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2.5 (Un)Höflichkeit im Gebrauch
ОглавлениеWenn man herausfinden will, was Sprecher des Deutschen unter ‚Höflichkeit‘ verstehen, dann kann man sich auf seine Intuition als kompetenter Sprecher verlassen und zusammentragen, was man selbst über das Phänomen weiß und was man über die diesbezüglichen Vorstellungen seiner Mitmenschen in Erfahrung bringen kann. Vor allem bei Letzterem kann man sich natürlich nur auf das konzentrieren, was diese Mitmenschen sagen und schreiben. Einen direkten Zugang zu ihren Gedanken oder sonst einen Weg in ihren Kopf findet man nicht. Mit einem solchen Vorgehen kann man zu guten Ergebnissen kommen. Es birgt aber auch die Gefahr, unnötig selektiv und subjektiv zu sein: Man erfasst nur, was einem schon bekannt ist und riskiert, wesentliche Aspekte, die einem in einem bestimmten Moment nicht besonders präsent sind, zu ignorieren.
Die Instrumente und Techniken der Korpusanalyse bieten hier die Möglichkeit, auf der Grundlage einer verlässlichen Datenbasis fundiertere und objektivere Aussagen zu machen und damit dem zu untersuchenden Begriff auf die Spur zu kommen – oder zumindest eine erste Spur zu identifizieren: „[…] corpus analysis offers a firm ontological basis for understanding ‚politeness‘ across languages and relational networks“ (Kádár/HaughKádár/Haugh 2013, 192). Die Ausgangshypothese für ein solches Vorgehen ist die Idee, dass sich die Bedeutung von Wörtern wie höflich und Höflichkeit aus dem Sprachgebrauch ergibt, dass ein genauer Blick darauf, wie wir die Wörter verwenden, eine gut begründete Hypothese darüber zulässt, was wir darunter verstehen. Mit Blick auf die englische Sprache verweist auch WattsWatts auf die Relevanz eines alltagssprachlichen Begriffes von Höflichkeit, indem er betont „[…] polite and politeness are lexemes in the English language whose meanings are open to negotiation by those interacting in English. Their meaning are reproduced and renegotiated whenever and wherever they are used in verbal interaction, which of course means that related terms such as rude, rudeness (dis)courteous, impolite, impoliteness etc. are also struggled over“ (Watts 2003, 13). Die Angaben zum Gebrauch von Wörtern können also kein ein für alle Mal gültiges Bild der Gebrauchsregeln und der Bedeutungsnuancen ergeben, sie stellen vielmehr eine Momentaufnahme dar, eine Fotografie des im gegenwärtigen Sprachstadium in Form von GebrauchspräferenzenGebrauchspräferenz niedergeschlagenen kollektiven Wissens einer Sprachgemeinschaft.