Читать книгу Love Collection II - Clare Dowling - Страница 25
17
ОглавлениеUnentschlossen, ob sie kämpfen oder fliehen sollte, blieb Lily wie erstarrt stehen. Sie sah Zach weiter oben am Hang im Lichtkegel einer Taschenlampe auftauchen, er blickte grimmig drein und hielt eine Pistole in der Hand, die ihrem ungeschulten Auge so groß wie eine Kanone erschien, und das Adrenalin schoss mit solcher Kraft durch ihre Adern, dass sie Angst hatte, ihr Herz würde zerspringen. Als hätte es noch eines weiteren Grundes bedurft, damit sie sich zu Tode ängstigte. Die ganze Situation versetzte sie ohnehin schon in Panik, und als er jetzt plötzlich noch auf dem Hügel auftauchte wie ein einsamer Soldat in einem Kriegsfilm, machte sie sich beinahe in die Hosen.
Gleich darauf beschrieb der Lichtkegel, der sein Gesicht beschien, auch noch einen Kreis, und er verschwand vor ihren Augen, und da geriet sie vollends in Panik. Zuerst hatte sie um sich Angst gehabt. Nun hatte sie Angst um ihn. Diese Angst wich jedoch rasch einer rasenden Wut darüber, dass ihn irgendein gesichtsloser Feigling verletzt haben könnte. Augenblicklich war ihre Erstarrung verfolgen. Laut schreiend begann sie den Hang hochzuklettern.
Sie ließ die Hügelkuppe nicht aus den Augen, während sie mit den Baumstümpfen und Ästen kämpfte, die überall aus dem Boden ragten. Plötzlich löste sich ein schwarzer Schatten aus der sowieso schon viel zu schwarzen nächtlichen Dunkelheit und verharrte einen Moment auf der Anhöhe. Mitten in der Bewegung hielt sie inne, ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, ihrer Kehle, ihren Ohren. O Gott. Wie war sie bloß auf die Idee gekommen, dass sie Zach irgendwie helfen könnte? Was ihr im hell erleuchteten Wohnzimmer der Beaumonts als ein guter Einfall erschienen war, hatte sich schon in dem Moment, als sie von der Rückbank des Jeeps kroch, als Riesendummheit erwiesen. Aber der Gedanke, dass er alles ganz allein durchstehen sollte, war ihr unerträglich gewesen.
Jetzt war ihr verzweifelter Wunsch, zu ihm zu gelangen, größer als ihre Angst vor dem Kidnapper, und sie schnappte sich einen Stein, damit sie eine Waffe hatte, und zwang sich, gebückt auf den schrecklichen Schatten auf dem Hügel zuzuschleichen. Er warf seinen Kopf wie ein wütender Hengst in die Luft, aber dann stürmte er zu ihrer grenzenlosen Erleichterung durch die Bäume in die andere Richtung davon. Kaum war der Entführer verschwunden, richtete sie sich auf und flüsterte: »Zach!«
Sie erhielt keine Antwort und wiederholte seinen Namen, lauter dieses Mal und mit mehr Dringlichkeit in der Stimme. Aber die einzige Antwort auf ihr verzweifeltes Flüstern war Stille, die nur von verschiedenen unheimlichen nächtlichen Lauten unterbrochen wurde, und sie begann unwillkürlich zu zittern, während sie in ihren Sandalen, die ihr kaum Halt gaben, den Hügel weiter hinaufkletterte.
Als sie oben angelangt war, hielt sie heftig atmend inne und versuchte, ausgehend von dem Punkt, an dem sie ihn von der Straße aus gesehen hatte, Zachs Position auszumachen. Da hörte sie plötzlich ein leises Stöhnen zu ihrer Rechten, und froh über dieses Lebenszeichen von ihm — und beschämenderweise auch darüber, dass sie mitten im Wald in tiefer Nacht wenigstens nicht allein war — ging sie in die Richtung, aus der der Laut gekommen war.
Sie hatte keine drei Schritte gemacht, als sie stolperte und auf Händen und Knien auf dem Boden landete. Ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle, und mühsam richtete sie sich wieder auf, wobei sie panisch ihre Hände an der Jeans rieb, um den daran haftenden Dreck abzuwischen. Dann nahm sie ihren Weg durch das unwegsame Gelände mit größerer Vorsicht wieder auf. »Zach?«
»Lily. Was, zum Teufel, machst du denn hier?«
Er klang benommen, und vor Erleichterung, seine Stimme zu hören, hätte sie beinahe zu weinen begonnen. Als sie endlich bei ihm war und sah, wie er sich aufsetzte und sich dabei vorsichtig an die linke Schläfe fasste, ließ sie sich auf die Knie fallen, schlang ihre Arme um seinen Nacken und umklammerte ihn.
»Au«, protestierte er mit heiserer Stimme.
Aber er legte immerhin seinen Arm um sie, und sie bebte am ganzen Körper, als sie die Kraft und die beruhigende Wärme spürte, die in dieser Umarmung lagen. Sie klammerte sich an ihn. »O Gott, Zach. Ich hatte solche Angst, dass du tot sein könntest.«
»Wäre vielleicht auch besser. Mich wie ein dummer Rekrut ablenken zu lassen!« Er klang plötzlich viel wacher ... und zorniger. Dann umfasste er ihr Kinn, hob es an und beugte sein Gesicht so weit vor, dass sich ihre Nasen fast berührten. »Wie bist du denn auf die Idee gekommen, dich in meinem Auto zu verstecken? Was hast du dir nur dabei gedacht, Lily?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie wahrheitsgemäß. »Der ursprüngliche Plan war doch, dass dir deine Freunde Deckung geben, und als das nicht geklappt hat, wollte ich einspringen, damit du das nicht allein durchziehen musst.« In Anbetracht dessen, was für eine tolle Hilfe sie gewesen war, hörte es sich laut ausgesprochen noch dümmer an. »Ich habe einfach nicht nachgedacht.«
Er sah sie überrascht an. »Du hast mir Deckung gegeben?«
Ihr Lachen klang, als befände sie sich gefährlich nah am Rand der Hysterie. »Na ja, das hatte ich jedenfalls so geplant, theoretisch. Aber es ist so dunkel hier draußen, und der Wald und all die Geräusche haben mich fast zu Tode erschreckt. Alles, was ich erreicht habe, war, dass du beinahe ermordet worden wärst.«
Sein Arm legte sich fester um ihre Taille. »Verwechsle mich bloß nicht mit einer dieser Memmen von der Navy — es braucht schon mehr als einen kleinen Schlag auf den Kopf, um einen Marine umzubringen.« Er ließ ihr Kinn los und tastete den Boden neben sich ab. Einen Moment später knurrte er zufrieden, und Lily erhaschte einen Blick auf seine Pistole, bevor er sie hinten in seinen Hosenbund steckte.
Er zuckte die Schultern, als er ihrem Blick folgte. »Wenigstens hat der Entführer nicht meine Waffe«, sagte er und runzelte die Stirn. »Aber ich schätze mal, die Hoffnung, dass er nicht mit dem Lösegeld abgehauen ist, ist vergeblich.«
»Keine Ahnung. Ich habe von ihm nicht mehr als einen Schatten hier auf dem Hügel gesehen.«
Zach setzte sich ruckartig auf. Widerwillig ließ Lily seinen Nacken los und lehnte sich zurück. Er fasste sie um die Schultern und sah sie eindringlich an. »Du hast ihn hier oben gesehen?«
»Ja, aber leider nicht sehr gut. Nur so, dass ich dachte, er ist zu groß für eine Frau.«
Zach, der diese Frage offensichtlich im Moment für unbedeutend hielt, wischte ihre Bemerkung mit einer Kopfbewegung beiseite. »Wo warst du, als du ihn gesehen hast? Das ist wichtig, Lily«
»Da unten, am Zeltplatz.«
Er gab ihr einen kurzen, festen Kuss. »Du bist wunderbar! Vielleicht ist doch noch nicht alles verloren.« Er erhob sich.
Als er sich schon umgedreht hatte und losgehen wollte, rappelte sich Lily eilig auf. »Warte! Lass mich hier nicht allein!«
Er streckte seinen Arm nach hinten und ergriff ihre Hand. »Dann komm.« Er hatte das im Befehlston gesagt, dann aber verstärkte er fürsorglich seinen Griff. »Aufpassen, da ist eine Wurzel.«
»Wo ist eine Wurzel?« Abgesehen von seinem schemenhaften Gesicht, das sich unmittelbar vor ihr befand, hätte sie ebenso gut in einer stockfinsteren Höhle sein können. »Wie kannst du hier nur etwas sehen?«
»Gute Nachtsicht, das weißt du doch. Zumindest wenn mir nicht jemand mit der Taschenlampe ins Gesicht leuchtet. Jetzt einen Schritt nach links.«
Zach führte Lily zum Zeltplatz und hielt ihre Hand fest, bis sie an der Feuerstelle angelangt waren. Dort kauerte er sich hin und tastete den Boden ab. Die Anspannung, unter der er stand, seit er das Bewusstsein wiedererlangt hatte, löste sich schlagartig, als seine Hand den Aktenkoffer fand. Vielleicht hatte er ja doch nicht komplett versagt. Sein Kopf fühlte sich an, als hätte jemand Nägel hinter seine Augen getrieben, und er sah auch nicht ganz klar, aber mit so etwas konnte er leben. Nicht dagegen damit, die Übergabe vermasselt und seine Schwester in noch größere Gefahr gebracht zu haben — allerdings sah es so aus, als würde er eine zweite Chance bekommen. Und dieses Mal würde er es sein, der die Bedingungen stellte.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich ihn mit einem Stein verjagt haben soll«, sagte Lily, als er aufstand, und sah sich nervös um.
»Das hast du wahrscheinlich auch nicht. Ich vermute, er wollte nicht, dass du sein Gesicht siehst.« Er umklammerte mit der einen Hand den Griff des Koffers, mit der anderen hielt er Lily fest und führte sie vom Zeltplatz zum Jeep. Aber als er gleich darauf die Beifahrertür für sie öffnete, machte sie keine Anstalten einzusteigen. Sie hob trotzig das Kinn und streckte die Hand aus.
»Gib mir den Wagenschlüssel.«
»Mach dich doch nicht lächerl...«
»Mach du dich nicht lächerlich«, fiel sie ihm ins Wort und schlug ihm mit der ausgestreckten Hand gegen die Brust. »Das war eine fürchterliche Nacht, und ich bin nicht so dumm, in ein Auto zu steigen, das jemand fährt, der vielleicht eine Gehirnerschütterung hat.«
»Ich habe keine Gehirnerschütterung.« Er stemmte die Hände in die Hüften und bedachte sie mit seinem strengsten Blick.
Ohne ihre üblichen Schwindel erregend hohen Absätze reichte sie ihm kaum bis zur Brust. Aber offensichtlich fühlte sie sich wie ein Riese, denn sie wich unter seinem Blick, der Männer, die doppelt so groß waren wie sie, zusammenzucken ließ, nicht zurück, im Gegenteil, sie schlug ihm noch einmal auf die Brust. »Gib ihn mir!«
Er gehorchte. Es widerstrebte ihm zwar, das zuzugeben, aber sie war in wesentlich besserer Verfassung als er, und es wäre dumm gewesen, wenn er darauf bestanden hätte, zu fahren. Er kletterte auf den Beifahrersitz, lehnte seinen schmerzenden Kopf gegen die Kopfstütze, schloss die Augen und öffnete sie erst wieder, als Lily, wie es ihm schien, nur wenige Minuten später den Motor abstellte.
Überrascht stellte er fest, dass er eingeschlafen sein musste. Sie waren zurück auf dem Anwesen der Beaumonts, und das Haus war hell erleuchtet. Er unterdrückte ein Seufzen, dann tastete er nach dem Türgriff und hielt nur inne, weil Lily seinen Oberschenkel berührte.
»Wie fühlst du dich?«
Zum Kotzen. »Gut.«
Sie sah ihn skeptisch an. »Du bist kein besonders guter Lügner, Zach.«
»Na und? Wäre es vielleicht besser, wenn ich sage, mein Kopf fühlt sich an, als würde jemand mit einem Hammer draufschlagen? Ich werde trotzdem tun, was getan werden muss.« Er holte tief Luft, dann stieß er die Tür auf, schlüpfte unter ihrer warmen Hand auf seinem Oberschenkel weg und kletterte aus dem Auto. Aber als er sie über das Jeepdach hinweg anblickte, gab er zu: »Was eine Sache betrifft, könnte ich deine Hilfe allerdings gebrauchen, bevor wir uns in die Höhle des Löwen begeben.«
Miguel stand an einer Tür im ersten Stock und presste sein Ohr dagegen, als von unten plötzlich aufgeregtes Stimmengewirr zu hören war. Er hatte gerade überlegt, ob er es wagen sollte, das Zimmer zu betreten, aber jetzt hob er den Kopf und lauschte, ob er irgendetwas von dem, was gesprochen wurde, verstehen konnte. Aber auch wenn der Lärmpegel stieg und fiel, bekam er kein Wort mit.
Er wusste nicht, was da unten vor sich ging, er wusste nur, dass es ihm nicht gelegen kam. Er befand sich zwar ein Stockwerk höher, aber er fühlte sich trotzdem wie auf dem Präsentierteller. Von der anderen Seite der schweren Tür drang kein Laut zu ihm. Er drehte vorsichtig am Türknauf, und da das drinnen keinerlei Reaktion hervorrief, schlüpfte er schnell in das Zimmer.
In dem spärlichen Licht, das vom Flur hereinfiel, erkannte er, das er sich in einem weiteren eleganten Zimmer befand. Dieses Haus war unglaublich. In Bogota waren selbst erstklassige Hotels nicht halb so luxuriös, und er strich mit den Fingerspitzen bewundernd über den vor ihm stehenden, mit einem gestreiften Seidenstoff bezogenen Stuhl. Dann hörte er plötzlich Schritte, die den Flur entlangkamen. Er stand reglos da und starrte auf den Türspalt. Er wagte kaum zu atmen, bis die Schritte vorbeigelaufen waren und die Treppe hinunterpolterten.
Und in Hotels ging es auch nicht so zu.
Er sollte schleunigst von hier verschwinden. Seit einer Stunde überprüfte er heimlich ein Zimmer nach dem anderen und hatte immer noch keinen auch noch so flüchtigen Blick auf Taylors blonde puta werfen können. Mittlerweile hatte sich in diesem Haus eine Unruhe verbreitet wie in einem Bienenstock, was es ihm fast unmöglich machte, sich unentdeckt zu bewegen. Und als ihm kurz darauf durch den Kopf ging, dass er sich kaum mehr erinnern konnte, wie Emilita aussah, überlegte er einen Augenblick lang, ob er nicht nach Bisinlejo zurückgehen und diesen ganzen Rachefeldzug abblasen sollte.
Dann schwoll seine Brust an. Bei dieser Angelegenheit ging es nicht um sie. Es ging um Ehre und um seinen guten Namen und darum, ein richtiger Mann zu sein. Außerdem hatte Taylor immer gepredigt, dass Tapferkeit nichts ohne Vorsicht war, als er damals den Männern von Bisinlejo zeigte, wie sie sich gegen das Kartell behaupten konnten. Er würde also bleiben und die Sache durchziehen. Aber fürs Erste musste er wohl den Rückzug antreten.
Miguel ging zur Tür. Abzuhauen, bevor der Stabsfeldwebel zurückkehrte, war nicht feige. Damit folgte er nur dem Credo, zu leben, um zu kämpfen.
So wie es ihn die US-Marines gelehrt hatten.
Lily merkte, wie Zorn in ihr aufstieg, als sie neben Zach im Wohnzimmer der Beaumonts stand. Richard brüllte herum, Mrs. Beaumont war hysterisch, und Cassidy saß auf der Couch und grinste, als sei das Ganze nichts weiter als ein Melodram, das allein zu ihrer Unterhaltung aufgeführt wurde. Christopher musterte Zach die ganze Zeit über mit zusammengekniffenen Augen, und Jessica, wenn sie nicht gerade versuchte, ihre Tante zu beruhigen, sah die Anwesenden fassungslos an, als könne sie nicht glauben, wie sie sich benahmen.
Lily ging es im Grunde nicht anders. Seit sie und Zach berichtet hatten, was im Moran-State-Park vor sich gegangen war, war hier die Hölle los. Und nach allem, was Zach wegen der Beaumonts durchgemacht hatte, konnte sie deren Verhalten nicht einmal ansatzweise verstehen oder nachvollziehen. An Zachs Schläfe hatte sich eine Beule gebildet, so groß wie ein Golfball, und er war erschreckend blass. Er machte den Eindruck, vollkommen erledigt zu sein, aber sie hielt es für unwahrscheinlich, dass er in der nächsten Zeit die nötige Ruhe bekommen würde, nachdem er gerade auf Christophers Frage, wo das Geld sei, eine weitere Bombe losgelassen hatte. Allein der kurze Moment der Stille, der seiner Antwort gefolgt war, war ihm vergönnt.
Dann trat Christopher vor und baute sich vor ihm auf. »Was wollen Sie damit sagen, Sie haben das Geld an einen sicheren Ort gebracht?«
Die Aggressivität in seiner Stimme veranlasste Lily, einen Schritt zurückzutreten. Ihre Wimpern flatterten nervös, aber Zach blinzelte nicht einmal.
»Genau das. Ich habe die Nase voll davon, dass Sie jeder verdammten Forderung der Entführer nachgeben, ohne auch nur eine einzige Vorsichtsmaßnahme zu treffen, die die Sicherheit von Glynnis und David gewährleistet.«
Überraschenderweise schien sich daraufhin Christophers Angriffslust zu verflüchtigen, und er wandte sich wieder ab. Aber bevor Lily aufatmen konnte, meldete sich Richard zu Wort und fragte in herausforderndem Ton: »Und welche Maßnahmen könnten wir treffen?«
»Zunächst einmal sollten Sie darauf bestehen, mit Ihrem Cousin zu sprechen, bevor Sie ihnen sein Geld in den Rachen werfen«, gab Zach zurück. »Mann. Sie schicken mich mit einem Koffer voll Scheine da raus und haben nicht die geringste Garantie, dass die beiden wohlbehalten zurückkehren — geschweige denn, dass Sie auch nur die Spur eines Beweises haben, dass sie überhaupt noch am Leben sind.«
Mrs. Beaumonts hysterisches Heulen nahm an Lautstärke noch zu, aber Zach wandte seine Aufmerksamkeit nicht von den beiden Männern ab. »Von jetzt an«, sagte er mit kalter Stimme, »werden wir so verfahren, wie ich es für richtig halte.«
»Was Sie nicht sagen«, gab Richard zurück, und Mrs. Beaumont kreischte: »Sie werden ihn töten! Damit werden Sie meinen kleinen David umbringen!«
Zach sah zu der Frau. »Nein, Ma’am, das werde ich nicht«, widersprach er ihr. »Blinder Gehorsam gegenüber den Entführern wird ihn umbringen.«
»Sie können doch nicht einfach unser Geld behalten und uns erklären, dass wir kein Wörtchen mehr mitreden dürfen, was damit geschieht«, sagte Richard zornig. »Das ist Diebstahl.«
»Dann rufen Sie doch die Polizei.« Zach brachte ihn mit einem eiskalten Blick zum Schweigen. »Das wäre ganz in meinem Sinne. Denn dann können Sie ihnen auch gleich sagen, wo Sie alle gewesen sind, als ich da draußen war und Ihren Anweisungen folgte.«
»Was wollen Sie damit sagen, Sie —«
Als Richard drohend einen Schritt auf Zach zumachte, hatte Lily endgültig die Nase voll. Sie stellte sich zwischen die beiden Männer. »Jetzt reicht’s! Was soll das eigentlich? Zach wurde heute Abend bewusstlos geschlagen, als er versuchte, David und Glynnis und Ihr beschissenes Geld zu retten, und seit wir zurück sind, höre ich Sie nur darüber klagen, dass die Übergabe geplatzt ist.«
»Hey, ich dachte, er ist der supertolle Experte«, schnaubte Richard.
»Ja, und ist es nicht erstaunlich, dass Sie das nur dann meinen, wenn er sich in Gefahr begeben soll? Als er Ihnen einen Rat geben wollte, hat sich trotz seiner Erfahrung keiner dafür interessiert. Sie sollten sich schämen! Meinetwegen können Sie hier sitzen bleiben, herumschreien und sich in selbstgerechter Empörung ergehen, bis Sie schwarz werden. Aber Zach wurde verletzt, als er etwas tat, das keiner von Ihnen tun wollte, und ich habe keine Lust mehr, mir Ihr Gejammer noch länger anzuhören. Ich bringe ihn jetzt rauf in sein Zimmer.«
Und mit einem letzten drohenden Blick auf die Anwesenden, dass bloß keiner wagen sollte, sie aufzuhalten, nahm sie Zach am Arm und marschierte mit ihm aus dem Zimmer.
Gott, war ihm das peinlich. Er lag im Bett, nachdem Lily ihn ausgezogen und zugedeckt hatte und dann in ihr eigenes Zimmer gegangen war. Zach dachte daran, wie sie ihn gegen die wütenden Beaumomts verteidigt hatte. Er war kein kleiner Junge, der seine Mami brauchte, damit sie ihn vor den bösen Buben beschützte. Allerdings er musste zugeben, dass es ungeheuer beeindruckend war, dabei zuzusehen, wie eine ein Meter fünfzig und ein paar Millimeter große Blondine es mit einem halben Dutzend Leute aufnahm und alle mit offenem Mund stehen ließ.
Natürlich waren die Beaumonts nicht die Einzigen gewesen, denen der Mund offen stehen geblieben war — und war es nicht auch er gewesen, der zugelassen hatte, dass sie ihn aus dem Zimmer führte? Was sagte das über ihn aus? Dass er ein Feigling war, ein Typ, der sich hinter dem Rock einer Frau verbarg. Und doch, noch nie war jemand so für ihn eingetreten, und das war ... Scheiße. Die Wahrheit war, dass er sich fühlte, als wäre er unter eine Dampfwalze geraten, und dass er sich über seine Gefühle alles andere als klar war, außer dass ihm an der Stelle, wo sich sein hartes Marine-Herz befand, warm war. Und das war nicht gut. Niemand wusste besser als er, wie gefährlich es war, wenn ein anderer Mensch zu wichtig für einen wurde. Denn irgendwann verließ er einen ja doch.
Nicht dass es in diesem Fall so weit kommen würde, dafür würde er schon sorgen. Der Trick bestand darin, sich nicht zu sehr an die Nähe eines anderen Menschen zu gewöhnen, und wie das ging, hatte er vor langer Zeit gelernt. Er hatte nicht vor, sich an Lily zu gewöhnen. Sobald er seine Schwester zurückgeholt und sich vergewissert hatte, dass David Beaumont gut genug für sie war, würde er sich überlegen, wie er seine letzten beiden Dienstjahre verbringen wollte. Und da die kleine Miss Lily mit ihrem Restaurant große Pläne hatte, würde sie bestimmt einen anderen Weg einschlagen, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen.
Als der Gegenstand seiner Überlegungen, in einen Hauch von Satin und Spitze gehüllt, der einen Mann von den Toten erwecken könnte, zurück in sein Zimmer kam, zeigte sein Gesicht daher einen gleichgültigen Ausdruck. »Ich bin ziemlich fertig, Süße. Ich glaube, heute Nacht bin ich nicht mehr zu allzu viel zu gebrauchen.«
Einen Moment starrte sie ihn mit offenem Mund an. Aber dann fing sie sich wieder, und ihre Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, das echte Belustigung verriet. »Ach, so ein Mist. Da hatte ich doch glatt davon geträumt, endlich mal Sex mit einem Typen zu haben, der mir und meinen sadistischen Fantasien völlig wehrlos ausgeliefert ist.« Sie seufzte laut. »Na, dann werde ich mich wohl damit begnügen müssen, mich um deine kleinen Wehwehchen zu kümmern.«
Erst jetzt bemerkte er zu seiner Beschämung das kleine Tablett, das sie trug, und er sagte mit möglichst neutraler Stimme: »Ist nicht nötig.«
Sie nickte verständnisvoll. »Klar, du bist ja so ein großer, starker Marine.« Sie kletterte aufs Bett und stellte das Tablett vorsichtig neben ihm ab.
»Genau.« Was, zum Teufel, hatte sie vor? Er sah sie unsicher an, als sie ein Bein über ihn streckte und sich über ihn kniete, dann ihren üppigen Hintern senkte und sich vorsichtig auf seine Schenkel hockte.
»Manchmal braucht selbst ein Marine ein bisschen Fürsorge«, sagte sie. »Das heißt aber nicht gleich, dass er so ist wie eine dieser Memmen von der Navy.« Sie beugte sich zur Seite, um einen Waschlappen aus der Schüssel mit warmem Wasser zu nehmen und auszuwringen, dann wandte sie sich ihm wieder zu und tupfte vorsichtig die Beule an seiner Schläfe ab.
In den nächsten paar Minuten beobachtete Zach, wie sich ihre Brüste unter dem dünnen Nachthemd hin – und herbewegten, während sie seine Wunde versorgte, und fühlte sich vollkommen hilflos. Er konnte sich nicht erinnern, dass sich irgendwann einmal jemand so fürsorglich um ihn gekümmert hatte. Wenn er sich als Kind verletzt hatte, hatte ein Eingeborener sachkundig, aber wenig liebevoll seine Wunden versorgt, da seine Eltern meistens unterwegs waren, um ihrerseits den Eingeborenen medizinische Versorgung angedeihen zu lassen. Und bei der Armee hatten sich immer irgendwelche Ärzte um ihn gekümmert. Jedenfalls hatte sich dabei, weiß Gott, nie jemand auf seinen Schoß gesetzt, noch hatte sich jemand so angefühlt oder so gerochen und ihm garantiert auch keinen Kuss auf die Verletzung gehaucht, nachdem sie versorgt war.
Mann. Was hatte sie nur an sich? Er hatte das Gefühl, wenn er nicht aufpasste, würde sie ihn noch um den letzten Rest seines Verstandes bringen. Mit diesem Körper, mit der Fähigkeit, ihn ständig in Erstaunen zu versetzen, und mit ihrer natürlichen Freundlichkeit war diese Frau gefährlicher als eine Stange Dynamit.
Aber im Moment war er viel zu müde, um mehr als Dankbarkeit zu empfinden, als sie ihn ein paar Minuten später das Tablett wegbrachte, ins Bett kletterte und sich an ihn kuschelte. Er zog sie ein wenig fester an sich und seufzte.
Zum Teufel. Morgen früh würde er wieder klar denken können. Im Moment war er zufrieden damit, wie es war. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf Lilys Atem, der über seine Brust strich, auf die Wärme ihres Arms, der über seinem Bauch lag.
Dann versank alles um ihn herum.