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Bildersprache und Erkenntnis
ОглавлениеDaß Luther in seinem Lied zur bildhaften Darstellungsweise greift, um Christi Leiden, Sterben und Auferstehen in seiner Bedeutung für uns erfaßbar zu machen, entspricht seiner Haltung gegenüber der Erfaßbarkeit von Dingen, die menschliche Vernunft übersteigen:
„Denn daß ich mit meinem Munde und mit meiner Zunge voll beschreiben und mit meiner Vernunft begreifen soll, wie es in den Sachen zugehe, die weit über und außer meiner Vernunft, Sinn und Verstand sind, das werde ich besser lassen.“1
Es geht ihm um das Erfassen des Nutzens der Glaubensartikel; der Weg dahin kann mit oder ohne „Bild und Blumenwerk“ dargestellt sein.
„Wenn ich so sage: Christus ist ein Herr über Teufel und Hölle, und der Teufel hat keine Gewalt und Macht über ihn und über die, welche ihm angehören, das ist ohne Bild und Blumenwerk geredet. Kann ichs so erfassen und glauben, so ists gut. Wenn ichs aber mit Blumen und Bildwerk vormale und eine Fahne mache, mit der Christus die Hölle aufgestoßen hat, daß es die Kinder und das schlichte Volk, die es sonst ohne Bild nicht erfassen können, auch verstehen, erfassen und glauben mögen, so ists auch gut. Wie man es nun erfassen kann, entweder mit Hilfe äußerlicher Bilder oder ohne äußerliche Bilder, so ists recht und gut, wenn man nur kein Ketzer wird und dieser Artikel nur fest bleibt, daß unser Herr Jesus Christus zur Hölle hinuntergefahren sei, die Hölle zerbrochen, den Teufel überwunden, und die, so vom Teufel gefangen waren, erlöst habe. Müssen wir doch sonst alle Dinge, die wir nicht kennen und wissen, durch Bildreden erfassen, wenn sie gleich nicht so ganz genau zutreffen oder in Wahrheit so sind, wie es die Bilder abmalen, warum wollten wir denn nicht diesen Artikel, den wir auch nicht verstehen noch voll ergründen können, durch Bildreden erfassen, weil das Bild gut hilft, das rechte, reine Verständnis zu erhalten, nämlich daß Christus selbst persönlich die Hölle zerstört und den Teufel gebunden hat? Wie Christus das getan hat, da kommt es nicht drauf an. Aber darauf kommt es an, daß ich wisse und glaube, das Tor sei aufgestoßen, der Teufel gebunden und gefangen, die Hölle zerbrochen und zerrissen, so daß mich und alle, die an Christus glauben, weder Hölle noch Teufel gefangennehmen noch mir schaden kann.“ 2
In diesem Punkt formuliert Luther einen Erkenntnisweg: Erkenntnis geschieht im Glauben, aus Offenbarung und Wort. Erkenntnis ist dann relevant, wenn sie auf mich bezogen ist. Dem Begreifen entzogene Zusammenhänge können dennoch für die eigene Existenz von Bedeutung sein. „Darauf kommt es an, daß ich wisse und glaube …, daß mich … weder Hölle noch Teufel gefangennehmen noch mir schaden kann.“
Luther arbeitet in seinem Lied mit einer Vielfalt an Bildern, die nicht miteinander kongruent gemacht worden sind, so daß jedes seine eigene Aussage behält. Dennoch läßt sich eine Aussage durch die vielen formulieren: Indem Christus sich dem Menschen vor aller Zeit und in dessen jeweiligen Gegenwart zuwendet, erlöst er ihn aus der Gefangenschaft des Todes, indem er ihn aus seiner Sündenverfallenheit befreit, verleiht er ihm Gerechtigkeit und läßt ihm das Leben zukommen, das aus dem Sieg Christi über den Tod entspringt. Insofern kommt in diesem Lied die von Luther formulierte Glaubenserkenntnis zur Sprache: „Darauf kommt es an, daß ich wisse und glaube …, daß mich … weder Hölle noch Teufel gefangennehmen noch mir schaden kann.“