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Gregor und der Oktoberschnee

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Im Jahr, in dem Gregor sechzehn werden sollte, schneite es nicht erst Anfang November, sondern schon Mitte Oktober. Gregor rutschte in Pantoffeln die Auffahrt hinunter, um die Post zu holen, die Post für seine Eltern. Er hatte noch nie Post bekommen, aber er konnte nicht aufhören, darauf zu hoffen und zu warten. Und endlich war es so weit: Gregor zog einen sonnenblumenfarbenen Umschlag aus dem Kasten, auf dem sein Name stand. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals, denn er kannte die Schrift.

„Es ist einfacher, durchs Leben zu hüpfen als durchs Leben zu kriechen“, flüsterte er, während er den Umschlag öffnete, der nur an einer Stelle nachlässig zugeklebt war.

„Es ist einfacher, mit dem Zirkus zu ziehen als an einem Ort zu bleiben, den man hasst“, las Gregor in der steilen Schrift seines Grossvaters.

„Ich weiss es, Nonno Louis“, sagte Gregor leise, „ja, ich weiss es, selbst im Schneetreiben ist es einfacher, mit dem Zirkus zu ziehen, als im viel zu warmen Zimmer zu sitzen und darauf zu warten, dass die Zeit vergeht.“

Er steckte den Umschlag in die Hosentasche, ohne ihn zu falten.

Am selben Abend machte Frau Schröder Ordnung im Kleiderschrank ihres Sohnes. Dabei stiess sie auf Gregors sorgsam gehütete Schätze, den Turner, den Trompeter, das rotweisse Zirkuszelt, die doppelt geknotete Riesenschlange, den Zauberzylinder, den Trampolinspringer und das nachtschwarze Pferd. Sie fegte die Geschenke von Nonno Louis in ihre Schürze. Gregor sah ihr voller Verzweiflung zu. Er würde die Kostbarkeiten wohl nie wiedersehen, aber wenigstens steckte das Kästchen mit den dreiundzwanzig und einem halben Würfel sicher unter seiner Matratze.

Der Junge ging früh zu Bett. Den sonnenblumengelben Umschlag mit der Botschaft seines Grossvaters legte er unters Kopfkissen. Er schlief sofort ein und träumte:

Im Zimmer seiner Eltern kratzten die Zirkusfiguren an der Tür des Kleiderschranks. Sie klopften und forderten ihre Freiheit. Niemand hörte sie, bis der Trompeter plötzlich einen Marsch blies, die Schlange laut und drohend zischte, die Kaninchen den Zylinder verliessen und wilde Haken schlugen. Auch der Turner schlug Purzelbäume und der Trampolinspringer sprang von Kleiderbügel zu Kleiderbügel, während das Pferd durchdringend wieherte. Als Herr Schröder die Schranktür öffnete, marschieren sie hinaus, hinaus aus dem Zimmer und die Treppe hinunter. Wie ein geheimnisvoller Spuk verschwanden sie in der Nacht. Gregor erwachte.

Gab es einen Grund, glücklich zu sein? Er hätte keinen nennen können, aber tief in seinem Inneren fühlte er sich glücklich. Und er war sich fast sicher, dass er den Turner, den Trompeter, das Zelt, die Schlange, die Kaninchen, den Trampolinspringer und das Pferd irgendwann wiedersehen würde!

Zirkus Zauberhaft

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