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