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Als am nächsten Morgen das Telefon klingelte, nahm Lily ab, bevor Zach aufwachen konnte, und flüsterte ein Hallo in den Hörer.

Einen Augenblick blieb es still, dann sagte eine Männerstimme: »Sie müssen Lily sein. Geben Sie mir Zach.«

Im Hintergrund hörte sie die Stimme einer Frau, die irgendwas von schlechten Manieren sagte, aber sie erwiderte nur: »Er schläft.«

»Dann wecken Sie ihn auf. Sagen Sie ihm, Coop will ihn sprechen.«

»Nein.« »Wie bitte?« Er hätte Zachs Zwillingsbruder sein können, so fassungslos klang er, dass sich jemand seinem Befehl widersetzte.

»Nein, das werde ich nicht tun. Gestern Nacht sollte die Übergabe stattfinden, und das Ganze endete damit, dass Zach einen Schlag auf den Kopf bekommen hat. Ich werde ihn nicht stö—«

»Hat er das Bewusstsein verloren?«

»Ja.«

»Länger als ein paar Minuten?«

»Nein.«

»Musste er ins Krankenhaus?«

»Nein«, sagte sie zögernd, weil ihr nicht gefiel, welche Richtung das Gespräch zu nehmen begann. »Zach sagte, das sei nicht nötig.«

»Nun, bei seiner Erfahrung kann er das wohl beurteilen.«

»Er hat eine Beule von der Größe eines Golfballs!«

»Das heißt nicht unbedingt, dass es etwas Schlimmes ist«, erklärte ihr Coop, und seine Stimme bekam einen tröstenden Klang und nahm ihr für einen Augenblick ein wenig von ihrer Besorgnis. »Wenn er keine Beule hätte, müssten Sie sich mehr Gedanken machen, weil das oft bedeutet, dass der Bluterguss nach innen auf das Gehirn drückt.« Ohne Vorwarnung wurde seine Stimme wieder sachlich. »Sie können ihn also ruhig aufwecken und ans Telefon holen. Er ist schließlich keine von den Memmen bei der Navy und –«

»Was habt ihr Kerle bloß immer mit der Navy?«, unterbrach sie ihn hitzig und fühlte sich doppelt hintergangen, weil sie kurz auf sein vermeintliches Mitgefühl hereingefallen war. »Er hat einen Schlag auf den Kopf bekommen, und ich werde nicht –«

»Lily.« Zachs verschlafene Stimme unterbrach ihren Redeschwall, noch bevor sie richtig loslegen konnte, und sie drehte sich rasch um und sah, wie er sich auf einem Ellbogen aufrichtete und dabei die Decke bis zu seinen Hüften rutschte. »Ich bin wach.« Er streckte die Hand nach dem Telefonhörer aus.

Sie wollte ihm den Hörer nicht geben. Er sollte sich wieder hinlegen, damit sie seinen Puls fühlen und sicher sein konnte, dass sein Herzschlag regelmäßig war, und sie wollte seine Verletzung untersuchen, um zu sehen, ob die Beule nicht größer geworden war. Aber er streckte weiter fordernd die Hand aus und bedachte sie mit einem strengen Blick. Mit einem Seufzer gab sie ihm den Hörer.

Es war ein kurzes Gespräch. Zu ihrem Ärger gelang es ihr nicht, irgendetwas aus Zachs Gemurmel und seinem Hm-hm zu entnehmen. Als sie ihn allerdings sagen hörte: »Ich bin in fünfzehn Minuten da«, fuhr sie auf.

»Nein«, protestierte sie, sobald er aufgelegt hatte. Aber er reagierte überhaupt nicht auf ihren Einwand, und so konnte sie nur resigniert zusehen, wie er sich anzuziehen begann. »Zach, sei doch vernünftig. Du kannst mit dieser Verletzung am Kopf nicht herumrennen.«

»Mit meinem Kopf ist alles in Ordnung.« Gleich darauf war er fertig angezogen und ging trotz ihrer Proteste zur Tür.

Sie folgte ihm auf den Fersen. »Das ist verrückt.«

»Es muss sein. Der Entführer hat letzte Nacht nicht gekriegt, was er wollte, also wird er es noch mal versuchen. Diesmal werden wir ihn festnageln.«

»Nicht, wenn du im Krankenhaus landest, weil du mit einer Gehirnerschütterung in der Gegend herumgelaufen bist.«

»Ich habe keine Gehirnerschütterung, Lily. Es war nur ein kleiner Schlag auf den Kopf, und mir geht es wieder gut.«

Verärgert stieß sie die Luft aus. »Du bist so verdammt stur!«

Er grinste und zog sie an sich. Dabei ging er ein bisschen in die Knie und drückte seine Hüften gegen sie, und dann küsste er sie lange. Aber obwohl er sie so hielt, dass ihre nackten Füße nur noch mit den Zehenspitzen den Boden berührten und ihr Körper wehrlos so eng wie möglich an den seinen gepresst war, merkte sie, dass er hinter seinem Rücken die Tür öffnete, um zu gehen.

»Oh!« Das war Jessicas aufgeregte Stimme aus dem Flur. »Tut mir Leid, ich wollte nicht stören. Ich bin ... oh.«

Zach hob langsam den Kopf. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und sah auf Lily hinab. »Ich würde ›entschlossen‹ ›stur‹ vorziehen«, murmelte er und drückte rasch einen letzten Kuss auf ihre leicht geöffneten Lippen. Während sie sich bemühte, wenigstens einen kleinen Teil ihres Verstands zurückzugewinnen, wandte er sich mit einem Lächeln zu Jessica, die immer noch mit vorgestreckter Hand vor der Tür stand. »Sie stören nicht«, sagte er gelassen. »Ich wollte sowieso gerade gehen.«

Und eine Sekunde später tat er das auch.

»Wow«, sagte Jessica leise und sah ihm nach, bis er am Ende des Flurs um die Ecke gebogen war. Sie trat ins Zimmer. »Es geht ihm offensichtlich besser.« Dann sah sie Lily prüfend an, und ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. »Sie sehen dagegen aus, als hätten Sie Fieber.«

»Ach du meine Güte.« Lily lachte verwirrt auf. »Würde mich nicht wundern.« Sie sah ihre Freundin an. »Woher haben Sie gewusst, dass ich hier bin und nicht in meinem Zimmer?«

»Da war ich ja zuerst. Sie waren nur zu beschäftigt, um mein Klopfen zu hören.« Jessica lächelte sie schief an und zuckte die Schultern. »Als Sie nicht geantwortet haben, dachte ich, ich versuche es hier.«

Lily spürte, dass sie rot wurde, und beschloss, das Thema zu wechseln. »Nun ja, also, äh, Sie sind ja schon früh auf den Beinen.«

Jessica grinste sie viel sagend an, erwiderte jedoch höflich: »Ja, stimmt. Und es tut mir Leid, dass ich Sie überfalle, bevor Sie angezogen sind, aber beim Friseur hat jemand abgesagt, und ich habe in einer Dreiviertelstunde einen Termin zum Haareschneiden. Sind Sie bereit, das Frühstück ausfallen zu lassen und mit mir in die Stadt zu fahren?«

Lilys Verantwortungsgefühl lag im Widerstreit mit ihrem keineswegs verrauchten Ärger über das Verhalten, das der Rest der Sippe in der vergangenen Nacht Zach gegenüber gezeigt hatte. Sie wog die beiden Gefühle gegeneinander ab und nickte schließlich kurz.

»Klar, was soll’s. Ihre Familie kann sich auch einmal selbst um ihr Frühstück kümmern. Ich brauche fünfzehn Minuten, um mich fertig zu machen, dann treffen wir uns unten.«

Zach betrat das Kangaroo House Bed and Breakfast. An der kleinen, unter der offenen Treppe eingebauten Empfangstheke war niemand, deshalb ging er geradewegs in das Vestibül mit den wuchtigen Möbeln, die um einen großen steinernen Kamin gruppiert waren, und wandte sich nach links. Ein paar Schritte weiter befand sich eine Tür, auf der KATHLEEN’S SUITE stand, und er klopfte kurz und vernehmlich.

Die Tür öffnete sich, und der unerwartete Anblick von Veronica, Coops Frau, brachte Zach einen Moment aus der Fassung. Dann breitete sich ein Lächeln über sein Gesicht. Ihr glänzendes schwarzes Haar, das sich normalerweise glatt um ihren Kopf schmiegte, war leicht zersaust, aber ihre blasse Haut zeigte den üblichen matten Schimmer. »Hallo, Ronnie«, sage er. »Du siehst wie immer bezaubernd aus.«

Sie lachte. »Und du bist so charmant wie immer.« Sie öffnete die Tür etwas weiter und trat einen Schritt zurück. »Komm rein.«

Hinter ihr erspähte er Rocket, der gerade ein ausklappbares Bett in der Wand versenkte. Als er in das Wohnzimmer trat, entdeckte er zu seiner Rechten ein Badezimmer und zu seiner Linken eine offene Schlafzimmertür, durch die Coop kam.

Sein Freund war groß gewachsen, blond und zäher als Leder, seine dunklen Augen bekamen jedoch einen sanften Ausdruck, und seine noch dunkleren Augenbrauen zogen sich überrascht zusammen, als er sah, dass seine Frau das Zimmer verließ. »Was hast du vor, Liebling?«

»Ich gehe frühstücken und lass euch Jungs allein, damit ihr ungestört miteinander reden könnt.« Sie drehte sich zu Zach um. »Das mit deiner Schwester tut mir sehr Leid«, sagte sie. »Bitte sag mir, wenn ich irgendetwas tun kann. Ich weiß, dass du sie zurückbekommen wirst, aber bis es so weit ist, musst du furchtbar in Sorge sein.« Dann zog sie mit einem gemurmelten Abschiedsgruß die Tür hinter sich zu.

»Charmant?«, sagte John, sobald sie verschwunden war, und sah Zach mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Hat sie von dem hart gesottenen Kerl geredet, den wir alle kennen und fürchten?«

»Hey, das letzte Mal, als ich Veronica gesehen habe, waren sie und Coop gerade im Begriff zu heiraten. Ich habe mich immer schnell verdrückt, wenn unser Herzensbrecher anfing, an ihr rumzufummeln.«

»Dann musst du ja verdammt viel Zeit damit verbracht haben, dich zu verdrücken«, sagte John spöttisch, »weil er das immer noch bei jeder sich bietenden Gelegenheit tut.« Die beiden Männer drehten sich um und sahen das Objekt ihrer Unterhaltung an.

Coop zuckte die Schultern. »Was soll ich sagen? Sie lädt eben zum Herumfummeln ein.«

»Muss wohl so sein«, sagte Zach trocken, »wenn du sie nicht einmal so lange zu Hause lassen konntest, bis du hier deinen Job erledigt hast.«

»Du weißt ja noch nicht einmal die Hälfte.« Rocket warf dem Freund einen mitleidvollen Blick zu. »Er sagte: ›Aber Liebling, Schätzchen, Süße. Das ist Männersache, du kannst nicht mitkommen.‹ Daraufhin sie« — Johns Stimme kletterte eine Oktave höher —: »›Ich komme mit, Cooper Blackstock, und keine Widerrede.‹« Dann sprach er mit normaler Stimme weiter. »Und er gab klein bei, Midnight, er gab einfach klein bei. Mit hängendem Kopf sagte er: ›In Ordnung, Prinzessin. Wie du willst.‹ Himmel, sie saß auf der Fahrt hierher sogar auf dem Beifahrersitz und hat ihn keine Sekunde aus den Augen gelassen.«

Zach schüttelte traurig und ungläubig den Kopf. »Wer hätte gedacht, dass wir einmal den Tag erleben würden, an dem sich Iceman in einen Softie verwandelt, der einfach nicht Nein zu seinem kleinen Frauchen sagen kann?«

Coop schnaubte. »Mein kleines Frauchen war es zumindest nicht, die sich heute Morgen geweigert hat, dich aufzuwecken, nur weil du eine« — er inspizierte Zachs Schläfe — »winzig kleine Beule am Kopf hast.«

»Ja, aber einige von uns besinnen sich auf ihre Pflicht, sobald sie nach einer ernsthaften Kopfverletzung das Bewusstsein wiedererlangt haben.« Zach sah Coop mit einem breiten Grinsen an. »Und wie du gemerkt haben dürftest, hat Lily mich nicht hierher begleitet.« Nicht dass sie es nicht vermutlich versucht hätte, wenn Jessica nicht rechtzeitig aufgetaucht wäre und verhindert hätte, dass sie auf die Idee kam.

»Wenn ihr beide ausdiskutiert habt, wer den Größeren hat«, mischte Rocket sich ein, »könnten wir uns ja vielleicht mal ums Geschäft kümmern.« Er klopfte mit der Hand leicht auf seinen Hosenschlitz. »Abgesehen davon ist diese Diskussion so überflüssig wie die Warzen auf eurer Brust, meint ihr nicht? Jeder weiß, wer hier den Größten hat.«

Zach und Coop sahen ihn an. Dann sahen sie einander an.

»Das lässt sich nicht bestreiten«, sagte Zach und setzte sich.

»Ist dir eigentlich schon mal aufgefallen, dass er keine Frau hat?« Coop zog einen Stuhl neben Zach und nickte zu Rocket, während er sich setzte. »Aber du spielst in der obersten Liga, Miglionni, keine Frage.«

Dann wandte er seine Aufmerksamkeit Zach zu. »Sag mal, habe ich das vorhin richtig verstanden? Der Entführer hat sich schon gestern gemeldet statt heute?

Lily kaufte ein paar Lebensmittel ein, dann ging sie zum Friseursalon, um sich die Autoschlüssel geben zu lassen und nachzusehen, wie lange Jessica noch brauchen würde. Da es noch eine Weile dauern würde, verstaute sie die Einkäufe im Kofferraum von Jessicas Auto und machte sich auf den Weg in die Drogerie, um ein paar Dinge zu besorgen, die ihr allmählich ausgingen.

Sie schlenderte durch die Gänge, als sie plötzlich vor dem Regal mit Kondomen stand. Abrupt blieb sie stehen, und ihr Herz begann so laut zu klopfen, dass es beinahe zu hören war. »Mein Gott«, flüsterte sie, und ihren Kopf durchzuckte die Erinnerung an das einsame Kondom, das sie in der Nacht auf dem Zeltplatz in der Nähe von Mount Shasta in Zachs Tasche entdeckt hatte. Sie hatten es benutzt, als sie das erste Mal miteinander geschlafen hatten.

Und seitdem keines mehr.

Die Romantikerin in ihr war verwirrt, betrachtete das Sortiment und dachte darüber nach, dass sie richtig in Schwierigkeiten steckte, wenn sie vor lauter Verliebtheit etwas so Grundsätzliches vergessen konnte, wie sich zu schützen. Ihre praktische Seite geriet allerdings in noch größere Verwirrung. Sie konnte es einfach nicht fassen, dass ihr bis jetzt nicht einmal aufgefallen war, dass sie keine Kondome verwendet hatten, oder ihm, da man Zach kaum als verantwortungslos bezeichnen konnte. Sie nahm die Pille, wegen einer Schwangerschaft brauchte sie sich also keine Gedanken zu machen. Aber das wusste er nicht, und er hatte kein einziges Mal nachgefragt. Und dass sie beide die grundlegendsten Vorkehrungen außer Acht gelassen hatten — du lieber Himmel, sie hatten nicht mal darüber gesprochen, ob sie beide gesund waren. Sie hatte es noch nie einfach darauf ankommen lassen, und dass sie es bei Zach getan hatte, weckte in ihr das Bedürfnis, mit dem Kopf gegen die nächstbeste Wand zu schlagen.

Stattdessen nahm sie eine Schachtel Kondome und warf sie in ihren Einkaufskorb. Das war vermutlich so, als würde man die Stalltür zusperren, nachdem das Pferd bereits ausgebrochen war, aber bis sie wusste, dass mit Zach alles in Ordnung war, würde er sich damit abfinden müssen. Er brauchte nicht zu glauben, dass sie ihn sonst noch einmal mit seinem besten Stück in ihre Nähe kommen ließ.

In Gedanken versunken, stieß sie beim Verlassen des Ladens beinahe mit einem jungen Mann zusammen, der gerade eintreten wollte. »Tut mir Leid«, sagte sie und tätschelte entschuldigend seinen Arm, den sie unwillkürlich gepackt hatte. »Ich habe nicht aufgepasst.« Dann runzelte sie die Stirn. Dieses Gesicht kam ihr irgendwie bekannt vor.

Aber im nächsten Augenblick glättete sich ihre Stirn wieder. Er sah ziemlich gut aus mit seinen pechschwarzen Haaren und den dunklen Augen, bestimmt war er ihr in einem der Läden aufgefallen, als sie das letzte Mal in der Stadt gewesen war. Froh, das geklärt zu haben, schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln und machte einen Schritt nach rechts, um an ihm vorbeizugehen.

Da er im selben Augenblick auch nach rechts trat, wich sie einen Schritt nach links aus. Und als er ihr erneut den Weg verstellte, indem er es ihr gleichtat, lachte sie. »Kleines Tänzchen gefällig?«

Seine Augen leuchteten auf, und zu spät kam ihr der Gedanke, dass er das Ganze für einen Flirt halten könnte. Zum Glück hörte sie Jessica ihren Namen rufen, bevor er etwas darauf erwidern konnte.

»Entschuldigen Sie, ich muss gehen.« Sie hob die Hand wie ein Verkehrspolizist, damit er stehen blieb, und ging um ihn herum. Als sie Jessica auf der Straße auf sich zukommen sah, hatte sie den jungen Mann augenblicklich vergessen. Sie rannte ihrer Freundin entgegen, so schnell es ihre gefährlich hohen Stöckelschuhe zuließen.

»Hey«, rief sie, als sie sich vor dem Juweliergeschäft trafen. »Sie sehen toll aus!« Sie strich mit der Hand über die weiche braune Welle, die bis zu Jessicas Kinn reichte. »Wie gefällt es Ihnen?«

»Es ist so anders! Ich erkenne mich selbst nicht wieder. Aber ich. glaube, es wird mir gefallen, sobald ich mich daran gewöhnt habe.« Sie schüttelte den Kopf und lachte. »Es fühlt sich ganz leicht an!«

»Die Frisur steht Ihnen wirklich gut. Sie hebt Ihre Gesichtszüge hervor und betont Ihre Augen und Ihren Hals. Dafür bekommen Sie die volle Morrisette-Punktzahl.«

Jessica lachte, sie fühlte sich unbeschwert und hübsch. Dann schüttelte sie ihren Kopf noch einmal, um zu spüren, wie sich die Haare an ihre Wangen schmiegten. »Ja, ich glaube, es gefällt mir! Ich finde es sehr angenehm, dass mir zur Abwechslung einmal keine Zotteln ins Gesicht hängen.« Sie fragte sich, was Christopher wohl zu ihrer neuen Frisur sagen würde. Sie hatte ihm absichtlich nichts von ihrem Vorhaben erzählt, weil sie ihn überraschen wollte.

Als sie ein paar Minuten später im Auto saßen und sich anschnallten, warf sie Lily einen Blick zu. »Wäre es sehr schlimm, wenn ich noch nicht nach Hause fahren will?«

Lily sah sie verwirrt an. »Warum sollte das schlimm sein?«

»Na ja, es ist vielleicht nicht ganz angemessen, seinem Vergnügen nachzugehen, wenn sich der Entführer jeden Augenblick melden kann.«

»Wir sind doch erst — wie lange? — seit einer Stunde unterwegs. Ich denke nicht, dass es schadet, wenn wir uns noch eine Stunde gönnen. Und ich glaube auch nicht, dass Sie oder ich sehr viel tun könnten.« Das sagte Lily mit so viel Nachdruck, dass Jessica unwillkürlich wieder daran denken musste, wie vehement sie in der vergangenen Nacht Zach verteidigt hatte. Bevor sie jedoch weiter darüber nachdenken konnte, lächelte Lily sie freundlich an und fragte: »Was würden Sie denn gerne machen?«

»Haben Sie Lust, nach Olga zu fahren? Ich zeige Ihnen die Orcas Island Artworks. Das ist eine der ältesten Künstlergalerien hier im Nordwesten, und sie haben die tollsten Sachen, Lily. Dort findet man alles von handgestrickten Pullovern bis zu den herrlichsten geschliffenen Gläsern. Ganz zu schweigen von dem entzückenden kleinen Café im Hinterzimmer.« Sie zwinkerte Lily zu. »Ich kauf Ihnen auch was Süßes.«

»Wie schlau Sie doch sind.« Lily grinste sie an. »Sie scheinen mich schon ziemlich gut zu kennen, wenn Sie wissen, dass Sie mich damit kriegen können. Worauf warten wir noch? Klingt großartig.« »Ich bin sicher, dass es Ihnen gefallen wird. Außerdem ist es nicht sehr weit, nur ungefähr eine Meile von hier auf der anderen Seite des Moran-State-Parks.«

Lily zuckte zusammen. »Da war ich schon.«

Jessica sah ihre Freundin von der Seite an, während sie das Auto aus der Stadt hinauslenkte. »Was ist eigentlich genau passiert, als Sie gestern Nacht mit Zach unterwegs waren?«

Auf dem Weg nach Olga erzählte Lily, wie sie sich auf dem Rücksitz von Zachs Jeep versteckt hatte. Nicht ohne Selbstironie berichtete sie von ihrem Abenteuer im Wald und stellte sich als unbedarftes Stadtgewächs dar.

Als Jess den Blick für einen Moment von der Straße nahm und auf ihre Freundin richtete, lag darin jedoch Bewunderung. »Sie sind ganz schön mutig.«

Lily blieb der Mund offen stehen. »Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte sie. »Ich habe mich zu Tode geängstigt!«

»Klar. Aber Sie haben es durchgestanden.«

»Und dabei hätte beinahe jemand Zach den Schädel eingeschlagen.«

Jessica bog in den Parkplatz von Artworks ein, stellte den Motor ab und wandte sich wieder ihrer Freundin zu. »Wer sagt denn, dass er nicht sowieso einen Schlag auf den Kopf bekommen hätte?«

Lily sah sie nur schweigend an.

»Okay, ich glaube nicht, dass es passiert wäre, wenn Sie Zach nicht abgelenkt hätten, aber trotzdem, Lily! Es war sehr mutig von Ihnen, dass Sie versucht haben, ihm zu helfen.«

Lily lachte und streckte ihre Hand nach dem Türgriff aus. »Ich fürchte, Zach wäre nicht ganz einer Meinung mit Ihnen, aber da ich mich gerne in dem Gefühl sonne, für tapfer gehalten zu werden, will ich nicht weiter widersprechen.«

Auf Jessicas Lippen erschien ein erwartungsfrohes Lächeln, während sie auf das alte, renovierte Gebäude zugingen, in dem früher Erdbeeren abgepackt worden waren und in dem sich jetzt die Artworks befanden. Sie öffnete die Tür und hielt sie auf, um Lily den Vortritt zu lassen. »Das hier ist mein absoluter Lieblingsplatz auf der Insel.«

»Wow«, entfuhr es Lily, als sie den Raum mit seinem offenen Gebälk betrat. »Ich kann verstehen, warum.«

Der Boden der Galerie bestand aus roh geschliffenen, alten Holzdielen, und durch die Fenster fiel Licht in einen Raum, der voll der wunderbarsten Dinge war. Direkt vor Lily waren unterschiedlich große Würfel zu einem Regal aufeinander gestapelt, das Töpferwaren in allen möglichen Größen und Formen enthielt. Die verschiedensten Ausstellungsstücke reihten sich aneinander, Glas fand sich neben Schmuck wieder, Bilder neben Kleidungsstücken. Jessica freute sich mindestens ebenso über Lilys Begeisterung wie darüber, selbst herumstöbern zu können. Die Galerie glich einer reich gefüllten Schatztruhe mit Werken von mehr als fünfundsechzig Künstlern und Kunsthandwerkern, und jedes Mal wieder gab es etwas Neues zu entdecken.

Sie probierte ein paar Filzhüte und bewunderte ihre neue Frisur, als sie im Spiegel sah, dass Lily vor einer Auswahl kleiner Quilts stehen blieb, die an einer der Wände hing.

Nachdem Lily die Stücke eine Zeit lang nachdenklich betrachtet hatte, drehte sie sich zu Jessica um. »Du solltest deine Quilts hier ausstellen.«

Lilys Worte erfüllten Jessica mit Freude, aber da sie es nun einmal gewöhnt war, ihre Arbeit herunterzuspielen und als Hobby abzutun, lag ihr sofort ein Einwand auf der Zunge. Bevor sie ihn jedoch aussprechen konnte, sah die Frau, die hinter der Verkaufstheke stand, interessiert auf. »Sie machen Quilts?«

»Wunderbare Quilts«, antwortete Lily an ihrer Stelle und trat mit einem freundlichen Lächeln zu der Frau. »Sie sind anders als diese hier, aber sie ist mindestens genauso talentiert.«

Mit vor Freude und Verlegenheit gerötetem Gesicht gesellte sich Jessica zu ihnen und begann mit der Künstlerin ein Gespräch über ihre Arbeiten. Nachdem sie sich bereit erklärt hatte, ein paar Stücke zur Begutachtung vorbeizubringen, schlenderte sie ans andere Ende der Galerie, wo sie einen Moment stehen blieb und eine Hand auf ihr heftig pochendes Herz legte, während sie so tat, als betrachte sie das handgeschöpfte Papier und die Karten in der Auslage vor ihr.

Als sich wieder ein bisschen beruhigt hatte, warf sie einen Blick in das Café, um zu sehen, ob ein Tisch frei war. Um ihren Mund spielte allerdings weiterhin ein verträumtes Lächeln.

Es gefror, als sie in der hinteren Ecke des Cafés Christopher entdeckte, der an einem kleinen Tisch neben der Tür saß und sich angeregt mit einer fremden Frau unterhielt.

Der Schmerz, der sie durchfuhr, war so heftig, dass sie nach Luft rang. Eigentlich sollte es sie nicht überraschen, ihn hier zu entdecken, obwohl er ihr gesagt hatte, er bliebe zu Hause, noch dazu mit einer Frau, die in allem das glatte Gegenteil von ihr war. Sie hatte geahnt, dass etwas im Busch war — seit Wochen hatte sie es geahnt. Manchmal war es ihr so vorgekommen, als würde sie seit dem Abend, an dem sie sich kennen gelernt hatten, nur auf einen Augenblick wie diesen warten. Aber jetzt wurde ihr klar, dass es nichts gab, was sie darauf hätte vorbereiten können, ihre schlimmsten Befürchtungen wahr werden zu sehen. Wie betäubt beobachtete sie ihren Ehemann im Gespräch mit der anderen Frau, bis er plötzlich den Kopf hob. Hastig trat sie ein paar Schritte zurück, um nicht gesehen zu werden.

Sie würde es nicht ertragen, wenn er sie entdeckte.

Lily sah auf, als Jessica mit raschen Schritten durch den Mittelgang auf sie zukam, und nach einem prüfenden Blick auf das Gesicht ihrer Freundin runzelte sie die Stirn und ging ihr entgegen. »Was ist los?«

»Ich möchte gehen.«

»Okay. Aber sagen Sie mal, irgendetwas ist doch los mit Ihnen. Geht es Ihnen nicht gut?«

»Nein. Mir ist plötzlich hundeelend.«

»Sie sehen auch nicht besonders gut aus«, sagte Lily. »Lieber Himmel, Jess, Sie sind kreidebleich.« Sie nahm Jessica am Arm und führte sie aus dem Laden, und ihre Besorgnis wuchs noch, als ihre Freundin sich schwer gegen sie lehnte. »Geben Sie mir die Schlüssel. Kann es sein, dass Sie eine Lebensmittelvergiftung haben? Soll ich Sie ins Krankenhaus fahren?«

»Es ist keine Lebensmittelvergiftung, Lily. Ich habe seit gestern Abend nichts mehr gegessen.«

»Vielleicht ist es das.« Sie deutete nach hinten in Richtung Café. »Ich könnte Ihnen etwas —«

»Nein! Ich will einfach nur nach Hause.«

»Sind Sie sicher?« Etwas an Jessicas starrer Haltung beunruhigte Lily, aber als diese nur kurz nickte, sagte sie: »Okay, dann fahren wir.«

Als sie Jessica beim Einsteigen half, hörte sie eine Autotür zuschlagen. Während sie um die Motorhaube herum zur Fahrerseite ging, sah sie sich um und blieb einen Moment wie angewurzelt stehen, als sie denselben jungen Mann erblickte, den sie in der Drogerie beinahe umgerannt hatte.

Dieser junge Mann, fiel ihr plötzlich wieder ein, war ihr nicht hier in der Stadt über den Weg gelaufen, wie sie zunächst gedacht hatte, sondern an einer Tankstelle am anderen Ende des Staates.

Das konnte kein Zufall sein, und ihr Herz begann heftig zu schlagen. Sie hatte das bedrohliche Gefühl, dass hier irgendetwas ganz und gar nicht stimmte.

Und plötzlich wollte sie genauso dringend zurück zum Anwesen der Beaumonts wie Jessica.

Love Collection II

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