Читать книгу Zirkus Zauberhaft - Claudia Gürtler - Страница 9
Gregor spielt
ОглавлениеObwohl er dafür nun wirklich schon zu gross war, spielte Gregor, wann immer er alleine war, spielte mit der Versunkenheit eines Kindes, das man nie hatte spielen lassen.
Zum fünfzehnten Geburtstag hatte er ein Pferd mit zwei Reiterinnen bekommen. Das Pferd war nachtschwarz und die Reiterinnen sassen dicht hintereinander auf seinem breiten Rücken.
Gregor holte alle geschenkten Figuren hervor, dazu seine Bauklötze, die mit „Buche“, „Eiche“, „Esche“ und „Nussbaum“ angeschrieben waren. Wenn Kinder schon spielten, mussten die Spiele lehrreich sein. Allerdings hätten die Eltern wenig Freude an den Spielen ihres fünfzehnjährigen Sohnes gehabt, hätten sie davon gewusst. Gregor grinste vor sich hin. Es machte Spass, ihnen eins auszuwischen.
Der Junge baute seinen Zirkus auf. Der Trompeter blies einen Marsch, als Gregor einen Knopf an seinem Hinterkopf drückte. Genau so, dachte Gregor, beginnt im Zirkus jeweils das Abendprogramm!
„Es ist einfacher, durchs Leben zu hüpfen, als durchs Leben zu kriechen“, murmelte er vor sich hin. „Es ist einfacher, durchs Leben zu fliegen, als am Boden zu kleben; es ist einfacher, zu singen und Musik zu machen, als traurig zu sein. – Es ist einfacher laut zu werden, als seinen Kummer für sich zu behalten!»
Gregor seufzte. War es das? War es einfach, zu sagen, was man dachte, wenn ein schönes Zirkusbild zerrissen wurde?
In Gedanken versunken baute Gregor das rotweisse Zirkuszelt auf, legte die zweifach geknotete Schlange als Wächter vor den Eingang, damit das Publikum nicht zu früh die Ränge stürmte und nahm endlich den schwarzen Zauberzylinder in die Hand. Wenn man mit dem Finger rund um die Krempe strich, lugten zwei weisse Kaninchen daraus hervor. „Es ist einfacher, Kaninchen aus einem Hut zu zaubern als daran zu glauben, dass das Leben schön sein kann wie ein Zirkus!“, seufzte Gregor. Und wieder stellte er die bange Frage: „Ist es das?“
„Es ist einfacher, sich mit Lügen zufrieden zu geben, als Antworten zu fordern“, sagte er laut und stand auf.
„Ist es das? Ist es das? Ist es das?“, fragte er und gab sich selbst die Antwort: „Ja, das ist es! Antworten zu verlangen ist schwierig, sehr schwierig.“
Aber der Tag war gekommen. Fragen mussten gestellt werden. Antworten mussten her. Heute. Jetzt!
Wie vor langer Zeit steckte er den Trampolinspringer als Glücksbringer in die Tasche, auch das Pferd mit den Reiterinnen und die geknotete Riesenschlange. Ohne zu zögern ging er dieses Mal die ganze Treppe hinunter, klopfte höflich an die Stubentür und wartete auf das energische „Herein“ seines Vaters.