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Zach stieß einen Fluch aus und lief mit großen Schritten zur Treppe. Was, zum Teufel, war bloß in ihn gefahren? Er war ein erfahrener Stratege, verdammt noch mal. Aber wenn sich seine Schwester in der Gewalt eines Entführers befand und er neben dem Telefon sitzen sollte, oder sich zumindest in der Nähe eines Telefons aufhalten sollte, was tat er stattdessen? Er machte mit der kleinen Lily Morrisette herum! Er war wütend, nicht nur auf sich und den Entführer, sondern auch auf sie, weil sie ihn ständig in Versuchung führte.

Und wenn er es recht bedachte ...

Lily war ja nicht diejenige gewesen, die mit der Knutscherei angefangen hatte. Sie war nicht diejenige gewesen, die gesagt hatte: »Ich möchte Sie küssen«, und ihn dann gepackt und gegen die nächstbeste Wand gedrückt hatte. Dafür trägst du ganz allein die Verantwortung, Alter.

Ein großer Fehler. Ein großer, großer Fehler. Trotzdem hielt sich seine Reue in Grenzen, seine Finger nicht von einer Frau gelassen zu haben, die so verführerisch war wie sie — gleichgültig, wie unverantwortlich das war. Am Fuß der Treppe blieb er kurz stehen, und als er sie hinter ihm die Stufen herunterstöckeln hörte, drehte er sich rasch um.

Im gleichen Augenblick hatte sie ihn schon eingeholt. Sie war etwas außer Atem — zweifellos, weil sie in diesen lächerlichen Schuhen hinter ihm hergerannt war. Zögernd blieb sie eine Stufe über ihm stehen, wodurch sie zur Abwechslung einmal beide fast gleich groß waren, und sah ihn an, mit geröteten Wangen, zerzausten Haaren und zerknirschtem Gesichtsausdruck.

Er umfasste ihr Kinn. »Alles in Ordnung?«, fragte er, und fast gegen seinen Willen strich er mit seinem Daumen kurz über ihre Unterlippe. Sie war weich und feucht.

Sie nickte.

»Gut.« Er ließ sie los, und dann tat er das, was ihn die Jahre beim Militär zu tun gelehrt hatten: Er konzentrierte sich auf die vor ihm liegende Aufgabe und verbannte Lily in die hinterste Ecke seines Bewusstseins. Dann trat er ins Wohnzimmer.

Dort fand er Mrs. Beaumont in einem Zustand der Hysterie vor. Er knirschte mit den Zähnen, denn es wäre ihm lieber, die Entführer merkten nichts von ihrer Panik. Er öffnete den Mund, um sie zur Vernunft zu bringen, schloss ihn aber sofort wieder, als er einen Blick auf das Telefon warf und feststellte, dass er sich die Mühe sparen konnte.

Der Hörer lag fest auf der Gabel.

Er drehte sich um und sah sie an. »Was, zum Teufel, soll das?«

»Ich habe ja versucht, ihn hinzuhalten, bis Sie hier sind«, schluchzte sie. »Ich habe es wirklich versucht!«

»Stimmt, das hat sie«, sagte Cassidy, die soeben hinter Lily in den Raum gekommen war. »Sie hat ihm gesagt, sie sei das Hausmädchen, ausgerechnet!« Sie schüttelte den Kopf, als ginge es über ihr Vorstellungsvermögen, dass sich jemand so weit erniedrigen konnte, dann zuckte sie die Schultern und trat nahe an Zach heran. »Sie hat mich losgeschickt, um Sie zu holen. Und ich kann Ihnen sagen« — sie streckte die Hand aus und strich ihm mit einem Fingernagel über die Brust –, »so schnell bin ich nicht mehr gelaufen, seit ... ich bin überhaupt noch nie so schnell gelaufen.« Ihr Finger glitt noch ein kleines Stück tiefer über seinen Waschbrettbauch.

Er packte ihre Hand, bevor sie seinen Hosenbund erreichte, und hielt sie von sich weg. »Lady, stehlen Sie mir nicht meine Zeit.«

Ohne auf den ärgerlichen Gesichtsausdruck zu achten, der an die Stelle ihres verführerischen Lächelns trat, wandte er seine Aufmerksamkeit erneut Mrs. Beaumont zu. Er hatte genug mit seinem eigenen Ärger zu tun, aber er versuchte, ihn zu unterdrücken. Dafür war jetzt keine Zeit. Und wenn er ehrlich war, hatte er den leisen Verdacht, dass er in letzter Zeit ein bisschen zu oft grundlos aus der Haut gefahren war.

Er unterdrückte einen Fluch, dann einen Seufzer und gestand sich ein, dass er die Situation bislang nicht besonders gut in den Griff bekommen hatte. Er hatte so lange Soldaten befehligt, dass er wohl vergessen hatte, dass eine Frau mittleren Alters kein Rekrut war, den man zusammenstauchen konnte. Vor ihm stand eine verzweifelte Mutter, und er hätte es nicht persönlich nehmen dürfen, dass sie die Gefahr, in der sich seine Schwester befand, nicht zur Kenntnis nahm. Schließlich brachte es ihn selbst ja auch völlig durcheinander, dass er sich plötzlich in der Rolle eines Angehörigen des Opfers wieder fand, und er hatte immerhin einige Erfahrung mit den Taktiken, die Entführer anwandten. Wie viel Angst mussten sie ihr erst gemacht haben. Deshalb verkniff er sich die barschen Worte, die ihm auf der Zunge lagen, und fragte stattdessen freundlich: »Sie haben versucht, ihm einzureden, dass Sie das Hausmädchen sind?«

»Ja. Ich habe es wirklich versucht, Zach, aber er sagte: ›Lass das, du Schlampe‹, und gab mir noch andere Schimpfnamen, und dann hat er mich gedrängt, ich solle ihm sagen, wer ich bin. Er hat immerzu wiederholt, was er mit David machen würde, wenn ich ihm nicht endlich sage, wer ich bin, und mit ihm rede — wenn ich nicht genau das tue, was er mir sagt. Und ich war so durcheinander, ich wusste einfach nicht mehr ein noch aus.«

Ihr Gesicht war aschfahl, sie atmete viel zu schnell und zu flach, und Zach trat einen Schritt vor und rieb ihr mit den Händen über die Arme. »Atmen Sie langsam und tief ein und aus, Mrs. Beaumont«, sagte er. »Und jetzt hören Sie mir gut zu. Sie haben Ihr Bestes getan, mehr kann man nicht von Ihnen verlangen. Erinnern Sie sich daran, was ich Ihnen über die Taktiken von solchen Verbrechern erzählt habe. Der Entführer will Sie aus der Fassung bringen, aber wir werden nicht zulassen, dass er damit Erfolg hat. Wir können mit ihm fertig werden, wenn Sie nicht zusammenbrechen.«

Sie sah ihn flehend an, und er sagte mit fester Stimme: »Wir werden David und Glynnis zurückbekommen — das verspreche ich Ihnen. So ist es gut«, lobte er, als sie schließlich einen tiefen, gleichmäßigen Atemzug machte und dann langsam wieder ausatmete. »Atmen Sie. Noch einmal.« Als sich ihr Atem beruhigt hatte und wieder etwas Farbe in ihr Gesicht zurückgekehrt war, hielt er sie auf Armeslänge von sich weg. »Und jetzt erzählen Sie mir so genau wie möglich, worüber Sie geredet haben. Das, was ich schon weiß, können Sie weglassen«, fügte er rasch hinzu, als sie wieder schnell und unregelmäßig zu atmen begann. »Haben wir es beispielsweise ganz sicher mit einem Mann zu tun?«

»Ja, natür...« Sie sah ihn verwirrt an. »Das heißt — ich nehme es an. Er hat nämlich die ganze Zeit über sehr leise gesprochen.«

»Es könnte also auch eine Frau gewesen sein?«

»Ja, aber –« Sie unterbrach sich und machte eine Geste, als sei sie von ihrem Einwand selbst nicht überzeugt. »Ach nein, Sie werden mich für albern halten.«

»Sagen Sie es mir trotzdem.«

»Nun ja ... ich hatte einfach das Gefühl, dass es ein Mann war.« Sie wurde rot. »Ich habe Ihnen ja gesagt, dass es albern ist.«

»Nicht unbedingt. Ich bin Soldat, Ma’am; ich würde so etwas niemals unterschätzen. Sehr oft ist eine Ahnung oder weibliche Intuition, oder wie immer Sie es nennen wollen, tatsächlich eine Beobachtung, die man zwar nicht genau begründen kann, unbewusst aber doch gemacht hat. Für den Augenblick werden wir uns also auf Ihr Gefühl verlassen und davon ausgehen, dass unser Entführer ein Mann ist. Hat er irgendwelche Forderungen gestellt?«

Bevor er den Bruchteil einer Sekunde später die manikürte Hand sah, die der älteren Frau eine Tasse Kaffee hinhielt, hatte er schon Lilys Duft wahrgenommen. »Hier, Mrs. Beaumont«, sagte sie. »In der Thermoskanne im Speisezimmer war noch Kaffee. Er ist heiß und stark. Trinken Sie einen Schluck — er wird Ihnen gut tun.«

»Danke.« Mrs. Beaumont legte beide Hände um die edle Porzellantasse. Obwohl sie nicht sofort von dem Kaffee trank, schien ihr die Wärme, die von der Tasse ausging, gut zu tun. Sie starrte einen Augenblick lang wie hypnotisiert ins Leere, dann wandte sie ihren Blick wieder Zach zu. »Er sagte, er will eine Million Dollar. In kleinen Scheinen, nicht größer als Fünfziger.«

»Haben Sie so viel Geld?« Falls nicht, würde er auf sein eigenes Vermögen zurückgreifen, sodass sie die Summe gemeinsam aufbringen konnten.

Sie nickte. »Ja. Aber es wird vermutlich ein paar Tage dauern, so viel flüssig zu machen. Christopher und Richard kennen sich da besser aus als ich.«

»Haben Sie dem Entführer gesagt, dass es ein paar Tage dauert?«

»Ja.«

»Und wie hat er darauf reagiert?« Garantiert hatte er wieder angefangen, die fürchterlichen Dinge aufzuzählen, die er ihrem Sohn antun würde, falls sie das Geld nicht schneller beschaffte. Dem Entführer war daran gelegen, sie in Angst und Schrecken zu halten. Zach hätte schwören können, dass es ein Handbuch gab, das Die 101 besten Entführungstricks hieß und empfahl, die Familien der Opfer in ständige Aufregung zu versetzen — selbst wenn die Entführer in neun von zehn Fällen durchaus bereit waren, die erforderliche Zeit zur Beschaffung des Geldes zuzugestehen.

»Er hat mir erklärt, dass er uns fünf Tage gibt, um das Geld zu besorgen.«

»Er hat –« Er brach mitten im Satz ab, um sein Erstaunen nicht zu zeigen, und fuhr dann sanft fort: »Das ist eine gute Nachricht. Ganz ausgezeichnet.«

Warum hatte er dann so ein ungutes Gefühl in der Magengrube?

Wahrscheinlich, weil du von Natur aus ein misstrauischer Kerl bist, Alter. Trotzdem ... fünf Tage? Er straffte die Schultern und versuchte, sich einzureden, dass er nicht gleich argwöhnisch werden musste, nur weil diese Sache hier anders lief als sonst.

Doch wenn sein Gefühl sagte, dass hier etwas faul war, musste er darauf hören. Und er würde sich ganz gewiss nicht damit aufhalten, sich vorzumachen, das liege nur daran, dass er bis zum nächsten Anruf des Entführers nicht viel tun konnte.

Er entfernte sich ein paar Schritte von Mrs. Beaumont, dann drehte er sich um und sah sie an. »Sind Richard und Christopher noch hier?«

»Ja, ich glaube schon.«

»Ich will mit den beiden reden.«

Sie wirkte auf eine fast rührende Weise dankbar, etwas zu tun zu bekommen, und ging sofort zum Telefon. Sie nahm den Hörer ab, ließ ihren Finger über eine Reihe von Tasten gleiten und drückte schließlich eine.

Während Zach ihr zusah, fiel ihm zum ersten Mal auf, dass es sich um eine Telefonanlage handelte, wie man sie normalerweise in Büros verwendete. Sehr nützlich in einem Haus von dieser Größe. Sie sprach hastig ein paar Sekunden lang in die Muschel und teilte der Person am anderen Ende mit, dass der Entführer angerufen hatte, dann trennte sie die Verbindung, drückte eine weitere Taste und wiederholte das Ganze. Einen Augenblick später legte sie auf und nickte ihm zu.

»Sie werden sofort herunterkommen.«

Lily brachte ihm eine Tasse Kaffee, und er ging damit zur Terrassentür und sah auf den Garten hinaus, während er daran nippte. Er konnte sich nicht erinnern, wann es angefangen hatte zu regnen, aber jetzt tauchte ein feiner, steter Nieselregen die Welt draußen vor den Fenstern in ein trübes Grau. Er legte sich auf die Stühle auf der Veranda und bildete einen Schleier, hinter dem Klippen und Meerenge verschwanden.

Eine Minute später betrat Richard außer Atem den Raum, und kurz darauf kam Christopher mit Jessica im Schlepptau durch die Tür. Da ihnen ihre Tante am Telefon nur das Nötigste mitgeteilt hatte, informierte Zach sie über die Einzelheiten des Gesprächs mit dem Entführer. Richard machte sich sofort auf den Weg ins Büro, um die Geschäftsbücher herauszusuchen, und Christopher rannte nach oben, um seinen Laptop zu holen. Als die beiden Männer zurückgekehrt waren, setzten sie sich hin, um zu sehen, welche Vermögenswerte des Familienunternehmens zu Bargeld gemacht werden könnten und wie lange das dauern würde.

Zach sah ihnen eine Weile zu, dann begann er im Zimmer herumzugehen und studierte dabei verstohlen die Familiendynamik der Beaumonts.

Offensichtlich waren beide Männer kompetent und erfahren in geschäftlichen Dingen, Christopher schien jedoch eine genauere Vorstellung davon zu haben, welche Vermögenswerte man opfern könnte, und übernahm wie selbstverständlich die Führung. Richard schien keine Probleme damit zu haben, aber Zach fiel es trotzdem auf.

Cassidy saß auf der anderen Seite des Zimmers in einem dick gepolsterten Sessel am Kamin und blätterte in einer Zeitschrift, sie hatte die Beine übereinander geschlagen und wippte nervös mit einem Fuß. Auf der Couch daneben saß Jessica und kümmerte sich um ihre Tante, und was immer sie ihr mit ihrer sanften Stimme auch sagen mochte, es brachte diese dazu, ruhig sitzen zu bleiben.

Und dann war da noch Lily. Sie hatte natürlich nichts mit der Familiendynamik zu tun, aber von allen Anwesenden war sie diejenige, zu der sein Blick am häufigsten wanderte.

Sie lief geschäftig hin und her, und er konnte das Klackern der Steine ihrer Halskette hören, während sie alle mit Kaffee versorgte. Jetzt, da er sie nicht länger mit einem durch Vorurteile getrübten Blick betrachtete, begannen ihm Dinge aufzufallen, die ihm zuvor entgangen waren. Er stellte beispielsweise fest, dass sie, auch wenn sie wie das Spielzeug eines reichen Mannes aussah, eine natürliche Freundlichkeit ausstrahlte.

Als sie Mrs. Beaumont Kaffee nachschenkte, streckte sie die Hand aus und tätschelte der Frau die Schulter. Sie drückte Jessica die Hand, während sie leise mit beiden sprach. Dagegen berührte sie Christopher und Richard überhaupt nicht, als sie sie mit Kaffee versorgte. Sie sprach ein paar Worte mit ihnen, behielt ihre Hände jedoch bei sich.

Noch heute Morgen hätte er angenommen, dass es sich genau andersherum verhalten würde. Andererseits hätte er heute Morgen vermutlich auch angenommen, dass sie wie Cassidy einfach dasitzen und ganz selbstverständlich darauf warten würde, dass ein anderer sich um ihre Bedürfnisse kümmerte. Stattdessen war Lily diejenige, die alle bediente, und es machte ihr offensichtlich nicht das Geringste aus.

Noch mehr Beweise für seine falsche Einschätzung zu erhalten, das war ihm etwa so willkommen wie ein Furunkel am Hintern. Er rieb sich mit den Handballen die Augen, dann ließ er die Arme wieder sinken und sah ihr dabei zu, wie sie den auf einem Tisch verstreuten Zucker in ihre Hand wischte und in den Kamin warf. Eigentlich war er kein Mann, der voreilig unüberlegte Schlüsse zog. Und er war es nicht gewöhnt, im Unrecht zu sein.

Dass ihm in letzter Zeit beides widerfahren war, passte ihm überhaupt nicht.

»Okay, ich glaube, wir haben es«, sagte Christopher, und Zach drehte sich erleichtert zu ihm um. Er würde später über eine angemessene Entschuldigung nachdenken. Zum Kuckuck, vielleicht sollte er sie einfach wieder küssen; das hatte letztes Mal, als er glaubte, seinen Irrtum eingestehen zu müssen, doch ganz gut funktioniert.

Hast du den Verstand verloren? Er unterdrückte mühsam den Drang, seinen Kopf gegen die nächstbeste Wand zu schlagen. Taylor, Taylor. Du wirst dich gefälligst von der Dame fern halten, bevor sie dir völlig den Kopf verdreht. Abgesehen davon — bliebe mit einer solchen Entschuldigung nicht alles beim Alten? Allmählich blickte er nicht mehr durch. War er schon wieder auf dem Holzweg oder immer noch?

Erneut machten sich seine Kopfschmerzen bemerkbarer sollte jetzt nicht länger darüber nachdenken. Er hatte es hier — Gott sei Dank —mit einer Situation zu tun, die seine volle Aufmerksamkeit erforderte und mit der er einige Erfahrung hatte. Er ging zu den beiden Männern hinüber, die gerade die Stifte auf den Tisch legten und ihre Stühle zurückschoben. »Haben Sie einen Zeitplan, bis wann Sie das Geld zusammenbekommen?«

»Ja.« Christopher fuhr sich mit den Händen durch die Haare, die einen teuren Schnitt erkennen ließen, und massierte dann mit allen zehn Fingern seinen Nacken. »Wenn ich sofort damit anfange, sollten wir in der Lage sein, innerhalb von vier Tagen das nötige Geld flüssig zu machen. Maximal fünf.«

Zach erstarrte. So, so. Was für ein merkwürdiger Zufall. Das entsprach genau der großzügigen Frist, die der Entführer ihnen zur Beschaffung des Lösegelds zugestanden hatte.

Wirklich sehr merkwürdig. Zach gehörte nicht zu den Männern, die an Zufälle glaubten.

Das Ganze roch für ihn plötzlich nach einem abgekarteten Spiel.

Miguel spurtete durch den Regen zurück zu seinem Auto. Er stieg ein, ließ den Motor an und stellte die Heizung auf die höchste Stufe. Dann schüttelte er sich zitternd wie eine nasse Katze und tropfte dabei das ganze Armaturenbrett nass. Dios, war das kalt! Mehr als alles andere — mehr als den Singsang seiner Landessprache, mehr als den Geruch und die Schärfe des Essens — vermisste er die durchdringende Hitze Kolumbiens. Er wollte nach Hause.

Er hatte allerdings nicht vor, wie ein Hund mit eingezogenem Schwanz nach Hause zurückzukehren. Wenn er in sein Dorf zurückkam, würde er es erhobenen Hauptes tun — die Einwohner von Bisinlejo würden nicht einen Mann sehen, der großes Unrecht ungesühnt hinnahm. Nein, sie würden einen Mann sehen, der seine verletzte Ehre rächte.

Allerdings musste zuerst einmal die blonde puta das große Haus verlassen.

Er beugte sich über das Lenkrad, wischte mit dem Ärmel über die beschlagene Windschutzscheibe und spähte hinaus. Der Schleier, der ihm die Sicht nahm, lag jedoch nicht nur innen auf den Scheiben. Vor ihm war alles in Grau versunken.

So etwas hatte er noch nie gesehen. Wenn es in Bisinlejo regnete, goss es wie aus Kübeln, der Regen weichte den Boden auf und drückte die Pflanzen nieder, aber dann hörte er genauso plötzlich wieder auf. Man konnte sich darauf verlassen, dass gleich wieder die Sonne hervorkam und die Feuchtigkeit verdunsten ließ, bis nichts mehr davon übrig war außer ein paar vereinzelten Nebelschwaden, die von der Erde aufstiegen. Dieser Regen dagegen — das war ein dichter, feiner Nieselregen, der alles zu durchdringen schien. Er sickerte in jede Ritze und jeden Spalt, und ganz egal, wie sehr man sich gegen ihn zu schützen versuchte, er drang einem bis in die Knochen und ließ die Gelenke vor Kälte steif werden.

Kurz zuvor hatte er eine Packung Cracker hervorgekramt, die er auf der Fahrt hierher an einer der Tankstellen gekauft hatte, und sie zum Frühstück gegessen. Sie waren völlig aufgeweicht, obwohl sie gut verpackt gewesen waren.

Gut, mit dem Regen konnte er leben. Aber nicht damit, dass er die falsche Kleidung dabeihatte, ihm das Essen ausging und seine wenigen noch vorhandenen Vorräte einen nicht gerade appetitlichen Eindruck machten. Zu allem Übel hatte den ganzen Vormittag über niemand aus dem großen Haus auch nur einen Fuß vor die Tür gesetzt, und selbst wenn die Frau des Oberfeldwebels herauskommen sollte, würde sie sein Zähneklappern schon aus weiter Ferne hören und davonlaufen!

Mit plötzlicher Entschlossenheit griff er zum Schaltknüppel, legte den Gang ein und löste die Handbremse. Vornübergebeugt und vorsichtig in alle Richtungen spähend, manövrierte er das Auto aus seinem Versteck und fuhr auf die schmale Landstraße. Da er nicht wusste, was Taylor vorhatte oder wie lange die Aktion dauern würde, musste er damit rechnen, dass er noch eine ganze Weile hier festsaß.

Aber so oder so war es eindeutig an der Zeit, die nächstgelegene Stadt zu suchen und sich ordentlich auszurüsten.

Love Collection II

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