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Ein Geschenk zum sechzehnten Geburtstag
ОглавлениеEs schneite in grossen Flocken. Gregor sprang aus dem Bett. Er war sechzehn, endlich sechzehn! Er öffnete das Fenster, aber da lag kein Geschenk auf dem Fenstersims. Gregor spähte in den dunklen Garten hinunter. War das Geschenk hinuntergefallen?
Weiss und ohne Spuren bedeckte der Schnee den Rasen. Gregors Pyjama bekam einen nassen Fleck. Er schlüpfte in die Kleider, zog den sonnenblumengelben Brief unter dem Kopfkissen hervor und steckte ihn zurück in die Hosentasche. Wenn er die Hand auf die Tasche legte, knisterte das Papier leise. Wenigstens der Brief und das Kästchen waren ihm geblieben. Das war nicht viel, aber mehr als nichts.
In der Küche war bereits fürs Frühstück gedeckt. Gregor schlitterte die Auffahrt hinunter und öffnete den Briefkasten. Inzwischen war er überzeugt, dass die geheimnisvollen und wunderbaren Fenstersimsgeschenke von seinem Grossvater waren. Vielleicht dachte der Grossvater ja, Gregor sei nun zu alt für Spielzeug und es sei angebrachter, ihm zum Geburtstag zu schreiben.
Einen Brief fand er nicht, aber seine tastenden Hände stiessen auf eine Figur, die er im Dämmerdunkel des Briefkastens beinahe übersehen hätte. Er stiess einen erstaunten Pfiff aus, und sogleich erhob sich der dunkelbraune Bär auf die Hintertatzen und begann zu tanzen. Er hielt inne, als der Pfiff verklang, tanzte aber von neuem, als Gregor eine kurze Melodie pfiff. Gregor steckte den Bären ganz unten in die Hosentasche. So unvorsichtig würde er nie wieder sein, dass er sich von seinen Schätzen trennte, und sei es auch nur für einen Augenblick.
Die Eltern sassen am Tisch, als Gregor auf nassen Pantoffeln hereinschlurfte.
„Wo warst du?“, fragte Frau Schröder.
„Ich habe Geburtstag“, sagte Gregor, „und ich hoffte, jemand habe mir geschrieben.“
„Wer sollte dir schon schreiben?“. Gregor hörte Verachtung aus der Bemerkung seines Vaters heraus.
„Ich hoffte auf eine Geburtstagskarte von Nonno Louis.“
„Und?“, fragte Herr Schröder.
„Nichts“, log Gregor.
„Auf dem seine Briefe warten wir ja alle“, bemerkte Gregors Mutter bissig.
Der Vater räusperte sich, als wolle er einlenken.
„Heute darf man dir zum sechzehnten Geburtstag und damit zum Erreichen eines vernünftigen Alters gratulieren.“
„Ich wollte, er würde mich besuchen“, wünschte sich Gregor.
„Wer?“, fragte seine Mutter, die schon wieder vergessen hatte, worüber sie sich unterhalten hatten.
„Er zieht mit einem Kleinzirkus durchs Land“, murmelte Gregor.
„...und das in seinem Alter“, empörte sich sein Vater.
„Er ist ein schwarzes Schaf. Er passt nicht ins Familienbild!“, sagte seine Mutter scharf. Gregor senkte den Kopf tief über den Teller und schwieg.
„Es ist einfacher, mit dem Zirkus zu ziehen als an einem Ort zu bleiben, den man hasst“, dachte er. Auf seinem Gesicht lag ein Lächeln.