Читать книгу Die Passion Jesu im Kirchenlied - Christina Falkenroth - Страница 54
2.2.4.2 Theologisches Konzept Das extra nos und pro nobis des Geschehens.
ОглавлениеDas Lied „Christ lag in Todes Banden“ stellt den Zusammenhang zwischen dem Heilsgeschehen im Sieg Christi über den Tod und der Heilszueignung an uns in seiner gleichzeitigen Getrenntheit und Verwobenheit mit unserer Gegenwart dar.
Die Darstellung in den Bildern vom Ringen von Tod und Leben und von dem Reich des Todes macht deutlich, daß hier Mächte außerhalb unserer Dimension von Zeit und Raum wirksam sind. Ihr Machtkampf aber gilt uns, denn in ihm entscheidet sich, ob der Tod oder das Leben in Christus die Herrschaft über uns haben. Christus hat nicht um seiner selbst willen, sondern pro nobis gehandelt: an „unserer“ Statt gegeben, er hat „uns“ bracht das Leben. „Unsere“ Sünd war Ursache für die Macht des Todes unter den Menschen, die das Handeln Christi auf den Plan gerufen hat.
Das Geschehen um Christus und seinen Kampf mit dem Tod wird aber solange als außerhalb menschlicher Gegenwart dargestellt, bis er, das Osterlamm, als gegenwärtig erkennbar wird: „Hie ist das recht osterlamb“. Erst in diese Gegenwart tritt der Mensch handelnd durch den Glauben, der das Blut Christi für sich in Anspruch nimmt, nun ist der Mensch, repräsentiert durch seinen Glauben, als unbezwingbarer Antagonist des Todes aktiv in der Szene vorhanden.
Indem Luther das Geschehen der Überwindung der Macht des Todes außerhalb unserer Zeit und unserer Existenz ansiedelt, betont er die Exklusivität des Leidens Christi, d.h. die Tatsache, daß diese Rettung ohne unser Zutun geschehen ist. Es ist Christi Gerechtigkeit, eine iustitia aliena, die uns im Glauben zugeeignet wird, wie auch schon die Verlorenheit an den Tod außerhalb unserer Zeit und unseres Handelns eingetreten ist:
„Diese fremde Gerechtigkeit also, ohne unser Tätigwerden, allein durch die Gnade uns eingegossen – indem uns nämlich der himmlische Vater innerlich zu Christus zieht – wird der ursprünglichen Sünde, der Erbsünde, entgegengestellt. Diese ist uns ebenso als eine fremde und ohne unser Tätigwerden allein durch Geburt angeerbt und zugekommen.“1
Im Sermon von der zweifachen Gerechtigkeit geht Luther noch von der „eigenen Gerechtigkeit“ aus, durch die prozeßhaft die Sünde Adams ausgetrieben wird und der Glaube sich mehrt. Auch spricht er von der conformatio, die aus der Nachfolge Christi erwächst. Es ist also deutlich, daß die Rede von der zweifachen Gerechtigkeit der scholastischen Gnadenlehre mit ihrer Rede von der gratia infusa als Ermöglichungsgrund für eigenes verdienstliches Handeln noch recht nahe ist.
Davon aber hat sich Luther in seinem Lied entfernt, wenn er hier nicht mehr von einer allmählichen Einwohnung der Gnade spricht, sondern allein durch das Handeln Christi sagen kann: „der Sünden Nacht ist vergangen“.