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Gregor findet das Glück auf der Strasse

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Auf der Landstrasse zwischen Murten und Gruyères, 5. November 1919

„Du bist nun sechzehn Jahre und viele Stunden alt“, sagte Maika und brach damit ein langes Schweigen. „Es ist höchste Zeit, dass du heiratest!“

Gregor lachte so unbeschwert, wie er noch nie im Leben gelacht hatte. In seinem Inneren kam etwas ins Rutschen und befreite ihn von einer grossen Last. Obwohl sie nun schon einige Stunden unterwegs waren und ein gutes Stück Wegs hinter sich gebracht hatten, hatte er das Gefühl, den alten Apfelbaum und sein Elternhaus erst jetzt zurückzulassen.

„Alle Zirkusleute heiraten früh“, bemerkte Maika beleidigt, „und mit sechzehn Jahren und vielen Stunden extra bist du fast schon alt. Also streng dich gefälligst ein bisschen an.“

Gregor lachte noch immer, lachte und lachte, als er plötzlich ein Mädchen sah, das mitten auf dem Weg stand. Sie hiess Géraldine, und sein Lachen verzauberte sie so sehr, dass sie alles vergass, was der Tag hätte bringen sollen an Verpflichtungen wie Brüder hüten und in die Schule gehen. Sie warf ihren Schulranzen in hohem Bogen in den Schnee, denn mit fünfzehn ein halb und siebzehn Stunden ist man wirklich viel zu alt für die Schule und gerade alt genug für grosse Träume. Sie warf den Turnbeutel gleich hinterher, obwohl Turnen immer ihr liebstes Fach gewesen war und kletterte zu Gregor auf den Wagen.

„Ich bin Géraldine“, sagte sie.

„Na also“, sagte Maika und knuffte den Jungen, „es geht doch. Man muss nur wollen!“

„Nun müssen wir uns aber beeilen“, sagten Hasel und Birke zu Notturno, und der Nachtschwarze hatte die Güte, etwas schneller die schnurgerade Strasse entlang und hinein ins schmucke Städtchen Gruyères zu traben.

Als der hörte, dass eine Trauung anstand, sputete sich auch der Pfarrer. Eigenhändig wollte er die Glocken läuten. Hasel und Birke aber holten ihn behände aus dem Glockenturm wieder herunter und erklärten ihm, es sei nun genug mit der Läuterei, und geheiratet werde, wie sich das für Zirkusleute gehöre, in der Manege.

Obwohl ihm alle gut zuredeten, weigerte sich der Pfarrer eine ganze Weile, über ein angestelltes Leiterchen auf Notturnos breiten Rücken zu klettern. Endlich überzeugte ihn die offensichtliche Schläfrigkeit des schwarzen Pferdes von seiner Harmlosigkeit. Kaum sass er aber oben, wurde Notturno munter. Erstaunlich flink strebte er der Stadtmitte zu, wo der Zirkus sein Zelt aufgeschlagen hatte. Hätte ihn nicht ein schwerer hölzerner Zirkuswagen gebremst, wäre es ein flotter erster Ritt geworden für den armen Pfarrer. Im Künstlereingang zur Manege standen alle Zirkusartisten aufgereiht zum Spalier, als hätten sie Gregor und Géraldine in eben diesem Moment erwartet. Braut und Bräutigam wurden viele Male geküsst, auf die linke, die rechte und wieder die linke Wange, auf die Hände und den Scheitel. Gleich nach der kürzesten Trauung aller Zeiten hiess man Gregor in eine weisse Hose und ein weites blaues Hemd mit goldenen Sternen schlüpfen und komplimentierte ihn die Mitte der Manege. Ehe er sich’s versah, war er ein wichtiges Mitglied des „Zirkus Louis und Louise“ geworden.

Und schon im kommenden Jahr, versprach Nonno Louis, würde er Zirkusdirektor werden und eine rote Livree tragen!

Gregor fasste nach Géraldines Händen, küsste sie auf den Mund, zählte ganz leise bis dreiundzwanzig ein halb und beschloss, mit dem Denken aufzuhören und sich ab sofort über rein gar nichts mehr zu wundern.

Zirkus Zauberhaft

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