Читать книгу Love Collection II - Clare Dowling - Страница 24

16

Оглавление

Am späten Nachmittag dieses Freitags suchte sich Lily auf der Terrasse ein sonniges, windgeschütztes Eckchen und streckte sich auf einem der Liegestühle aus, um die Aussicht zu genießen, von der sie immer wieder überwältigt war. Unterhalb der Terrasse blühten Frühlingsblumen in voller Pracht, und der leuchtend grüne, perfekt gepflegte Rasen erstreckte sich bis zu den zerklüfteten Klippen. Am Fuß der Klippen brandeten die Wellen gegen die Felsen, und auf der Wasseroberfläche tanzten die Schatten der über den Himmel ziehenden Wolken. Das Spiel der Farben und die über den ganzen Sund verstreut liegenden bewaldeten Inseln begeisterten sie jedes Mal aufs Neue, seit sich am Dienstagnachmittag der Nebel verzogen und den Blick darauf freigegeben hatte.

Die Erinnerung an diesen Tag versetzte ihr einen kleinen Dämpfer. Dienstagnacht war ihr klar geworden, dass sie sich in Zach verliebt hatte, und sie war nicht gerade stolz darauf, dass sie sich mit diesem Problem noch immer nicht richtig auseinander gesetzt hatte. Sie hatten seither jede Nacht eng umschlungen entweder in ihrem oder in seinem Bett verbracht und sich geliebt, manchmal wild und leidenschaftlich, manchmal sanft und zärtlich. Er konnte seine Finger offenbar genauso wenig von ihr lassen wie sie die ihren von ihm, und auch mit seinen Gefühlen schien er nicht besser umgehen zu können als sie. Falls er nur im Entferntesten dasselbe empfand wie sie, so hatte er nichts davon gesagt. Für zwei Menschen, die sonst nicht auf den Mund gefallen waren, waren sie in dieser Hinsicht ziemlich verschlossen, und dass sie es offenbar nicht eilig damit hatte, die Angelegenheit zu klären, machte sie nervös. Sie kam sich ziemlich unreif vor. Deshalb genoss sie die Aussicht umso mehr, da es das quälende Gefühl der Unentschlossenheit linderte, die Launen der Natur zu beobachten und zu sehen, wie sich die einzelnen Elemente in dem einen Augenblick harmonisch ergänzten und im nächsten gegenseitig zu überbieten suchten.

»Dachte ich mir doch, dass ich Sie hier finde.«

Lily sah auf und lächelte Jessica zu, als ihre neue Freundin ein Bein über den Liegestuhl neben ihr streckte und sich auf das Polster fallen ließ. »Ja, was soll ich sagen?« Ihr Lächeln wurde verträumt. »Die Sonne ist so angenehm warm, und sehen Sie sich nur mal diese Aussicht an.«

»Es ist schön hier, nicht wahr?«

»Hm-hm.«

Die nächste halbe Stunde verbrachten sie in freundschaftlichem Schweigen, nur von Zeit zu Zeit wechselten sie ein paar belanglose Worte. Schließlich sah Lily auf ihre Uhr und setzte sich widerstrebend auf. Ein paar Augenblicke lang blieb sie auf der Kante des Liegestuhls sitzen, dann erhob sie sich mit einem Seufzer des Bedauerns, dass sie ihr gemütliches warmes Eckchen verlassen musste. »Ich sollte besser mit dem Abendessen anfangen.«

Jessica warf einen Blick auf ihre Uhr. »Sonst haben Sie immer später angefangen, oder?«

»Ja, aber ich brauche heute etwas mehr Zeit.« Sie grinste Jessica an, die mit einer Hand ihre Augen abschirmte und sie ansah. »Soll ich Ihnen zeigen, wie man Risotto macht?«

»O ja. Gerne.« Jessica folgte Lily über die Verandatreppe. Als sie um die Ecke bogen und die windgeschützte Rückseite des Hauses verließen, wurden sie von einem Windstoß erfasst, der in Jessicas dichte Locken fuhr, sodass sie aussah wie Medusa mit ihrem Schlangenhaupt.

Sie seufzte genervt auf und versuchte, ihre Haare mit beiden Händen zu bändigen, aber der Wind entriss ihr immer wieder einzelne Strähnen und wehte sie ihr ins Gesicht. »Ich kann es gar nicht mehr erwarten, endlich zum Friseur zu kommen.«

Lily sah sie grinsend an, während sie auf die Küchentür zueilten. »Nächste Woche haben Sie einen Termin, oder?«

»Falls nicht jemand anders absagt, dann komme ich früher dran. Bitte, lieber Gott«, sagte sie in übertrieben flehendem Ton, als sie durch die Tür traten und sie hinter sich zuschlugen, um den Wind auszusperren, »lass bald jemanden absagen.«

Sie ernteten viele Komplimente für das Risotto, das sie nicht lange danach servierten, insgesamt war das Abendessen jedoch eine ungemütliche Angelegenheit. Zach versuchte ein weiteres Mal, Mrs. Beaumont dazu zu bewegen, das FBI zu benachrichtigten, aber sie wollte nichts davon hören. Zach blieb höflich, doch Lily wusste, dass er gereizt und verärgert war, und nachdem sie die Küche aufgeräumt hatte, machte sie sich auf dem Weg zu seinem Zimmer.

»Alles in Ordnung?«, fragte sie, als er die Tür auf ihr Klopfen hin öffnete.

»Sie treibt mich in den Wahnsinn, Lily.« Er zog sie ins Zimmer, und sobald er die Tür hinter ihr zugemacht hatte, fing er an, auf und ab zu laufen. »Es ist ja nicht so, dass wir es uns nicht zweimal überlegt hätten, ob wir das FBI einschalten sollen. Rocket hat nämlich herausgefunden, dass der hier vor Ort zuständige Special Agent ganz wild auf Schlagzeilen ist, aber –«

»Das kapier ich nicht«, unterbrach sie ihn, wenn sie auch gegen seinen Rücken sprechen musste, da er sich bereits wieder umgedreht hatte und auf den Schreibtisch auf der anderen Seite des Raums zusteuerte. »Wenn das so ist, warum versuchst du dann, Mrs. Beaumont zu überreden, das FBI zu informieren?«

Er wandte sich um und lief mit finsterer Miene in ihre Richtung. »Weil sie das nicht weiß, und ich wollte sehen, wie sie reagiert. Für gewöhnlich ist es ein großer Fehler, die Behörden aus einer solchen Sache herauszuhalten, und eigentlich müsste ihr klar sein, dass sie Glynnis und David ernsthaft in Gefahr bringen könnte, wenn sie nicht anruft.« Seine verspannten Schultern zuckten unruhig. »Ich komme einfach nicht dahinter, ob sie wirklich glaubt, dass der Entführer ihnen etwas antut, wenn sie die Polizei einschaltet — oder ob es genau das ist, worauf sie zählt.«

Lily dachte daran, wie sie in einer der letzten Nächte in seinen Armen gelegen hatte, während er ihr von den Nachforschungen seines Freundes Rocket berichtete. Die Vorstellung, jemanden verdächtigen zu müssen, noch dazu diese reizende, verstörte Frau ... »Gott, ist das alles furchtbar.«

»Wem sagst du das. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, hat mich vorhin Coop angerufen. Er und Rocket sind drüben in Anacortes.«

»Aber das ist doch eine gute Nachricht, oder?«

»Das wäre es, wenn nicht eine der Fähren ausgefallen wäre, und heute ist Freitag — da wollen besonders viele Leute auf die Inseln, und die Fähren sind auf Stunden hinaus ausgebucht. Sie können von Glück reden, wenn sie heute noch eine kriegen.« Seine Unruhe war fast mit Händen greifbar, und er warf ihr einen düsteren Blick zu, während er seine Wanderung durch das Zimmer fortsetzte. »Das bedeutet, wenn der Entführer an seinem Plan festhält, bleiben mir morgen nur noch ein paar Stunden, um mich mit Coop und John zu treffen und zu überlegen, wie wir vorgehen. Und das wiederum bedeutet, dass es mir möglicherweise gar nichts nützt, die beiden in Reserve zu haben.«

Sie ging zu ihm, nahm seine Hand und hielt sie mit beiden Händen fest, um sein ruheloses Herumlaufen zu beenden. Seine Hand unter ihren Fingern fühlte sich heiß an, als sie ihn zum Bett führte und zwang, sich auf die Bettkante zu setzen. Sie kniete sich hinter ihn und begann, seine Schultern zu massieren. »Das tut mir Leid«, sagte sie. »Aber ich bin sicher, dass alles wieder in Ordnung kommt. Es wird dir besser gehen, wenn erst mal deine Freunde da sind.«

Zach spürte, dass die Verspannung in seinen Schultern nachzulassen begann, lehnte sich zurück und überließ sich ihren Händen. »Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Momentan kann ich sowieso nichts daran ändern.« Er wusste nicht, wie sie das machte, aber irgendwie schaffte sie es, ihm über seinen Frust hinwegzuhelfen. »Erzähl mir von deinem Restaurant.«

Ihre Stimme wirkte beruhigend auf ihn, und ihre Begeisterung brachte ihn zum Lächeln. Die Wärme, die von ihrem Körper ausging, lenkte seine Gedanken jedoch schon bald in eine andere Richtung, und er fasste über seine Schulter und nahm ihre Hand. Er zog Lily herum, bis sie auf seinem Schoß lag.

Sie sah ihm in die Augen. »Was ist, General Taylor?«

Er beugte den Kopf, um sie zu küssen. Ihr Duft hüllte ihn ein, und er musste sich fast gewaltsam von ihrem Mund losreißen. Er sah auf sie hinunter, und eine Mischung aus Verlangen und dem beunruhigenden Gefühl, dass sie ihm irgendwann zu viel bedeuten könnte, machte sich in ihm breit. »Wir sollten das nicht tun.«

»Ich weiß.«

Trotzdem küsste er sie von neuem hingebungsvoll, bevor er sich schließlich wieder aufrichtete. Er atmete etwas schneller. »So wie es aussieht, werde ich heute Nacht nicht gebraucht. Aber falls doch, darf ich auf keinen Fall abgelenkt sein.«

»Stimmt, es wäre nicht so gut, wenn man dich mit heruntergelassenen Hosen fände«, sagte sie und rieb ihren runden Hintern an seinem steifen, schmerzenden Schwanz.

Das machte ihn nur noch steifer, was er schlichtweg für unmöglich gehalten hätte. »Genau. Äh, Lily?« Er sog scharf die Luft ein, als sie sich erneut an ihm rieb.

»Hm?«

»Schiele ich schon?«

Sie ließ dieses warme, volle Lachen hören, das tief aus ihrem Bauch kam und ihn jedes Mal dazu brachte, sie anzulächeln und fest an sich zu drücken — nun ja, entweder das oder sie aufs Bett zu werfen und so lange zu küssen, bis sie damit aufhörte. »Zum Fürchten«, sagte sie. »Aber ich glaube, ich sehe auch nicht mehr ganz klar.«

»O Gott.« Er konnte nicht widerstehen und küsste sie wieder.

Er hatte gerade ihre blaue Chenillejacke aufgeknöpft und war mit dem Vorderverschluss ihres schokoladenbraunen Spitzen-BHs beschäftigt, als das Telefon neben dem Bett klingelte. Einen kurzen Augenblick lang hielten seine Finger inne, und er überlegte, ob er das Klingeln einfach ignorieren sollte. Dann ließ er Lily fluchend los und hob ab. »Taylor«, knurrte er.

»Zach, kommen Sie schnell«, sagte Jessica aufgeregt und hatte damit sofort seine volle Aufmerksamkeit. »Der Entführer ist auf der anderen Leitung. Oder zumindest –«

Zach warf den Hörer auf die Gabel und rannte aus dem Zimmer.

Als er dreißig Minuten später mit einem Aktenkoffer voll Geld das Haus verließ, presste er die Zähne zusammen, um nicht lauthals loszufluchen.

All seine Überlegungen, wie er vorgehen würde, wenn der Entführer das nächste Mal anrief, hatten sich als hinfällig erwiesen. Er war entschlossen gewesen, darauf zu bestehen, dass der Kerl ihn mit seiner Schwester sprechen ließ, wenn er auch nur einen Cent von dem Lösegeld sehen wollte. Statt eines echten Menschen war am anderen Ende der Leitung jedoch eine Tonbandaufnahme zu hören gewesen. Eine verdammte Aufnahme, mit der eine leise, undefinierbare Stimme die Übergabebedingungen bekannt gab und die ihm keine Möglichkeit zu Verhandlungen oder Forderungen ließ. Sie wiederholte nur immer wieder die gleichen Worte, bis das Band zu Ende war. Und als ob das noch nicht schlimm genug war, wurde er aus Davids Mutter einfach nicht schlau und wusste nicht, ob sie die hirnloseste Frau auf Gottes Erde war oder gerissener als einer der Finanzhaie von der Wall Street.

Er hatte vorgehabt, sofort nach Beendigung des Gesprächs die Rückruftaste zu drücken. Es war zwar fraglich, ob dabei etwas herauskam, da jeder Entführer, der auch nur ein bisschen Verstand hatte, eine öffentliche Telefonzelle benutzen würde. Aber da möglicherweise jemand aus der Familie seine Finger im Spiel hatte, war es einen Versuch wert. Er hatte jedoch noch den Finger auf der Trenntaste, als Mrs. Beaumont sich dazwischendrängte, die Ruftaste für das Telefon in Richards Zimmer drückte, ihm den Hörer aus der Hand riss und sofort hysterisch draufloszureden begann, als ihr Neffe abhob. Danach liefen alle außer Cassidy, die nach dem Abendessen ausgegangen war, aufgeregt im Wohnzimmer herum und redeten wild durcheinander.

Er biss seine Zähne noch fester zusammen, als er daran dachte, was sie von ihm verlangten. Er kletterte in den Jeep, beugte sich mit grimmiger Miene über das Lenkrad und drehte den Zündschlüssel herum. Er hielt es für keine besonders kluge Idee — und das hatte er auch gesagt –, blindlings mit dem Lösegeld loszuziehen, ohne irgendwelche Vorkehrungen getroffen zu haben — und vor allem ohne die Gewissheit, dass Glynnis und David unversehrt waren und der Entführer sie freilassen würde, sobald er das Lösegeld hatte. Geld, das ganz zufällig schon heute Nachmittag zur Verfügung gestanden hatte und im Safe des Büros im Westflügel deponiert worden war.

Und als ob das alles immer noch nicht reichte, stieg ihm ein Hauch von Lilys Duft in die Nase, der hier überhaupt nichts zu suchen hatte, und er knirschte so heftig mit den Zähnen, dass es ihn nicht gewundert hätte, wenn sie in Stücke zersprungen wären. »Himmel«, murmelte er. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Wenn er nur eine Sekunde Zeit gehabt hätte, in der nicht alle Beaumonts gleichzeitig auf ihn einredeten, hätte er vielleicht daran gedacht, sich die Hände zu waschen, bevor er aufbrach. Diese Frau brachte ihn zu sehr durcheinander, und es war höchste Zeit, dass er sich aufraffte und etwas dagegen unternahm. Für gewöhnlich ließ er nicht zu, dass ihn eine Frau so sehr verwirrte, wie sie es tat.

Und doch ...

Wohin, zum Teufel, war sie eigentlich verschwunden? Er hatte sie beiseite nehmen und bitten wollen, darauf zu achten, wer sich während seiner Abwesenheit im Wohnzimmer aufhielt und wer für längere Zeit weg war. Doch als er inmitten des Durcheinanders Ausschau nach ihr gehalten hatte, konnte er sie nirgends entdecken.

Das sollte dir zu denken geben. Ist es in deinem Leben jemals anders gewesen? Er gab Gas und raste über die Auffahrt. Abgesehen von deiner Einheit, auf die du dich immer verlassen kannst, gibt es genau einen Menschen, der für dich da ist, wenn du ihn brauchst. Und das bist du selbst, Alter.

Und niemand sonst.

Miguel sah den Jeep des Stabsfeldwebels aus der Einfahrt rasen und schlingernd auf die Straße abbiegen und richtete sich in seinem Auto kerzengerade auf. Dios. Er hatte schon gedacht, er würde hier Wurzeln schlagen, bevor sich endlich einmal jemand blicken ließe. Er hatte die längsten sechs Tage seines Lebens hinter sich, und während er dem Jeep nachsah, der auf der Landstraße davonbrauste, griff er nach dem Zündschlüssel.

Er zog seine Hand jedoch zurück, ohne den Motor zu starten. Im Licht der Straßenlaterne hatte er hinter der getönten Windschutzscheibe von Taylors Jeep nur eine Person gesehen. Eine.

Den Stabsfeldwebel. Allein. Das bedeutete, dass er seine Frau im Haus zurückgelassen hatte.

Der richtige Zeitpunkt, sie sich zu schnappen.

In der vergangenen Woche war Miguel ein paar Mal vorsichtig um das Haus herumgeschlichen und hatte herauszufinden versucht, was da drin vor sich ging. Das war ihm zwar nicht gelungen, aber zumindest wusste er jetzt, dass sich dort sieben Leute aufhielten.

Und der Einzige, der ihm Kopfzerbrechen bereitete, war soeben davongerast, als sei der Leibhaftige hinter ihm her.

Miguel öffnete die Autotür und stieg aus. Er fluchte leise vor sich hin, als seine Beine, steif vom stundenlangen Sitzen in der gleichen Haltung, fast unter ihm nachgaben. Aber eigentlich hatte er keinen Grund zum Fluchen, dachte er, als er sich bückte, um die leeren Verpackungen aufzuheben, die aus dem Auto gefallen waren, und sie zu den anderen auf den Sitz zu werfen. Denn jetzt war die Gelegenheit da, auf die er gewartet hatte. Und wenn er nun noch — wie sagten die Gringos doch gleich? — seine Karten geschickt ausspielte, dann hatte das lange Warten ein Ende.

Als Zach langsam durch den weißen Torbogen am Eingang des Moran-State-Parks fuhr, hatte er alles, was nichts mit der unmittelbar vor ihm liegenden Aufgabe zu tun hatte, aus seinen Gedanken verbannt. Wenige Augenblicke später näherte er sich dem Campingplatz, schaltete noch im Fahren die Scheinwerfer aus und stellte den Jeep im Schatten des Duschhauses neben dem Parkplatz ab. Er machte den Motor aus und blieb bewegungslos sitzen, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann vergewisserte er sich noch einmal, dass er an der richtigen Stelle war.

Zeltplätze 31—36 stand auf dem Schild. Er hatte die Anweisung, den Aktenkoffer auf Platz 32 stehen zu lassen, der oben auf dem Hügel zu sein schien.

Er schaltete die Innenbeleuchtung aus. Dann nahm er den Geldkoffer vom Beifahrersitz, stieg aus und ließ leise die Tür ins Schloss fallen. Glücklicherweise hatte sich der Wind mittlerweile gelegt. Jenseits der Hauptstraße schlug in sanften Wellen der Cascade Lake ans Ufer, während er sich leise in die entgegengesetzte Richtung aufmachte.

Die schmale Straße zu den Zeltplätzen führte ein kurzes Stück steil bergauf, bevor sie mit einer Rechtskurve hinter dem Hügel verschwand. Er verließ sie jedoch bereits vorher und ging quer über den Hang. Der Platz, den er suchte, war vermutlich der zweite gleich hinter der Biegung, aber er hielt es nicht für besonders klug, mitten auf der Straße zu marschieren, solange er sich keinen Überblick über das Gelände verschafft hatte. Es war besser, wenn er das tat, worauf er trainiert war. Vorsichtig bahnte er sich einen Weg durchs Unterholz und kletterte über feuchtes Gestrüpp und umgestürzte Bäume bergauf.

Ein paar Augenblicke später ging er auf der Kuppe des Hügels, im Schutz eines großen Busches, in die Hocke und spähte zu Platz 32 hinunter. Rasch suchte er ihn ab, um zu sehen, ob sich dort irgendetwas regte.

Es hätte schlimmer sein können. Zumindest war die Feuerstelle, an der er das Geld hinterlegen sollte, nicht von allen Seiten zugänglich. Der Hang dahinter war zu dicht bewachsen, als dass sich jemand unbemerkt heranschleichen konnte, und auf dem Hügel, der auf der einen Seite des Zeltplatzes anstieg, saß er. Auf der dritten Seite trennten ihn Büsche vom nächsten Platz, und Zach hatte freie Sicht auf den vorderen Zugang. Er kroch zu einem Baum und ließ seinen Blick über die nähere Umgebung schweifen.

Alles sah verlassen aus, aber in Wäldern fand sich nachts immer ein Versteck. Allein in der zerklüfteten Böschung zu seiner Linken gab es zahlreiche dunkle Flecken, die er selbst mit seinen außergewöhnlich guten Augen nicht durchdringen konnte. Die entwurzelten Bäume, die über den Hügel verstreut lagen, warfen einfach zu viele Schatten.

Falls der Entführer irgendwo dort lauerte, musste er allerdings früher oder später herauskommen, um das Geld zu holen. Zach kroch den gleichen Weg zurück, den er gekommen war, und näherte sich dann Platz 32 geräuschvoll von der Straße aus. Nachdem er den Geldkoffer abgestellt hatte, machte er sich ebenso geräuschvoll auf den Rückweg. Sobald er die Biegung hinter sich hatte, begab er sich rasch und lautlos zu seinem Versteck auf der Hügelkuppe, wo er sich wieder hinkauerte, um den Koffer im Auge zu behalten. Er hatte viel Erfahrung darin, wie man mit seiner Umgebung verschmolz und geduldig wartete, und genau das würde er jetzt tun.

Wenn es sein musste, die ganze Nacht.

Wie sich herausstellte, musste er nicht sehr lange warten. Bereits nach wenigen Minuten hörte er jemanden die Straße heraufkommen ... und dieser Jemand gab sich nicht sehr viel Mühe, leise zu sein. Der Entführer marschierte zwar nicht gerade mitten auf der Straße wie der Fahnenträger bei einer Militärparade, aber viel fehlte nicht. Seine Schuhsohlen scharrten von Zeit zu Zeit über den Straßenbelag, und hin und wieder stieß er gegen einen Tannenzapfen, jedenfalls konnte Zach dreimal deutlich hören, dass ein Zapfen über die Straße rollte. Als die Person, wer immer es auch war, näher kam, hörte Zach sie sogar laut keuchen.

Er war hin und her gerissen. Dies war eine der Situationen, in denen eine Ein-Mann-Überwachung Scheiße war. Man ließ nie, niemals, das Objekt der Überwachung aus den Augen. Aber genauso wenig ließ man sich die Chance entgehen, so viel wie möglich über seinen Gegner herauszufinden, denn je mehr man wusste, umso besser konnte man sich das Überraschungsmoment zunutze machen — und manchmal war das der einzige Vorteil, den man hatte. Bedauerlicherweise waren diese beiden Vorgehensweisen unvereinbar, da er die erste Regel brechen musste, um die zweite zu befolgen.

Mist. Man musste wirklich zu zweit sein, wenn man in einem Fall wie diesem eine lückenlose Überwachung durchführen wollte.

Dann zuckte Zach im Geiste die Schultern. Eigentlich spielte es keine große Rolle; wer sollte es schon sein außer dem Entführer? Und falls es doch jemand anders war, würde er sich bei dem Versuch, das herauszufinden, nicht so weit vom Lösegeld entfernen, dass er es nicht mitbekommen würde, wenn sich eine zweite Person von der anderen Seite näherte. Tief gebückt bewegte Zach sich langsam und vorsichtig auf die Straße zu.

Die Böschung drohte unter seinem Gewicht nachzugeben, und er wich ein paar Zentimeter zurück. Er zog seine Neun-Millimeter-Pistole aus dem Hosenbund, hielt sie gegen sein Knie und sah zu der Stelle, an der der Entführer, den Geräuschen nach zu schließen, jetzt jeden Moment in sein Blickfeld kommen musste.

Als die Person um die Biegung kam, verkrampfte sich allerdings jeder Muskel in Zachs Körper, und er biss die Zähne aufeinander, um die Unflätigkeiten zu unterdrücken, die ihm auf der Zunge lagen. Verdammte Scheiße. Diesen blonden Wuschelkopf würde er überall erkennen. Ganz zu schweigen von dem Gang — dass sie ihre zehn Zentimeter hohen Stöckelschuhe gegen ein paar flache Riemchensandalen getauscht hatte, konnte daran nichts ändern.

Lily.

Als. er sie kurz zuvor im Jeep gerochen hatte, war das offensichtlich nicht nur der Geruch gewesen, der an seinen Händen haften geblieben war, als er sie in den Armen gehalten hatte. Zach knirschte mit den Zähnen. Was, zum Teufel, dachte sie sich eigentlich dabei, sich in Gefahr zu begeben und ihm seine Aktion zu vermasseln? Er verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß und starrte zu ihr hinunter.

Dabei löste sich ein einzelner Stein und rollte über die Böschung. Er wich schnell zurück, bevor er eine ganze Lawine lostrat. Verdammt, er musste sie von hier wegschaffen, aber wie sollte er das bewerkstelligen und gleichzeitig das Lösegeld im Auge behalten?

Er war so auf Lily konzentriert, dass ihm nicht sofort ins Bewusstsein drang, wie sich die Haare in seinem Nacken aufstellten. Als eine Art atavistisches Warnsystem hatten sie ihm in den letzten achtzehn Jahren gute Dienste geleistet, und er musste nicht erst das leise Knacken eines Astes hinter sich hören, um zu wissen, dass er mit Lily hier nicht allein war. Mit gezückter Pistole drehte er sich zu dem Geräusch um, als plötzlich ein Lichtstrahl aufblitzte und ihn voll ins Gesicht traf. Einen Augenblick lang war er geblendet. Er versuchte, dem Lichtstrahl nach links auszuweichen, aber jetzt rief Lily unten auf der Straße seinen Namen, und in ihrer Stimme lag so viel Angst, dass er wie erstarrt innehielt. Verdammt noch mal. Er konnte überhaupt nichts sehen.

Allerdings konnte er Schritte hören, die sich ihm rasch näherten, und er legte den Finger fester um den Abzug. Aber bevor er abdrücken konnte, beschrieb der Lichtstrahl einen Bogen, und seine Schläfe schien zu explodieren.

Dann wurde alles dunkel.

Love Collection II

Подняться наверх