Читать книгу Love Collection II - Clare Dowling - Страница 16

8

Оглавление

Als sie auf Orcas Island von der Fähre runterfuhren, war es bereits stockfinstere Nacht. Der Mond war hinter den Wolken verschwunden, und sobald sie die Anlegestelle des kleinen Hafenstädtchens hinter sich gelassen hatten, breitete sich tiefe Dunkelheit um sie herum aus. Auf den ersten Blick schien die Insel nur aus Bäumen zu bestehen. Laubbäume standen dicht an dicht mit hoch aufragenden Tannen und bildeten mit ihrem Astwerk einen Tunnel über der Straße. Wenn die Scheinwerfer des Jeeps die dunklen Gebilde erfassten, erhielten sie Farbe und Form, um im nächsten Augenblick wieder zu schwarzen Schatten vor dem Nachthimmel zu werden, was das Ganze wie ein mehrdimensionales, in dunklen Farben gehaltenes Fries aussehen ließ.

Sie wandte ihren Blick vom Fenster ab und sah Zach an. Im schwachen Schein der Armaturen hatten seine Augen etwas Undurchdringliches, und sein Gesicht schien nur aus harten Kanten zu bestehen. »Wir sollten wirklich schauen, ob wir in Eastsound nicht irgendwo zwei Zimmer bekommen können. Es ist zu spät, um einfach unangemeldet bei Davids Familie vor der Tür zu stehen.«

Er nahm seinen Blick nicht ein Mal von der Straße, als er kurz angebunden erwiderte: »Geben Sie’s auf, Morrisette. Darüber haben wir schon gesprochen.«

Ja, das hatten sie. Das hatten sie, während er sich in die Karte der Insel vertiefte, als sie Muschelsuppe in dem Restaurant auf dem Oberdeck des Schiffs gegessen hatten. Das hatten sie, während sie sich auf den harten Bänken gegenübersaßen, als die Fähre durch die engen Fahrrinnen zwischen den von dunklen Bäumen bestandenen Inseln gefahren war. Und das hatten sie, als sie an der Reling in der frischen April-Brise standen und zusahen, wie auf Lopez Island Autos die Fähre verließen und andere an Bord fuhren. Lily hatte darauf bestanden, dass man wildfremde Leute nicht einfach um elf Uhr nachts überfallen konnte, aber Zach hatte nur mit den-Schultern gezuckt.

»Ja, das haben wir«, sagte sie langsam. »Und Sie haben doch Unrecht.«

Er warf ihr nur einen kurzen Blick zu, und sie schnaufte wütend auf. »Sie sind der dickköpfigste Mann, dem ich je begegnet bin. Und der unhöflichste vermutlich auch. Ich hätte Ihnen erst morgen die Adresse geben sollen.«

Seine Lippen wurden schmal. Mit kalter, unbeteiligter Stimme sagte er: »Aber das haben Sie nicht. Und ich habe Sie nicht eingeladen mitzukommen, meine Liebe. Es würde mir wunderbar in den Kram passen, wenn ich nach Eastsound fahren und Sie dort irgendwo zurücklassen könnte.«

Sie schnaubte. »Na klar. Als hätte ich diese lange Fahrt nur unternommen, weil ich Ihre Gesellschaft so sehr genieße.« Sie starrte ihn an und versuchte, ihn dazu zu zwingen, ihren Blick zu erwidern, war aber auch nicht überrascht, als er es nicht tat. Seit er sie dabei ertappt hatte, wie sie in jenem verrückten Moment an der Fähranlegestelle in Anacortes seinen Mund anstarrte, verhielt er sich ihr gegenüber reserviert. Mann, wie gerne hätte sie in diesem Augenblick gewusst, wie seine Lippen schmeckten — eine kurze Geistesverwirrung, die so bar jeder Vernunft war, dass sie es selbst kaum glauben konnte. Die Röte stieg ihr ins Gesicht, als ihr zu spät der Gedanke kam, dass er sich vielleicht so verhielt, damit sie nicht auf irgendwelche merkwürdigen Ideen kam. Sie räusperte sich.

»Einen Versuch war es wert. Aber ich werde Ihnen nicht von der Seite weichen, damit ich größeren Schaden verhindern kann, wenn Sie anfangen, sich wie ein Elefant im Porzellanladen zu benehmen.«

»Bitte, meinetwegen können Sie Glynnis die Taschentücher reichen, wenn sie sich aus Dankbarkeit weinend an meine Brust wirft, weil ich sie vor Wohnwagen-Willie gerettet habe.«

Lily blieb der Mund offen stehen. »Mein Gott. Was sind Sie nur für ein eingebildeter Affe.« Diese Entdeckung hätte sie vermutlich nicht schockieren sollen, aber sie tat es doch.

Das erste Mal wandte er seinen Blick lange genug von der Straße, um sie anzusehen, und selbst im Dämmerlicht konnte sie erkennen, wie wütend er war. »Ich bin kein eingebildeter Affe, Sie kleine –« Er unterbrach sich und sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Den Scheiß höre ich mir nicht noch einmal an.«

»Ach, seien Sie doch still! Glynnis ist noch nie mit einem Typen abgehauen.« Oder vielleicht doch?

»Habe ich das etwa behauptet? Aber raten Sie mal, wo sich der letzte Typ, den sie für ihre große Liebe hielt, rumtrieb und darauf wartete, seine Schäfchen ins Trockene zu bringen, als ich ihn aufspürte?«

»Oh, lassen Sie mich mal nachdenken. In einer Wohnwagensiedlung?«

»Stimmt genau. Und bevor Sie sich gleich wieder aufs hohe Ross schwingen — mir ist durchaus klar, dass nicht alle, die in einem Wohnwagen leben, Gesindel sind. Ich bin überzeugt, dass dort viele hart arbeitende Menschen wohnen, aber dieser Kerl gehörte zufällig nicht dazu. Er besaß ein paar teure Klamotten, aber ansonsten lebte er wie ein Schwein. Und er hat Glynnis glattweg belogen. Bis zu dem Augenblick, als ich ihr die Augen öffnete, lebte sie in dem Glauben, sie würden sich deshalb immer bei ihr treffen, weil seine Wohnung am Strand gerade renoviert wird.«

Die arme Glynnis, dachte Lily. Laut sagte sie jedoch: »David ist anders. Er liebt sie.«

Zach lachte höhnisch auf und trat aufs Gas.

Zwanzig Minuten später hielt er mitten in der Wildnis an einem Briefkasten an, neben dem eine Einfahrt von der Straße abzweigte. Er kurbelte das Fenster herunter und richtete das Licht seiner Taschenlampe auf den Namen. »Hier ist es.«

Das Scheinwerferlicht eines Autos, das sich ihnen von hinten näherte, strich durch das Wageninnere und verschwand so schnell wieder, wie es aufgetaucht war, und Lily wandte ihren Blick von den dicken Tannen ab, die schützend den Grund der Beaumonts umgaben. Ein letztes Mal wollte sie noch versuchen, Zach davon abzubringen, die Familie von David zu so später Stunde zu überfallen, aber bevor sie ein Wort sagen konnte, legte er schon den Gang ein.

»Ich habe keine Lust mehr, mit Ihnen darüber zu debattieren«, kam er dem Einwand zuvor, den sie noch gar nicht ausgesprochen hatte, und lenkte den Jeep in die Einfahrt.

Sie fuhren auf der asphaltierten Privatstraße an den hoch aufragenden Tannen vorbei, die bald von einer riesigen, gepflegten Rasenfläche abgelöst wurden. Aber es war das Gebäude, das auf halber Strecke zwischen den Bäumen und einer Steilklippe über dem Meer thronte, das Lilys Aufmerksamkeit erregte, und sie gab einen überraschten Laut von sich.

»Nicht schlecht.« Sie warf ihm einen triumphierenden Blick zu. »So viel zu Ihrer Theorie, dass er Ihre Schwester nur wegen ihres Geldes will.«

Davids Zuhause war ein richtiges Anwesen und hatte aber auch gar nichts mit Zachs Wohnwagensiedlung zu tun. Das Haus aus Natursteinen mit seinem Schindeldach erinnerte eher an ein gediegenes Landhotel als an eine Behausung für eine einzelne Familie. Eine Seite blickte zum Steilufer und zum Meer dahinter, und es hatte auf beiden Seiten des Hauptgebäudes etwas niedrigere Flügel, mehrere Kamine und hölzerne Fensterläden, die wunderbar gearbeitete Fenster umrahmten ... von denen alle hell erleuchtet waren.

Zach schien seine offenkundige Fehleinschätzung kein bisschen peinlich zu sein. Er zuckte als Antwort auf ihre spöttische Bemerkung nur die Schultern, brachte den Jeep an der Kehre der geschwungenen Auffahrt zum Stehen und stellte den Motor ab. Bevor er zum Türgriff langte, bedachte er Lily mit einem kurzen Blick. »Auf jeden Fall scheinen sie noch wach zu sein. Also ist es wohl nicht zu spät, um noch zu klingeln.« Er stieg aus dem Auto.

Lily verdrehte die Augen und stieg ebenfalls aus, aber sie konnte nicht verhindern, dass sich ihre Lippen zu einem kleinen Lächeln verzogen. Der Möchtegerngeneral hatte falsch gelegen, ganz falsch, und bald wäre er gezwungen, jedes einzelne seiner Worte zurückzunehmen. Sie klopfte sich innerlich auf die Schulter und freute sich schon darauf, ihm dabei zuzusehen.

Mit dem Lächeln auf den Lippen folgte sie ihm zum Haus und stieg hinter ihm die steinernen Stufen zu der riesigen Veranda hinauf. Oben angekommen, drückte er auf die Klingel. Als daraufhin nicht sofort reagiert wurde, hob er seine riesige Faust und hämmerte gegen die massive Tür.

»Reißen Sie sich zusammen, Zach«, protestierte sie, aber als sich im nächsten Moment die Haustür öffnete, blieb ihr vor Schreck jedes weitere Wort im Hals stecken. Sie sah sich der Mündung einer doppelläufigen Flinte gegenüber.

Oh, Scheiße! Zach streckte die Hände nach oben, um den Mann von seinen friedlichen Absichten zu überzeugen, und stellte sich vor Lily, sodass er zwischen ihr und dem Gewehrlauf stand. Nicht dass sie dadurch wirklich geschützt wäre, wenn der Typ vor ihm sich entschließen sollte, auf den Abzug zu drücken. Auf diese Entfernung würde ein Schuss aus zwei Läufen ein riesengroßes Loch in ihn reißen und auch noch sie erwischen.

Aus dem Inneren des Hauses waren Stimmen zu hören, die meisten davon gehörten Frauen, von denen eine kurz vor einem hysterischen Anfall zu stehen schien. Zach ließ den Mann mit der Flinte keinen Moment aus den Augen. Er verdrängte ein Gefühl des Bedauerns, seinen Dienstrevolver am Morgen beim Verlassen des Zeltplatzes in seinen Matchsack gepackt zu haben, und sagte ruhig: »Guten Abend. Ich weiß, es ist ein bisschen spät, um hier einfach so reinzuschneien, aber dieser Empfang ist doch ein wenig übertrieben, meinen Sie nicht? Oder begrüßen Sie Ihre Besucher immer so?«

Die Hände des Mannes schlossen sich noch ein wenig fester um die Waffe. »Wer, zum Teufel, sind Sie? Und was, zum Teufel, wollen Sie?«

Der Typ war nervös, und er war ein Amateur, und keine der beiden Eigenschaften schätzte Zach bei einer Person, die ihm ein Gewehr unter die Nase hielt. Er beobachtete, wie der Finger des jungen Mannes den Abzug losließ und stattdessen unruhig gegen den Gewehrlauf klopfte. Mit einer raschen Bewegung schlug Zach das Gewehr zur Seite, und mit einer ebenso raschen, geschickten Drehung seines Handgelenks hatte er es dem Mann entwunden.

Dieser fluchte und machte Anstalten, es wieder an sich zu reißen.

Zach wehrte ihn ab, knickte den Lauf, nahm die beiden Patronen heraus, ließ das Gewehr dann wieder zuschnappen und gab es dem Mann zurück. »Ich heiße Zachariah Taylor«, sagte er. »Stabsfeldwebel bei den U. S. Marines«, fügte er hinzu, in der Hoffnung, dass die Autorität der US-Regierung, die hinter ihm stand, helfen würde, den Mann zu beruhigen. Der Typ sah aus, als würde er jeden Moment durchdrehen. »Ich suche meine Schwester Glynnis.«

Er spürte, dass Lilys Fingers seinen Hosenbund losließen, an dem sie sich festgeklammert hatte, und die Wärme ihrer Brüste verschwand, als sie sich von seinem Rücken löste. Noch während er das alles registrierte, tauchte eine Frau von Ende fünfzig in der Tür auf.

»O mein Gott, o mein Gott«, sagte sie, und die Tränen an ihren Wimpern zitterten, während sie ein Spitzentaschentuch aus Batist in ihren blassen, zarten Händen wrang. Dann knüllte sie das Taschentuch mit einer Hand zusammen und packte Zach mit der anderen am Arm. Sie zog ihn in die Diele und sah hoffnungsvoll zu ihm hoch, als der junge Mann hinter ihnen die Tür schloss. »Sie haben also Nachricht von ihm? Wissen Sie, wie es meinem David geht?«

Verdammt. Das hörte sich nicht gut an. »Nein, Ma’am, ich habe keine Ahnung.«

»Nein!« Sie schrie auf, und er erkannte, dass es ihre hysterische Stimme gewesen war, die er eben gehört hatte.

»Atmen Sie tief durch, Ma’am«, befahl er ihr in einem Ton, der keine Widerrede duldete und mit dem er seit Jahren seine Rekruten wieder zur Räson brachte. »Holen Sie immer schön tief Luft, und atmen Sie langsam wieder aus. Und dann sagen Sie mir, was hier los ist.«

Sie tat wie geheißen, machte allerdings keinen wesentlich ruhigeren Eindruck, als sie wieder zu ihm aufsah. Trotzdem atmete sie weiter langsam ein und aus. »Sie sind entführt worden«, sagte sie, und ihr Kinn begann zu zittern. »O Gott. David und seine kleine Freundin sind entführt worden.«

Dios, war das kalt. Miguel rieb seine Arme und wünschte, er hätte wärmere Kleidung dabei. Er vermisste sein geliebtes Kolumbien, wo einem die Hitze bis in die Knochen drang, und fragte sich verdrießlich, ob der große Comandante Taylor und diese blutarme Frau endlich an dem Ziel angekommen waren, das sie von Kalifornien aus angesteuert hatten. Hoffentlich, denn je früher er seine Mission ausführen konnte, desto schneller war seine Ehre wiederhergestellt, und er konnte in sein Dorf zurückkehren, um dort seinen angestammten Platz einzunehmen.

Er war versucht, aus seinem Auto zu steigen, bis zu der Stelle der Auffahrt zu schleichen, an der der Comandante vor kurzem sein Auto abgestellt hatte, und nachzusehen, wo der Marine jetzt war. Aber er steckte in derselben Zwickmühle wie gestern Abend auf dem Zeltplatz. Er traute sich nicht, sein Auto stehen zu lassen, weil er Angst hatte, dass der Comandante überraschend zurückkehren könnte. Aber zu dicht ans Haus durfte er auch nicht fahren, und zwar aus demselben Grund, der ihn zwei lange Tage in angemessener Entfernung gehalten hatte — er wollte sich keinesfalls verraten, bevor es Zeit für den entscheidenden Schlag war. Vorhin war er fast auf die Stoßstange des Jeeps gerauscht, als er vor lauter Angst, sie zu verlieren, hinter ihnen hergerast war und sie unerwarteterweise mitten auf der Straße angehalten hatten. Er war in die erstbeste Einfahrt eingebogen und hatte gewartet, bis er hörte, dass der Jeep weiterfuhr, und dann war er zurück auf die Straße gefahren. Dort hatte er sich einen besseren Platz gesucht, von dem aus er nicht nur die Straße im Auge behalten konnte, sondern auch sein Auto.

Sobald er sich sicher sein konnte, dass der Comandante tatsächlich an seinem endgültigen Ziel angekommen war, wollte er einen kurzen Abstecher in die nächstgelegene Stadt machen, um sich die richtigen Klamotten für dieses Klima zu beschaffen. Es konnte jetzt nicht mehr lange dauern, bis sich die Gelegenheit ergab, die Frau zu schnappen und von hier abzuhauen, aber in der Zwischenzeit musste er angemessen gekleidet sein. Er wickelte sich in die dünne Decke, die er im Kofferraum gefunden hatte, und stellte den Motor für kurze Zeit an, damit die Heizung lief. Der Gedanke an das Gesicht des Comandante, wenn er entdeckte, dass ihm seine Frau weggenommen worden war, ließ Miguel grinsen. Bald, versprach er sich selbst, bald würde es so weit sein.

Als er den Motor wieder abstellte, um nicht den letzten Rest Benzin zu verbrauchen, kroch ihm die Kälte gleich wieder in die Knochen. Und er wusste, dass, wenn er noch lange warten musste, er sich in diesem ungewohnten, feindlichen Klima seinen Hintern abfrieren würde.

Zach hatte ein Gefühl, als hätte er einen Schlag in die Magengrube bekommen, und starrte die elegant gekleidete Dame vor ihm entgeistert an. »Entführt?«

Der junge Mann, der sie mit dem Gewehr im Anschlag empfangen hatte, trat einen Schritt vor und legte schützend einen Arm um die Schultern der Frau. Er warf sich mit einer ruckartigen Bewegung seines Kopfes, die nach langer Angewohnheit aussah, die Haare aus der Stirn. »Deshalb die Waffe«, sagte er und hob das nun nutzlose Gewehr in die Höhe. »Als Sie hier auftauchten, gleich nachdem wir den Erpresserbrief erhalten hatten, dachten wir, dass Sie die Entführer sind. Ich heiße Richard Beaumont«, fügte er hinzu und streckte Zach die Hand entgegen. »Ich bin der Cousin von David. Und das ist Davids Mutter, Maureen Beaumont.«

Zwei weitere Frauen und ein Mann kamen aus einer Tür, die aus der Halle führte, und gesellten sich zu ihnen. Richard stellte sie als seine Schwestern Cassidy und Jessica und Jessicas Mann Christopher vor.

Zach warf kurz einen Blick auf die auffallende Brünette, die unscheinbare Brünette und den Typen, der geradewegs dem Titelbild von Gentleman’s Quarterly entstiegen zu sein schien, und beschloss, sie sich später noch genauer anzusehen, als Mrs. Beaumont sagte: »David hat uns vor ein paar Tagen angerufen. Er sagte, er habe in Kalifornien eine Frau kennen gelernt, die er heiraten wolle, und dass er mit ihr hierher käme, um sie uns vorzustellen. Das alles schien so plötzlich zu kommen — wir hatten Befürchtungen, dass sie sich als eines dieser furchtbaren, schrillen Starlets erweisen könnte oder als eine Frau, die nur hinter seinem Geld her ist.« Als ihr bewusst wurde, dass es sich bei dieser Frau um Zachs Schwester handelte, errötete die ältere Dame.

Lily lachte laut auf, und ihr Lachen hallte in dem eisigen Schweigen wider. Alle Anwesenden zuckten zusammen und sahen sie an. Selbst nach den zwei anstrengenden Tagen, die hinter ihr lagen, und fast ungeschminkt und mit ungewaschenem Haar, das noch dazu auf einer Seite platt gedrückt war, sah sie absolut heiß aus, und Zach dachte, dass sie wahrscheinlich genau dem Typ Frau entsprach, dem die Befürchtungen der Beaumonts galten. Tatsächlich bedachte Mrs. Beaumont Lily mit einem Blick, als käme sie frisch von einem Porno-Casting, und wenn er nicht halb krank vor Sorge gewesen wäre, hätte er die Situation richtig genossen.

Aber er war nicht in der richtigen Stimmung, und albern wäre es auch gewesen. Abgesehen von diesem kurzen Moment am Nachmittag, hatte er noch nie erlebt, dass Lily um Worte verlegen war, und sie war es auch jetzt nicht. Sie schenkte Davids Mutter ein freundliches Lächeln.

»Es tut mir Leid«, sagte sie leise. »Das war ganz und gar unpassend. Ich bin mir über den Ernst der Lage durchaus im Klaren. Ich musste nur lachen, weil Zach auf der ganzen Fahrt von Kalifornien hierher von genau derselben Sorge beherrscht war — dass David nur hinter dem Geld seiner Schwester her ist.« Als die Frau sie weiterhin verständnislos ansah, erklärte sie: »Glynnis wird selbst bald zu einem nicht unbeträchtlichen Vermögen kommen.«

Mrs. Beaumont blinzelte. »Oh«, sagte sie. Dann wurde sie blass. »Mein Gott. Meinen Sie, dass die Leute, in deren Gewalt sie sich befinden, das wissen? Sie können keinesfalls hier bleiben«, sagte sie in plötzlicher Panik an Zach gewandt. Sie wedelte mit der Hand, als wollte sie ihn verscheuchen. »Sie müssen gehen.«

Zach starrte sie an. »Ich werde nirgendwohin gehen, bis ich meine Schwester gefunden habe, Ma’am«, erklärte er ihr in knappem Ton. Wenn es sein musste, würde er draußen auf der Wiese kampieren.

»Aber Sie müssen!« Sie machte den Eindruck, als würde sie jeden Moment einen Nervenzusammenbruch erleiden. »Die Entführer werden denken, dass wir Sie herbestellt haben, und sie haben uns die strikte Anweisung gegeben, nicht die Polizei zu rufen, wenn wir David lebend wieder sehen wollen. Was ist, wenn sie das Haus beobachten? Wenn sie Sie sehen, werden sie denken, dass wir ihre Drohung nicht ernst nehmen!«

Bevor er nicht die ganze Geschichte gehört hatte, war er nicht bereit, sich auch nur einen Zentimeter von der Stelle zu rühren — und wahrscheinlich selbst dann nicht, denn nach einem Blick auf die hier versammelte Mannschaft war ihm klar geworden, dass er der Einzige war, der Glynnis und David heil zurückbringen konnte. Zach nahm Mrs. Beaumonts zitternde Hände und strich ihr mit den Daumen über die Handrücken. Dabei sagte er langsam und ruhig: »Eine solche Drohung ist ein typischer Trick, um die Opfer fertig zu machen. Entführer zählen darauf, dass die Leute vor lauter Angst nicht mehr klar denken können, aber es ist wichtig, dass Sie die Zeit nutzen und versuchen, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Sehen Sie sich Lily doch mal genauer an. Glauben Sie wirklich, dass irgendjemand sie für eine Polizistin halten könnte?«

Zu spät erinnerte er sich daran, dass Lily solche Beleidigungen nicht wortlos hinnahm. Jetzt machte sie jedoch gute Miene zum bösen Spiel, ganz so, als wüsste sie, dass er unbedingt an Ort und Stelle bleiben musste, damit die Situation nicht völlig außer Kontrolle geriet. Alle Augen richteten sich auf sie. Sie hatte eine Hüfte leicht vorgeschoben und studierte ihre Fingernägel, als gäbe es im Moment nichts Interessanteres. Dabei bewegte sie langsam ihre Kiefer, und wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er schwören können, dass sie Kaugummi kaute.

Mrs. Beaumont entspannte sich ein wenig, und Zach atmete auf und sagte: »Sie müssen mir genau erklären, warum Sie glauben, dass Ihr Sohn und Glynnis entführt worden sind.«

»Ungefähr zwanzig Minuten, bevor Sie eintrafen, erhielten wir einen Brief.« Sie zögerte, dann machte sie eine Geste in Richtung der Tür, aus der die anderen gekommen waren. »Lassen Sie uns ins Wohnzimmer gehen.«

Die ganze Versammlung begab sich in ein großes Zimmer mit riesigen Terrassentüren und zwei Fenstern, die bestimmt zum Wasser blickten, nur war es im Moment zu dunkel, um weiter als bis zu einer Gruppe von Korbstühlen auf der erleuchteten Terrasse zu sehen. Das obere Drittel der Fenster bestand aus Facettenglas und verlieh ihnen eine Pracht, die sich in der kühlen, graugrünen Seide widerspiegelte, mit der die Wände bespannt waren. Im Kontrast dazu machten Couch, Sessel und Stühle, die dick gepolstert und mit hellem Leinen und flaschengrünem Chintz bezogen waren, einen ausgesprochen gemütlichen Eindruck. Ein offenes Feuer knisterte in dem steinernen Kamin an der Nordwand.

Mrs. Beaumont forderte mit einer einladenden Geste zum Sitzen auf. Zach blieb stehen, obwohl er lieber mit großen Schritten durch das Zimmer gelaufen wäre, und wartete. Sie drehte sich zu ihrem Neffen.

»Zeig ihm den Brief, Richard.«

Richard ging zu einem Einbauschrank und holte ein Blatt Papier heraus, das er an Zach weiterreichte.

Während Zach es sich ansah, wurde ihm klar, dass er bis zu diesem Moment den Beaumonts nicht wirklich geglaubt hatte. Im seinem tiefsten Inneren musste er gehofft haben, dass das Ganze ein Missverständnis war oder dass sie einem schlechten Scherz aufgesessen und in Panik geraten waren. Aber dieses Blatt Papier, auf dem drei Sätze standen, die aus einzeln aus Zeitungen ausgeschnittenen Buchstaben zusammengeklebt waren, belehrte ihn eines Besseren.

Der Brief war kurz und kam schnell zum Punkt.

WIR HABEN IHREN SOHN. WENN SIE IHN UND SEINE FREUNDIN WIEDER SEHEN WOLLEN, WARTEN SIE UNSERE INSTRUKTIONEN AB. EIN ANRUF BEI DER POLIZEI, UND DIE BEIDEN SIND TOT.

Zusammen mit seinem Freund Cooper Blackstock hatte Zach im Lauf der Jahre etliche Aufklärungseinsätze geleitet, bei denen es um die Befreiung von Geiseln ging. Er wusste, was Angst bedeutete. Aber jetzt musste er feststellen, dass dieses beunruhigende Gefühl im Magen viel schlechter zu kontrollieren war, wenn seine kleine Schwester zu den Geiseln gehörte. Er atmete tief durch, um seine Empfindungen wieder in den Griff zu bekommen, und sah zu Maureen Beaumont hinüber, die sich auf dem Rand eines Sessels niedergelassen hatte.

»Wo haben Sie das gefunden?«

»Im Briefkasten, der an der Straße steht, zusammen mit der übrigen Post«, sagte sie. »Jessie hätte sie schon früher geholt, aber ich wollte meinen üblichen Spaziergang machen. Dann hatte ich allerdings so viel zu tun, dass ich erst vorhin dazu gekommen bin, zum Briefkasten zu gehen.«

»Sie sind bei Dunkelheit dorthin gegangen?«

»Ja, das mache ich oft. Ich habe mich auf der Insel immer sicher gefühlt.« Dann sank sie in sich zusammen, und Zach wusste, dass ihr eben klar geworden war, dass sie dieses Gefühl vollkommener Sicherheit vermutlich nie wieder haben würde. »O mein Gott«, sagte sie.

»Tief durchatmen«, erinnerte er sie.

Sie holte Luft und stieß sie wieder aus, und als sie sich ein wenig beruhigt hatte, setzte sie sich aufrecht in ihren Sessel und sah ihn fragend an. »Wie können Sie nur so gelassen bleiben?«

»Ich habe achtzehn Jahre bei einer Spezialeinheit verbracht — und zu unseren Aufgaben gehörte die Befreiung von Geiseln. Die Lage hier ist natürlich anders, weil meine Schwester beteiligt ist. Außerdem weiß ich nicht, wo Glynnis und Ihr Sohn festgehalten werden. Ich kann nicht einfach alles Nötige in die Wege leiten und sie befreien, aber ich werde dafür sorgen, dass beide wohlbehalten zurückkehren, Ma’am. Darauf können Sie sich verlassen.«

Sie nickte, dann wandte sie sich an die Brünette, die neben ihr saß. »Oberfeldwebel Taylor und Miss« — sie sah Lily an — »es tut mir Leid, ich kenne Ihren Nachnamen gar nicht.«

»Morrisette«, sagte Lily. »Aber nennen Sie mich doch bitte Lily, Mrs. Beaumont.«

»Und es wäre mir eine Ehre, wenn Sie Zach zu mir sagten, Ma’am«, ergänzte Zach.

»Schön.« Sie wandte sich wieder an die Brünette. »Jessica, Zach und Lily brauchen Zimmer. Würdest du dich bitte darum kümmern?«

Love Collection II

Подняться наверх