Читать книгу Love Collection II - Clare Dowling - Страница 21
13
ОглавлениеAllein in der Küche, schnitt, würfelte und hackte Lily alles, was ihr unter die Finger kam. Die Unruhe, die ihren Körper bis in die Zehenspitzen erfasst hatte, brannte auf ihrer Haut wie ein sich schnell ausbreitender Ausschlag. Sie bekam das Intermezzo mit Zach oben im Flur einfach nicht aus dem Kopf, sosehr sie sich auch darum bemühte.
Wer hätte gedacht, dass ein so sturer und aggressiver Typ mit einer solchen Zärtlichkeit und Zurückhaltung küssen konnte? Zumindest anfänglich. Als er nämlich richtig in Fahrt gekommen war, da ...
Ihr wurde heiß. Sie starrte vor sich hin, ohne etwas wahrzunehmen, als sie die paar viel zu kurzen Momente noch einmal durchlebte, das Messer in der einen Hand und die Kartoffel, die sie gerade in gleichmäßige Würfel schneiden wollte, in der anderen. Wieder spürte sie den Hunger, mit dem er sie geküsst hatte, erinnerte sich an seinen langen, harten Schwanz, der sich fest zwischen ihre Oberschenkel drückte, an die Bewegung seiner Hüften und die Hitze, die sie empfunden hatte, als er sich an sie presste und sie damit fast zum Wahnsinn brachte.
Das Messer fiel klappernd auf die Arbeitsplatte. Sie fuhr erschrocken zusammen und griff nach einem Küchentuch, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, von ihrem Dekolleté, ihrer Unterlippe. Was war nur an diesem Mann, das sie dermaßen faszinierte?
Als sie das letzte Mal Sex gehabt hatte, war noch ein anderer Präsident im Amt gewesen. Sie gehörte nicht zu den Frauen, die sofort mit einem Mann ins Bett gingen, nur weil ihnen sein knackiger Hintern gefiel. Selbst wenn er gut küssen konnte.
Kein Grund zur Sorge also. Sie war nur einer Laune gefolgt, nichts weiter. Wenn sie ihr nicht noch einmal nachgeben würde, würde sie vorübergehen.
Nur ...
Wenn es mehr war? Leise stöhnte sie auf. Es schien kaum möglich, aber sie hatte das schreckliche Gefühl, dass sie anfing, ein gewisses Interesse für Zach zu entwickeln. Ein echtes, tiefes Interesse.
Sie versuchte, den Gedanken beiseite zu schieben, da allein die Vorstellung ihr Angst machte. Das durfte auf keinen Fall passieren. Zum einen kannte sie ihn nicht lange genug, und zum anderen — hör auf, auch nur daran zu denken, verdammt! —wäre ihr Lebenstraum, sich irgendwo niederzulassen und ein eigenes Restaurant zu eröffnen, gefährdet, wenn sie wirklich etwas für ihn empfände. Das Letzte, was sie wollte, war, sich in irgendeinen Soldaten zu verlieben, dessen Berufsbezeichnung bereits ein Synonym für Wohnungswechsel war. Und davon hatte sie endgültig die Nase voll.
Abgesehen davon musste man einen Menschen gut kennen, um etwas für ihn zu empfinden, und sie hatte nicht die geringste Ahnung, wer Zachariah Taylor wirklich war. War es der Kerl, der so grob und gemein sein konnte und mit ihr redete, als wäre sie irgendein dahergelaufenes Dummchen? War es jener Kerl, der sie küsste, als ginge es um sein Seelenheil und als wäre sie seine einzige Rettung — oder realistischer, als wolle er sie mit sich ins Schattenreich ziehen? Oder war es der Mann, der einen Moment am Fuß der Treppe stehen blieb, um sich zu vergewissern, dass es ihr gut ging?
Vielleicht war er alle drei. In diesem Moment allerdings war er der Mann, der ihr mit seinem Kuss die Sinne geraubt hatte, der, wenn sie ehrlich war, ihre Gedanken beherrschte. Mein Gott, dieser Mund. Dieser unwiderstehliche, erfahrene Mund —
Verflixt und zugenäht, hör endlich auf damit! Sie riss sich die Schürze herunter, suchte ein paar Schüsseln zusammen, füllte das vorbereitete Gemüse hinein und stellte sie in den Kühlschrank. Sie musste hier raus. Auf andere Gedanken kommen. Jetzt sofort.
Ein paar Minuten später und nach einem kurzen Umweg über ihr Zimmer, wo sie ihre Tasche geholt hatte, klopfte sie an Jessicas Tür. Jessica war von Lilys Anblick vor ihrer Tür offensichtlich überrascht, aber da sie gutes Benehmen zu einer Kunst erhoben hatte, überspielte sie es.
»Oh, hallo«, sagte sie und trat einen Schritt zurück. »Kommen Sie rein, bitte.«
Lily schüttelte den Kopf. »Ich will Sie nicht stören. Ich wollte Ihnen nur das da bringen« — sie reichte ihr den Lippenstift, den sie ihr versprochen hatte — »und fragen, wo ich hier in der Nähe einen guten Lebensmittelladen finde. Ich bin gerade dabei, einen Speiseplan zu entwerfen, und habe festgestellt, dass ein paar Dinge in der Küche zur Neige gehen. Vor allem frische Sachen wie Gemüse und Obst und Milch und Eier.«
Jessica nahm sie am Arm und zog sie über die Schwelle. »Ich zieh mir nur schnell ein Paar Schuhe an, und dann fahre ich Sie nach Eastsound.«
»Oh, es ist wirklich nicht nötig, dass Sie –« Lily beendete den Satz jedoch nicht, als sie Jessica in ein gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer folgte. Warum sollte sie das Angebot nicht annehmen? Sie konnte Jessicas Hilfe gut brauchen. »Aber — sind Sie sicher, dass es Ihnen nicht zu viele Umstände macht?«
»Überhaupt nicht. Es täte mir sogar gut, ein bisschen rauszukommen.« Sie warf einen unsicheren Blick auf den Lippenstift in ihrer Hand. »Ich werde mir nur schnell die Zähne putzen und ein wenig von dem Lippenstift hier auftragen, und dann können wir fahren. Machen Sie es sich bequem, ich bin gleich wieder da.«
Sie verließ das Zimmer, und Lily sah sich neugierig um, da sie nun die Gelegenheit hatte, herauszufinden, was dem Raum seine Behaglichkeit verlieh. Sie bewunderte zwei kleine Quilts, die auf einem dunkelblauen Samtsofa lagen, und einen, der über die Lehne eines alten Schaukelstuhls drapiert war, als Jessica zurückkam, ausgehfertig mit Schuhen und Lippenstift und einer kleinen Handtasche. Lily lächelte sie kurz an, dann widmete sie sich wieder den beiden Wandquilts, die sehr viel Kunstfertigkeit bewiesen. »Haben Sie die gemacht?«
»Ja.«
»Mein Gott, Jessica, die sind fantastisch. Und das nennen Sie Ihr kleines Hobby? Es überrascht mich, dass Sie sie nicht verkaufen und Geld damit verdienen.«
Jessica trat neben sie vor die wunderbar gearbeiteten Quilts, die ganz in Blau, Beige und Bronzetönen gehalten waren. Sie betrachtete sie skeptisch. »Glauben Sie wirklich, sie sind so gut, dass ich sie verkaufen könnte?«
»Aber ja! Meine Güte, ich habe Quilts gesehen, die nicht halb so schön waren und Hunderte von Dollars gekostet haben. Haben Sie noch mehr davon?«
Jessica gab einen Laut von sich, der bei einer weniger wohlerzogenen Frau als Schnauben bezeichnet worden wäre, und ging zu einer alten ledernen Schiffstruhe mit Messingbeschlägen. Sie öffnete sie und nahm das oberste Fach heraus, um Lily einen Stapel Quilts zu zeigen, die allein durch ihre Vielfalt an Mustern, Farben und Größen beeindruckend waren.
Lily kniete sich vor der Truhe auf den Boden. Sie zog mehrere Quilts heraus und betrachtete sie begeistert. »Wow.« Dann riss sie einen Moment lang ihren Blick von den Stücken los, um deren Schöpferin anzusehen. »Ich komme mir vor wie Ali Baba in seiner Schatzhöhle.«
Jessicas Wangen färbten sich rot vor Freude. »So schön finden Sie sie?« Als Lily heftig nickte, fragte sie: »Wollen Sie einen?«
»Sind Sie verrückt? Sie können sie doch nicht einfach verschenken!«
»Aber warum denn nicht? Sie haben mir ja auch einen Lippenstift geschenkt.«
»Der ungefähr fünfzehn Dollar gekostet hat. Dieser Quilt dagegen –«, ihre Hände strichen über einen Quilt mit einem Muster in sattem Rotbraun, Schwarz und Ocker, den sie am schönsten fand, »— der muss mehrere Hundert Dollar wert sein. Vielleicht sogar tausend.«
Jessica grinste. »Das tut meinem Ego gut.«
»Ja? Na, wenn ich schon dabei bin, kann ich Ihnen auch gleich noch sagen, dass Sie mit dem Lippenstift toll aussehen.« Dann lachte Lily. »Okay, das war eben eine Streicheleinheit für mein Ego, weil ich Recht hatte, als ich sagte, dass Ihnen die Farbe ausgezeichnet stehen würde. Trotzdem. Sie haben schöne Lippen — Sie sollten sie immer betonen.«
»Ach, ich weiß nicht.« Jessica lachte ebenfalls, nahm den Quilt, den Lily so bewundert hatte, und hielt ihn ihr entgegen. »Hier, nehmen Sie ihn. Ich glaube, Sie schätzen seinen Wert zu hoch ein, aber selbst wenn Sie Recht haben sollten, dann ist es mir — was hatten Sie gesagt? — mehrere tausend Dollar wert, wenn mir jemand sagt, dass etwas an mir hübsch ist.«
Lily drückte den Quilt an ihre Brust. »Ihr erstes Angebot habe ich ausgeschlagen, aber dieses Martyrium nehme ich nicht noch einmal auf mich. Und glauben Sie bloß nicht, dass Sie dieses Wunderwerk jemals wiederbekommen.« Sie sah Jessica neugierig an, als diese die Truhe schloss und dann mit ihr auf den Flur hinaustrat. »Ihr Ehemann sagt Ihnen doch sicher oft, dass sie hübsch sind.«
»Äh, ja, klar, aber ... also.« Sie zuckte die Schultern und blickte etwas unsicher drein. »Gehört das nicht sozusagen zu seinen Pflichten? So etwas steht doch in jedem Handbuch für den guten Ehemann.«
»Keine Ahnung, ich war nie verheiratet. Und ich kenne Ihren Ehemann natürlich nicht gut genug, um es sicher zu wissen, aber, aus dem Bauch heraus gesprochen, er kommt mir nicht wie der Typ Mann vor, der Dinge sagt, die er nicht auch meint.« Lily merkte, dass Jessica die Richtung, die das Gespräch nahm, unangenehm war, daher wechselte sie schnell das Thema. »Lassen Sie mich den Quilt noch schnell in mein Zimmer bringen, und dann fahren wir zum Einkaufen. Gibt es in dem Ort auch Klamottenläden? Ich könnte etwas Wärmeres zum Anziehen gebrauchen als die Sachen, die ich dabeihabe. Wenn wir nicht so übereilt von Kalifornien aufgebrochen wären, dann hätte ich vielleicht Zeit gehabt, mir zu überlegen, dass es hier kälter ist, als ich es gewöhnt bin.«
Da sie auch mit wenig Bargeld losgefahren war, steuerten sie in Eastsound, einem kleinen, malerischen Städtchen, als Erstes einen Geldautomaten an. Sie beschlossen, erst ganz zum Schluss in den Supermarkt zu gehen, damit ihre Einkäufe nicht zu lange ungekühlt im Auto herumlagen, und liefen durch den Nieselregen zur nächstgelegenen Boutique.
Jessica sah erstaunt zu, wie Lily in gerade mal sieben Minuten zwei warme Pullis und eine leichte Regenjacke aussuchte, und ihre Freude an diesem unverhofften Einkaufsbummel schwand ein bisschen. »Das ist ziemlich demoralisierend.«
Lily hielt auf dem Weg zur Kasse inne und warf ihr einen fragenden Blick zu. »Was meinen Sie?«
»Dass es offensichtlich jeder Frau auf dieser Welt in die Wiege gelegt wurde, zu wissen, was ihr steht — außer mir.« Lily zog die Augenbrauen hoch, und Jess deutete auf die Kleidungsstücke, die sie unterm Arm trug. »Alles, was Sie ausgesucht haben, passt perfekt zu Ihnen, und Sie mussten nicht einmal groß darüber nachdenken. Woher wussten Sie so genau, was Sie kaufen sollten?«
Lily zuckte die Schultern. »Ganz einfach, ich habe mir vor langer Zeit überlegt, welcher Farbtyp ich bin und was mir bei meiner Figur am besten steht, und dann blieb ich einfach dabei.«
»Sehen Sie? Ich habe nicht die leiseste Ahnung, welcher Typ ich bin und was mir steht.«
Lily sah sie einen Moment lang an, dann fragte sie: »Wer hat Ihre Wohnung in dem Haus eingerichtet, Jessica?«
Falls dieser Themenwechsel Jessica ein wenig abrupt und seltsam erschien, so ließ sie es sich nicht anmerken, sondern erwiderte höflich: »Ich.«
»Und suchen Sie auch die Stoffe für Ihre Quilts aus?«
»Ja, natürlich.«
»Dann sollten Sie auch dazu imstande sein, herauszufinden, welcher Typ Sie sind. Sie haben einen ausgezeichneten Geschmack.«
Jessica starrte sie einen Moment lang verwundert an. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass das eine mit dem anderen zu tun haben könnte. Dann blinzelte sie, und ihre Selbstzweifel hoben einmal mehr ihr hässliches Haupt. »Aber das ist doch etwas völlig anderes.«
»Nein, das ist es nicht. Sie haben sich mit ihrer Wohnung eine wunderschöne Umgebung geschaffen. Und jetzt geht es einfach darum, diese Fähigkeit auf andere Dinge zu übertragen, die Kleidung, die Sie tragen, das Make-up, das Sie verwenden, und die Art, wie Sie Ihr Haar frisieren. Finden Sie heraus, was Ihnen an Ihrem Äußeren gefällt und was nicht, und überlegen Sie sich dann, wie Sie Ersteres betonen und Letzteres kaschieren können.«
Jessica sah sie vollkommen verwirrt an, sie hatte keine Ahnung, was ihr an ihrem Äußeren gefallen sollte und was nicht.
Lily reagierte allerdings nicht so ungeduldig, wie Cassidy es tat, wenn Jessica in Modefragen ein bisschen schwer von Begriff war. Sie sagte einfach: »Nehmen Sie mich zum Beispiel. Ich habe einen großen Busen und viel zu breite Hüften, aber meine Taille ist schön schmal. Ich stehe also vor dem Problem, wie ich meine Taille betonen kann, ohne die Aufmerksamkeit auf meine Hüften zu lenken. Die Lösung ist ganz einfach: möglichst schlichte Kleidung. Ich lasse die Finger von wilden Mustern und genauso von Puffärmelchen, Rüschen und solchen Dingen. Stattdessen wähle ich gerade, schmale Linien und Accessoires, die meine Kurven betonen. Und ich trage gerne hohe Absätze, zum einen, weil ich klein bin und meine Beine dadurch länger wirken, zum anderen, weil sie einfach so verdammt hübsch sind.« Sie grinste Jessica an und zuckte die Schultern.
Jessica begann zu ahnen, wovon Lily sprach, als sie sie zum ersten Mal genauer musterte und dabei feststellte, dass die Figur der Blondine tatsächlich nicht perfekt war. Sie wusste einfach, wie sie den Eindruck vermitteln konnte, sie sei es.
»Darüber hinaus hat meine Haut einen Olivton«, fuhr Lily fort. »Das heißt, ich kann eine Reihe von Farben tragen. Und ich habe gelernt, dass ich auf leuchtende Orangetöne und gelbliches Grün besser verzichten sollte, weil sie meinen Teint fahl erscheinen lassen.« Sie berührte ihre Halskette. »Ich liebe Schmuck, und Sie haben vielleicht schon bemerkt, dass ich nicht zu diesen wind – und wetterfesten Frauen gehöre. Aber ich trage selten Ringe, weil ich mir in meinen Beruf dauernd die Hände schmutzig mache. Ich ziehe sowohl bei der Arbeit als auch in meiner Freizeit gerne Jeans an, und wenn ich sie bügle, sehen sie sogar ziemlich schick aus, ohne dass sie deshalb weniger praktisch oder empfindlicher wären.« Lily führte Jessica zu dem großen dreiflügeligen Spiegel in der Ecke des Ladens und drehte sie mit sanftem Druck, damit sie ihr Spiegelbild betrachten konnte. »Jetzt sind Sie dran.«
Jess musterte sich eine Minute, dann seufzte sie. »Ich bin eine Frau, die sich sowohl gerne im Haus als auch draußen aufhält«, sagte sie leise. »Die meiste Zeit bin ich drinnen, aber ich wandere auch gerne über die Klippen. Ich habe keinen Beruf, nicht einmal einen Job, aber wie Cassidy bin ich ehrenamtlich in einer Reihe von Wohlfahrtskomitees tätig, für die ich ein paar schickere Sachen für tagsüber, aber auch richtige Abendgarderobe brauche.« Dann zögerte sie. Über das zu reden, womit sie sich beschäftigte, fiel ihr leichter, als ihre Vorzüge und ihre Schwachstellen aufzuzählen — besonders da sie den Eindruck hatte, dass ihre Schwachstellen überwogen.
»Sie sind sehr zierlich gebaut«, half ihr Lily.
Ihre Blicke trafen sich im Spiegel. »So kann man es auch sagen. Ich bin spindeldürr.«
»Ach ja? Unterhalten Sie sich doch mal mit den neun von zehn Amerikanerinnen, die ständig mit ihrem Gewicht kämpfen. Die werden Ihnen erklären, wie Leid Sie ihnen tun, weil Sie sich für zu schlank halten.«
»Sie haben leicht reden«, gab Jessica unfreundlich zurück, und der plötzliche Mangel an Benehmen, den sie zeigte, fiel ihr nicht einmal auf. »Sie sind von der Natur ja auch gut ausgestattet worden.«
»Spielen Sie vielleicht auf meinen Busen an?« Lily schnaubte auf. »Dem Problem lässt sich schnell abhelfen. Jeder Wäscheladen um die Ecke hat irgendeine Art von gepolsterten, wasser – oder gelgefüllten Büstenhaltern im Angebot. Vergrößern kann man einen Busen immer, aber werden Sie mal die etwas zu üppigen Kurven los. Solche schlanken Hüften, wie Sie sie haben, werden ewig ein Wunschtraum für mich bleiben. Genauso wenig können diejenigen von uns, die zu klein geraten sind, ein paar Zentimeter zulegen, um solche langen Beine zu bekommen. Sie haben weiß Gott keinen Grund, sich zu beklagen!«
Jessica lachte überrascht auf und musterte sich eingehender. »Okay, ich habe« — sie räusperte sich — »einen zarten Knochenbau. Und lange Beine und schlanke Hüften.«
»Und schöne Lippen.«
»Ja, und schöne Lippen, die mit diesem Lippenstift sehr gut aussehen.« Nachdem ihr bewusst geworden war, dass sie gewisse Vorzüge hatte, wurde sie mutiger. »Ich habe schöne Haut, aber ...« Sie zog an ihrem Pulli. »Diese Farbe steht mir überhaupt nicht, oder?«
»Zu hell«, stimmte Lily ihr zu. »Solche Pastelltöne machen Sie blass. Und etwas mehr auf Figur geschnitten wäre auch nicht schlecht. So was in der Art.« Sie führte Jess zu einem Stapel Chenille-Pullis, die vorne einen Reißverschluss hatten und in der Mitte anders gestrickt waren, sodass sie ein wenig tailliert waren. »Ja, ich denke, das würde Ihnen stehen. Welche Farbe gefällt Ihnen?«
Jessica griff nach einem satten Goldbraun, aber dann ließ sie die Hand wieder sinken. Sie würde darin bestimmt wie ein großes braunes Küken aussehen. Lily zog ihn jedoch aus dem Stapel.
»Ich glaube, dass die meisten Leute genau die Farben schön finden, die ihnen stehen«, sagte sie. »Das trifft natürlich nicht immer zu, aber in der Tendenz schon.« Sie hielt den Pulli an Jessica. »Sehen Sie, Sie haben ein tolles Farbgefühl. Das Braun betont den Schimmer Ihrer Haare und lässt Ihren Teint frisch erscheinen. Probieren Sie ihn doch mal an.«
Als sie ihre nachmittägliche Einkaufstour beendet hatten, war Jessica stolze Besitzerin von zwei neuen Pullovern, neuem Make-up und sogar einem Paar neuer Schuhe. Gegen Letztere hatte sie sich zuerst heftig gewehrt und darauf verwiesen, wie praktisch die Halbschuhe waren, die sie gerade trug.
Lily hatte sie nur mit hochgezogenen Augenbrauen angesehen und gefragt: »Praktisch wofür? Um als Sechzigjährige durchzugehen? Ich sage ja nicht, dass Sie sie wegwerfen sollen, Jess, heben Sie sie für Ihre Wanderungen über die Klippen auf. Und für weniger sportliche Gelegenheiten sollten Sie sich diese entzückenden Ballerinas kaufen. Wenn Sie danach gehen, was praktisch ist, sind Ballerinas die erste Wahl. Überlegen Sie mal: Für jemanden, der gerne barfuß in der Wohnung herumläuft, sind solche Schuhe doch am schnellsten an – und auszuziehen. Gar nicht davon zu reden, wie gut es der Gesundheit tut, hübsch auszusehen. Das baut Stress ab. Ich kann Ihnen versichern, dass zumindest mein Stresslevel merklich gesunken ist, seit Sie etwas anderes als diese klobigen alten Latschen an den Füßen haben.«
Jess lachte und kaufte die Schuhe, insgeheim voller Freude. Sie wusste, dass die paar neuen Kleidungsstücke und eine kurze Unterweisung, wie sie sich schminken sollte, sie nicht automatisch in eine strahlende Schönheit verwandeln würden. Und es würde ihr selbstverständlich nichts von den Sorgen nehmen, die sie sich wegen ihrer Ehe machte. Aber zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie das Gefühl, gut angezogen zu sein. Nicht nur passend oder nett, sondern richtig schick. Und dadurch fühlte sie sich attraktiv. Es war, als wäre ihr plötzlich ein Licht aufgegangen, als hätten die Geheimnisse, über die andere Frauen offensichtlich Bescheid wussten, sich endlich auch ihr enthüllt. Und auch wenn Lily früher oder später zurück nach Kalifornien gehen würde, so war Jessica doch sicher, dass sie bis dahin lernen würde, wie sie ihre Vorzüge betonen konnte.
Und das gab ihr überraschenderweise ein Gefühl von Macht.
Es war schon ziemlich spät, als es an Zachs Tür klopfte, und er sagte leise ins Telefon. »Da ist jemand an meiner Tür.«
»Dann hören wir jetzt besser auf«, gab Rocket sofort zurück. »Und mach dir keine Sorgen. Ich werde mich gleich an die Arbeit machen und die Beaumonts genauer unter die Lupe nehmen.«
»Ich zähl auf dich, Miglionni. Irgendwas ist hier faul, da gehe ich jede Wette ein, und wenn jemand herausfinden kann, was dahinter steckt, dann du.« Sie vereinbarten eine Zeit, wann er wieder anrufen sollte, um sich nach ersten Ergebnissen zu erkundigen, und als Zach auflegte, klopfte es zum zweiten Mal an seiner Tür.
»Komme schon«, knurrte er und öffnete die Tür. »Nur die Ruhe, nur die –« Beim Anblick der Frau, die vor seiner Tür stand, blieben ihm die Worte im Hals stecken.
Denn der letzte Mensch, den er zu sehen erwartet — oder gewünscht — hatte, war Lily.
Und der letzte Ort, an dem er sie sehen wollte, war sein Schlafzimmer.
Aber da stand sie, mit ihren knappen ein Meter sechzig und ihren wahnsinnigen Stöckelschuhen, duftete wie ein Engel und sah aus wie die Fleisch gewordene Sünde. Er wollte sie nicht hereinbitten und hatte bereits den Mund geöffnet, um eine Ausrede vorzubringen — irgendeine –, damit er ihr die Tür vor der Nase zuschlagen und die Gefahr bannen konnte. Aber bevor er auch nur ein Wort über die Lippen brachte, war sie schon an ihm vorbei ins Zimmer geschlüpft. Im nächsten Augenblick stand sie vor seinem Bett. Ihr Anblick rief ihm wieder alle Einzelheiten ihrer Begegnung ins Gedächtnis, die er den ganzen Tag über so tapfer unterdrückt hatte.
Er vergrub seine Hände in den Hosentaschen. »Hallo, komm doch rein«, sagte er mit leiser Ironie in der Stimme. »Fühl dich ganz wie zu Hause.«
Sie drehte sich zu ihm um. »Ich habe nachgedacht.«
»Ach so. Daher riecht es hier so verbrannt.«
Für eine Frau, die sich sonst nichts gefallen ließ, bedachte sie ihn mit einem überraschend nachsichtigen Blick. »Sehr witzig. Brauchst du noch ein bisschen Zeit, um sämtliche Blondinenwitze, die du im Kopf hast, loszuwerden, oder willst du hören, was ich zu sagen habe?«
Er könnte tatsächlich ein bisschen Zeit brauchen, aber nicht, um sein Witzrepertoire zu durchforsten. Die Frau brachte ihn vollkommen durcheinander. Man hatte im beigebracht, höflich zu Frauen zu sein, aber kaum befand er sich in ihrer Gesellschaft, benahm er sich wie die Axt im Wald.
Aber wollte er wirklich wissen, was sie zu sagen hatte? Nein. Er wollte nicht, dass sie sich in sein Leben einmischte, basta. Allerdings sah sie gerade so aus, als würde sie jeden Augenblick einen ihrer hübschen kleinen Finger in seinen Bauch bohren, und er glaubte nicht, dass er es momentan ertragen würde, wenn sie ihn anfasste. Er übernahm keine Garantie für das, was er tun würde, wenn sie ihn berührte — und so etwas zugeben zu müssen war für einen erfahrenen Soldaten ziemlich schlimm. Aber es entsprach der Wahrheit. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die in seinem Kopf herumschwirrenden Fantasien, was diese geschickten kleinen Hände alles mit ihm anstellen könnten, zu unterdrücken. Daher nickte er ihr kurz und sachlich zu und sagte: »Entschuldige bitte. Was wolltest du sagen?«
»Dass wirklich jemand die Polizei über die Entführung informieren sollte.«
Damit war jeder Gedanke daran, wie es wäre, sie auf das Bett hinter ihr zu werfen, augenblicklich verflogen.
Endlich. Endlich jemand, der ein bisschen gesunden Menschenverstand bewies. Er bedachte sie mit einem anerkennenden Blick, der dieses Mal nichts mit ihrem Sex-Appeal zu tun hatte. »Da sind wir einer Meinung, Schätzchen.«
»Du findest das also auch?«
»Ja, verdammt. Du hast heute Morgen doch meinen Streit mit — Nein, das war, bevor du runtergekommen bist.« Er zuckte die Schultern. »Jedenfalls habe ich mich mit Mrs. Beaumont deswegen gestritten. Lily, ich bin Soldat — ich glaube an dieses System. Aber Mrs. Beaumont hat nicht nur gedroht, dass sie mich rausschmeißt, wenn ich das FBI gegen ihren Willen hinzuziehe, sie sagte auch, sie würde abstreiten, dass Glynnis und David überhaupt entführt worden sind!«
Lily sah ihn erschrocken an, und er empfand plötzlich ein warmes, herzliches Gefühl für sie. Er trat ein paar Schritte auf sie zu.
»Aber das ist doch vollkommen idiotisch!«, rief sie entrüstet.
»Dem ist wohl nichts hinzuzufügen.« Er konnte kaum glauben, dass er bisher nicht bemerkt hatte, wie intelligent sie war.
»Und was machen wir jetzt?«
»Wir gehen vorsichtig vor. Wir haben fünf Tage Zeit, sie zu überzeugen, und Rocket —« Als er ihre fragend hochgezogenen Augenbrauen sah, unterbrach er sich. »Erinnerst du dich an meinen Freund John Miglionni, der in Laguna Beach vorbeigekommen ist?« In diesem Moment fiel ihm wieder ein, wie Rocket sich ein paar Minuten zuvor am Telefon vor Lachen ausgeschüttet hatte, als er Zach erzählte, dass Lily genau das war, was sie behauptet hatte, und Zach zugeben musste, dass er das mittlerweile selbst herausgefunden hatte. Und als er sich dann noch an sein Benehmen erinnerte, als er die beiden in Laguna Beach einander vorgestellt hatte, ganz zu schweigen davon, wie er und John versucht hatten, sie reinzulegen, machte er sich auf eine scharfe Antwort gefasst.
Aber sie nickte nur. »Klar. Mr. Einfühlsam. Er heißt Rocket?«
»Ja, das war sein Spitzname bei den Marines. Inzwischen ist er Privatdetektiv und überprüft gerade die Zuverlässigkeit der hiesigen FBI-Leute.«
Er erklärte ihr die Gründe für Johns Nachforschungen und tätschelte ihr dabei kameradschaftlich die Schulter.
Großer Fehler. Sie fühlte sich unter seinen Fingern weich und warm an, und es bedurfte größerer Anstrengungen, um seine Hand wieder wegzunehmen. Er rieb sich den Nacken, um das Kribbeln, das die Berührung erzeugt hatte, zu verscheuchen. Er räusperte sich. »Mach dir keine Gedanken, ja? Ob mit oder ohne FBI, ich werde schon dafür sorgen, dass die Sache gut ausgeht.«
Lily blickte ihm in die Augen und blinzelte, als sie feststellte, dass sich seine übliche Wachsamkeit in eine regelrecht onkelhafte Freundlichkeit verwandelt hatte, während auf sie heruntersah. Sie wurde aus diesem Kerl einfach nicht schlau — kein bisschen.
Nein, das lag nicht an dieser Vertrau-mir-ich-krieg-das-schon-hin-Masche – die kannte sie mittlerweile zu gut. Aber heute Morgen hatte er sie geküsst, als wäre sie die tollste Frau im ganzen Universum — und jetzt tätschelte er sie wie einen altersschwachen Hund. Lieber Himmel. Und sie hatte gezögert, ihn in seinem Zimmer aufzusuchen, aus Angst, er könnte das missverstehen. So viel zu Problemen, die es gar nicht gab.
Allerdings war es ziemlich albern, dass sie jetzt ein kleines bisschen enttäuscht war, weil es sie nicht gab. Es war schließlich nicht so, dass sie dort weitermachen wollte, wo sie aufgehört hatten. Sie starrte auf die feine Narbe, die seine Oberlippe teilte. Oder doch?
Nein, natürlich nicht. Aber war sie etwa die Einzige, die sich daran erinnerte, wie sie beide vorhin übereinander hergefallen waren?
Einem Impuls folgend, streckte sie ihre Hand aus und legte sie ihm auf die Brust. »Zach«, sagte sie ... nur um zu merken, dass sie keine Ahnung hatte, was sie eigentlich sagen wollte.
Aber bevor sie dazu kam, sich das zu überlegen, hatte Zach ihre Hand gepackt und schob sie weg. »Das willst du nicht wirklich«, brummte er. »Oder vielleicht doch. Wie auch immer, du solltest verdammt vorsichtig sein, welche Signale du aussendest, Lily. Ich bin nicht in der Stimmung, mich an der Nase herumführen zu lassen.«
Als sich ihre Augen jetzt trafen, lag in seinem Blick überhaupt nichts Onkelhaftes mehr. Er war sanft und intensiv und ging ihr direkt unter die Haut.
Und plötzlich hatte sie keinen Zweifel mehr, dass er sich an jede Einzelheit ihrer Begegnung erinnerte.