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1.1.3 Der Naive Realismus

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Gemeinsam ergeben das ontologische Postulat einer objektiven Realität und das epistemologische einer objektiven Wahrnehmung derselben das Paradigma des „Naiven Realismus“.

Naiv betrachtet scheint die Welt wirklich so zu sein, wie wir sie erleben. Schließlich träumen oder phantasieren wir sie uns doch nicht irgendwo in unseren Gedanken zusammen. Sie ist ja da, außerhalb unseres Körpers. Sie ist bunt und vielfältig, oft sehr laut und manchmal ganz leise. Und dabei sind wir nicht alleine. Viele andere Lebewesen – von den Pflanzen, über die Tiere, bis hin zu den Menschen – existieren, handeln, wachsen und sterben um uns herum. Sie alle leben in bestimmten Umgebungen und Gesellschaften. Sie handeln überwiegend nach uns allen verständlichen Motiven.

Im Hochsommer brennt die Sonne auf uns hernieder und uns allen scheint es so unerträglich warm zu sein, dass wir kollektiv dem Wasser zustreben, um uns darin abkühlen zu können. Das erfrischende Nass scheint somit auf uns alle eine vergleichbare Anziehungskraft auszuwirken. Und während wir am baden sind, wandern Freunde von uns zeitgleich in den nahe liegenden Alpen. Auf ihrem langen Bergmarsch erreichen sie endlich die Almhütte und können es gar nicht mehr erwarten, eine würzige, kühle Kräuterlimonade und ein deftiges Käsebrot zu sich zu nehmen.

Im starken Kontrast zu dieser Idylle feiern unten im Tal in der Dorfdisco viele ihren ersten oder zweiten Frühling bei lauter Musik und berauschenden Substanzen aller Art, während andere wiederum des späten Abends oder gar nachts arbeiten, um die Infrastruktur und Versorgung unseres Landes aufrecht zu erhalten.

Weit über die Grenzen unseres Landes hinaus finden Naturkatastrophen, Kriege und kulturelle oder sportliche Höhepunkte statt, die wir über unsere Informationskanäle fast in Echtzeit verfolgen können. Die globale Vernetzung durch Internet, GPS und Handy scheint alle irdischen Entfernungen so drastisch zu relativieren, dass wir mit all diesen Menschen zusammen sein können, ohne wirklich körperlich in ihrer Nähe sein zu müssen.

All dies scheint eine klare und deutliche Sprache zu sprechen: Wir alle leben in ein und derselben Welt, an der wir teilhaben, in der wir uns orientieren und kommunizieren können. In dieser Welt gibt es unzählige weitere Lebewesen, die – ebenso wie wir – sich selbst und ihre Art am Leben erhalten wollen. Wir haben Angst vor den gleichen Gefahren, wie z.B. dem Feuer, und fühlen uns zu den gleichen Dingen, wie z.B. einer wohlschmeckenden Mahlzeit, hingezogen. Wir alle riechen die ersten Frühlingsblumen, schmekken die Früchte des Sommers, erblicken das bunte Herbstlaub und fühlen die Kälte des Winters. Eine heiße Herdplatte schmerzt jeder Hand und Kopfschmerzen sind nun mal Kopfschmerzen. Was gibt es da noch weiter zu bereden? Es scheint doch ganz selbstverständlich zu sein, dass die Welt da draußen ist und dass sie 1:1 in unserem Kopf abgebildet wird. Wir nehmen sie wahr und zwar so, wie sie ist.

So sieht ein naiver Realist die Welt. Wir werden sehen, dass weder Wissenschaft noch Philosophie ein gutes Haar an dieser Sichtweise lassen; aber auf einer ganz grundlegenden Ebene – derjenigen unseres praktischen Lebens nämlich – handeln wir alle wie naive Realisten: Wir treten in die Bremse, wenn ein Fahrradfahrer uns die Vorfahrt nimmt, bekommen Angst, wenn es nachts im Gebüsch neben uns raschelt und gehen zum Doktor, wenn wir Schmerzen haben. Wir glauben, dass die Welt so ist, wie sie ist; denn so wie sie ist, kann sie angenehmen, hemmenden oder auch tödlichen Einfluss auf uns nehmen. Sie scheint wirklich real zu sein. Aber ist sie auch wirklich genau so, wie sie uns erscheint?

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