Читать книгу Die Passion Jesu im Kirchenlied - Christina Falkenroth - Страница 58
2.2.4.3 Zueignung der Passion im Singen Der Ort und der Weg des Singenden im Bezug auf den Gekreuzigten
ОглавлениеBei dem Osterlied Luthers handelt es sich um eine rechte Passionsbetrachtung: Der Singende steht vor dem gekreuzigten Christus. Denn der erste Hinweis auf den Ort des Singenden in Form der ersten Formulierung im Präsens ist dieser: „Hie ist das recht osterlamb“.
In den Strophen zuvor ist im Praeteritum ein Bericht ergangen von dem vorzeitigen Geschehen, in dem Christus den Tod seiner macht über „uns“, die in ihrer Sünde ihm ausgelieferte Menschheit, beraubt hat.
Nun steht dem Singenden das „recht osterlamb“ vor Augen: Es sieht auf Christus, er sieht seine „heiße Liebe“, die ihn zu diesem Handeln gebracht hat, der Glaube, der geistlich schaut, ergreift das Blut des Lammes und hält es dem Tod als Unterpfand des Lebens vor.
In der Betrachtung des Gekreuzigten ist die eschatologische Hoffnung schon Gegenwart geworden: Der Tod hat seinen Stachel verloren, er ist nur noch ein Spott, der Würger kann nicht mehr Besitz über uns ergreifen, die Nacht der Sünden ist vergangen, Christus ist die Gnadensonne, die allein in unseren Herzen scheint, niemand anders als Christus ist es, auf den sich der Glaube ausrichtet, wir leben nun in seinem Herrschaftsbereich.
Die Antwort der Glaubenden auf das schon angebrochene eschatologische Heil ist das Feiern des Mahles: Ostern, das erneuerte Passahfest; das Fest der Befreiung aus der Gefangenschaft des Todes, der Herrschaftswechsel hat stattgefunden: das „hoh fest“ hat die Qualität des eschatologischen Freudenmahles in ungetrübter Gottesgemeinschaft.
Im Augenblick der Betrachtung des gekreuzigten Christus wird der Betrachter Teil der Ewigkeit Gottes: Das in der Vergangenheit vollendete Heilsgeschehen, das Aneignen im Glauben und die zukünftige Gottesgegenwart sind hier vereint. Der Glaubende gewinnt die Teilhabe am Heil, das Christus für ihn erworben hat.
So kann man sagen, daß im Vollzug des Singens des Liedes die singende Gemeinde zur eschatologischen Gemeinde wird. Die Betrachtung des leidenden Christus im gesungenen Lied findet seine Verwirklichung in der Feier des Mahles. So hat das Lied seine liturgische Verortung nicht nur im Osterfest, sondern im Gottesdienst, d.h. im Abendmahl der Gemeinde gefunden.