Читать книгу Weisheit der Wechseljahre - Christiane Northrup - Страница 92

Stellen Sie sich vor, Sie stünden am Fuß eines wunderbaren Berges. Sie können das Licht sehen, das von der anderen Seite des Berges über den Gipfel hinüberstrahlt, und Sie möchten gern den Blick vom Gipfel genießen. Es gibt drei Möglichkeiten, dorthin zu gelangen: Sie können den langsam ansteigenden, gewundenen Pfad nehmen und werden dabei vielleicht dann und wann über einige Felsbrocken klettern müssen. Sie können auch die steile Abkürzung nehmen, die viel schwieriger zu bewältigen ist und mehr Ausrüstung sowie technische Unterstützung erfordert. Oder Sie können ganz auf den Aufstieg verzichten und sich von jemand anderem mit dem Helikopter hinaufbringen lassen – was sich leicht anhört, bis Ihnen klar wird, dass Ihre Muskeln und Organe nicht die nötige Zeit gehabt haben, um sich an die Kälte und den Sauerstoffmangel auf dem Gipfel anzupassen.

 Die natürliche Perimenopause (der langsam ansteigende, gewundene Pfad) setzt bei einer Frau, bei der zumindest ein Eierstock funktioniert, allmählich ein, in der Regel im Alter von 45 bis 55 Jahren. Diese Phase dauert in den meisten Fällen fünf bis zehn Jahre, manchmal aber auch bis zu 13 Jahre. In dieser Zeitspanne kann die Periode für mehrere Monate aussetzen und dann wiederkehren, wobei Dauer, Intensität und Blutfluss zu- oder abnehmen können. Vielleicht benötigen Frauen, die natürliche Wechseljahre durchmachen, eine Behandlung, um sich körperlich wohlzufühlen, vielleicht aber auch nicht, wenn ihre Gesundheit insgesamt robust ist und ihr Übergang allmählich genug erfolgt, damit ihr Körper mit den notwendigen Veränderungen Schritt halten kann. Es hängt mit anderen Worten davon ab, was sonst noch im Körper und im Leben einer Frau abläuft.

 Die vorzeitige Perimenopause (die steile Abkürzung) setzt schneller und früher ein als in der Regel, bereits bei Frauen in ihren Dreißigern oder zu Beginn der Vierziger, die zumindest einen Eierstock haben. Schätzungsweise eine von hundert Frauen schließt ihre Wechseljahre vor oder kurz nach dem 40. Geburtstag ab. In manchen Fällen ist die Ursache eine Erkrankung (ausgelöst durch eine Autoimmunstörung oder Ernährungsmängel) oder aber chronischer Stress (zum Beispiel durch exzessive sportliche Betätigung); beides wirkt sich negativ auf die hormonell gesteuerten Fortpflanzungsfunktionen aus. Die vorzeitige Perimenopause ist in der Regel kürzer als die natürliche Perimenopause und beträgt nur ein bis drei Jahre. Da der Übergang schneller erfolgt und da der frühe Eintritt in die Wechseljahre häufig mit einem bereits seit Längerem existierenden physischen Problem verbunden ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass eine Frau, die vorzeitig in die Wechseljahre kommt und eine frühe Menopause hat, während der Anpassungsphase ergänzende Hormongaben benötigt.5

 Zu einer künstlichen Menopause (der Helikopterflug) kann es ganz abrupt kommen, sei es durch eine operative Entfernung oder Unterbrechung des Fortpflanzungstrakts (beispielsweise durch Entfernung der Ovarien oder operative Unterbrechung der Blutzufuhr zu den Ovarien), durch Bestrahlung, Chemotherapie oder durch die Gabe gewisser Medikamente, die aus medizinischen Gründen (zum Beispiel, um Myome in der Gebärmutter zum Schrumpfen zu bringen) eine Menopause hervorrufen bzw. nachahmen.

Selbst eine Unterbindung der Eileiter (Tubenligatur) kann, wie man inzwischen weiß, den Progesteronspiegel für die Dauer von mindestens einem Jahr nach dem Eingriff senken.⁶ Und viele Frauen, die sich einer operativen Entfernung der Gebärmutter (Hysterektomie) unterziehen, deren Ovarien dabei aber unangetastet bleiben, erleben Symptome einer hormonellen Veränderung – natürlich zusätzlich zum Verlust ihrer Periode.

Aktuellen Schätzungen zufolge wird rund eine von vier Amerikanerinnen eine abrupte, künstliche Menopause erleben. Da keine Gelegenheit für eine allmähliche Anpassung an das Absinken des Hormonspiegels besteht, können die Symptome einer künstlich herbeigeführten Menopause schwer und stark beeinträchtigend sein. Um die körperlichen Beschwerden zu lindern, ist eine hormonelle Substitution in fast allen Fällen unvermeidlich.