Читать книгу rosenrot - Christian Zippel - Страница 15
1.2.2 Der Kritische Realismus
ОглавлениеBisher haben wir keinen Anlass dazu gehabt, die ontologische Annahme einer objektiven Realität – und somit auch den Realismus an sich – in Frage zu stellen. Neben uns gibt es viele weitere Lebewesen. Wir sehen, wie sie geboren werden, wie sie leben und wie sie sterben. Doch die Welt bleibt bestehen. Rein intuitiv besteht somit kein Grund anzunehmen, dass wir darin eine Ausnahme spielen würden. Die Welt scheint real zu sein und über den Lebewesen zu stehen. Folglich spricht vorerst nichts dafür, eine objektive Realität anzuzweifeln. Diese Ansicht ist die Grundlage jeglicher wissenschaftlicher Forschung:
„Zu Beginn jedes wissenschaftlichen Unterfangens stellt man die fundamentale Grundforderung, dass die Natur eine objektive Realität besitzt, die unabhängig ist von unseren Sinneswahrnehmungen oder von den Mitteln, mit denen wir sie untersuchen.“
Bernard d`Espagnat [6]
Die erkenntnistheoretische Annahme einer objektiven Wahrnehmung ist jedoch ins Wanken geraten, wurde bereits von Platon als inakzeptabel dargestellt und kann durchaus als naiv bezeichnet werden. Diese Naivität muss überwunden werden. Das erreichen wir, indem wir eine kritischere erkenntnistheoretische Annahme treffen. Wir nehmen also an, dass die Welt zwar objektiv existent ist, aber jedes Lebewesen nur über einen subjektiven Zugang zu dieser Welt verfügt.
Des Weiteren wird ebenfalls angenommen, dass die Welt gewissen Regeln (im Sinne von Naturgesetzen) folgt, da sie ansonsten zu keiner Ordnung fähig wäre und es somit auch keine komplexen Systeme geben würde. Wir existieren und sind Teil dieser Welt. Daraus können wir folgern, dass auch das Verhältnis zwischen unserer subjektiven Wirklichkeit und der dahinter stehenden objektiven Realität bestimmten Regeln folgt. Schließlich erscheint auch unser Erleben geordnet und relativ stabil.
Auf dieser Grundlage ist es uns möglich, ein erweitertes und weniger naives Paradigma zu formulieren: den „Kritischen Realismus“. Seine beiden Annahmen lauten:
1. Es existiert eine objektive Realität; ein Sein vor dem Schein unserer subjektiven Wirklichkeit.
2. Diese Realität ist geordnet und uns über gesetzmäßige Verbindungen zugänglich, so dass wir Wissen über sie in Erfahrung bringen können.
Diese Verbindungen bestehen einerseits in unseren subjektiven Wahrnehmungen und andererseits in den Leitern der Wissenschaften, wie mathematischen Formeln und technischen Messinstrumenten, die es den Forschenden ermöglichen, aus der Subjektivität ihres Höhlendaseins hinauszusteigen. Eine von der Subjektivität unbefleckte Erkenntnis zu erlangen, ist das Ziel. Eine perfekte Wissenschaft wäre dabei absolut objektiv – nur noch aus mathematischen Gleichungen bestehend und durch objektive Messergebnisse bestätigt.
Doch hilft uns das bei unserer Frage weiter? Wie steht es um das Rot der Rose im Paradigma des Kritischen Realismus? Kann man das Rot der Rose in einer Gleichung formulieren oder mit einem Messinstrument messen? Kann es rein objektiv erfasst werden, so dass es auch einem Blinden verdeutlicht werden kann? Sprich: Gibt es eine Möglichkeit, das Rot weiterhin als Eigenschaft der Rose und somit unabhängig von einem Subjekt aufzufassen?