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2.6 Der sprachwissenschaftliche Blick 2.6.1 Ein Beispiel: Talkshows als Forum von Unhöflichkeit?

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Einige der Schwierigkeiten des alltagssprachlichen Höflichkeitsbegriffes resultieren aus der Tatsache, dass er ziemlich abstrakt ist und eher auf Beschreibungen von typisierten Situationen basiert, die ohne Kontext und ohne genauere Analyse derjenigen Faktoren präsentiert werden, die das Verhalten der Beteiligten beeinflussen oder sogar determinieren könnten. Zur Annäherung an einen sprachwissenschaftlich fundierten Begriff von Höflichkeit ist es unerlässlich, sich genauer anzuschauen, was SprecherInnen in konkreten Interaktionen tun, wie sie sich aufeinander beziehen, welche Konsequenzen das hat, welche Rolle Höflichkeit dabei spielt und welche interaktive Funktion sie hat.

Wir versuchen, einen ersten Eindruck von dieser Dynamik an einem Beispiel aus einer Talkshow-Diskussion zu vermitteln. Der folgende Dialog ist ein Ausschnitt aus der ARD-Sendung „Anne Will“ vom 16.3.2016. Das Thema dieser Ausgabe der Talkshow ist die Flüchtlingspolitik in Europa. Unter der Überschrift „Flüchtlingsdrama vor dem Gipfel. Ist Europa noch zu retten?“ diskutierten Sebastian Kurz, der damalige Außenminister der Republik Österreich (FPÖ), Heiko Maas, der (zu diesem Zeitpunkt) deutsche Bundesjustizminister (SPD), Katrin Göring-Eckardt, die Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, Richard Sulík, ein slowakischer Europaabgeordneter und Katja Kipping, damals die Vorsitzende der Partei Die Linke mit der Gastgeberin Anne Will.

Im Ausschnitt, den wir hier in einer sehr ungenauen, dafür aber hoffentlich leicht lesbaren Transkription präsentieren, diskutieren Katrin Göring Eckhardt und Sebastian Kurz über Strategien zur Flüchtlingspolitik und über das Vorgehen der österreichischen Regierung. Diese hatte kurz vorher Grenzkontrollen eingeführt und erklärt, nur noch eine begrenzte Zahl von Flüchtlingen ins Land zu lassen. Gegen Ende des Ausschnittes wird dann Höflichkeit (genauer gesagt Unhöflichkeit) explizit thematisiert:1


TV-Talkshows sind sehr spezielle GesprächsformateGesprächsformat (vgl. z.B. BurgerBurger 2001). Das heißt auch, dass Höflichkeit und Unhöflichkeit hier unter ganz anderen Umständen ausgehandelt werden als in Alltagsgesprächen und dass andere Verhaltensweisen erwünscht und akzeptabel sind. Die kleine Auseinandersetzung über Unhöflichkeit wird erst dann wirklich verständlich, wenn man auch fragt, welche Rolle sie in diesem speziellen Kontext spielt, wie sie mit der Dynamik der Situation verbunden ist, welche Funktion sie hat und wie sie in diesem Rahmen/von diesen Beteiligten bearbeitet wird.

Talkshows sind mediale Inszenierungen, rhetorische Schaukämpfe zwischen Medienprofis, die versuchen, ihre Position oder die ihrer Gruppe im öffentlichen Diskurs voranzubringen oder durchzusetzen. Viele BeobachterInnen sehen in dieser Form von Pseudo-Diskussion ein Symptom für den Verfall der öffentlichen Diskussionskultur oder sogar der demokratischen Meinungs- und Willensbildung. Unter anderem wird beklagt, dass in solchen Gesprächen die Regeln und Konventionen für den konsensorientierten Dialog außer Kraft gesetzt werden und dass es oft nicht um das bessere Argument geht, sondern darum, wer lauter schreit, wer unverschämter auftritt oder wer seine PartnerInnen am überzeugendsten diskreditieren kann. Die Beteiligten spielen jeweils eine oftmals vom Format vorgegebene Rolle; sie treten als notorische QuerulantInnen, als linke SpinnerInnen, als konservative HardlinerInnen, als VertreterInnen der Kirche usw. auf und nicht nur als Individuen.

Die ganze Gesprächssituation ist wesentlich komplexer als die in einem prototypischen Dialog mit SprecherInnen und HörerInnen, die mehr oder weniger höflich zueinander sein können. Für Gespräche in Massenmedien unterscheidet Burger (2001, 1493) zunächst einen inneren und einen äußeren Kreis von Beteiligten: Den inneren Kreis bilden die GesprächsteilnehmerInnen im engeren Sinne, also die DiskutantInnen und die Moderatorin. Zum äußeren Kreis zählen u.a. die FernsehzuschauerInnen, die nicht in das Gespräch eingreifen können. Dazwischen gibt es auch noch das Publikum im Studio, das zumindest indirekt (durch Zurufe oder Applaus) intervenieren und das Diskussionsgeschehen beeinflussen kann. Die Kreise überlagern sich ständig; so entsteht das, was Burger „Mehrfachadressierung“ nennt: Wenn die Moderatorin spricht, wendet sie sich an ihre GesprächspartnerInnen, aber auch an die ZuschauerInnen.

Goffman (1981, 131ff.) schlägt eine weitere Differenzierung der Gesprächsrollen vor, die nützlich sein kann, um Vereinfachungen zu vermeiden (vgl. Adamzik 2002). Er unterscheidet zunächst zwischen ratifizierten und nicht-ratifizierten TeilnehmerInnen. Ratifiziert sind diejenigen, die in der jeweiligen Interaktion einen offiziell anerkannten Status haben, nicht-ratifiziert also alle, die zwar zuhören können, aber nicht das Recht haben einzugreifen. In normalen Konversationssituation sind alle Personen, die eingreifen können, ratifizierte TeilnehmerInnen. Das heißt aber nicht unbedingt, dass sie auch die AdressatInnen aller Beiträge sind. Vor allem in Gesprächen mit mehr als zwei TeilnehmerInnen gibt es immer Momente, in denen TeilnehmerIn A mit B spricht und sich nur sekundär an die anderen wendet. Man kann und muss also weiter unterscheiden zwischen adressierten und nicht adressierten ratifizierten TeilnehmerInnen, also AdressatIn und HörerIn. Auch nicht-ratifizierte TeilnehmerInnen können sich im Hinblick auf den Grad ihrer Beteiligung unterscheiden.

In den meisten Fällen können SprecherInnen die Anwesenheit der verschiedenen Arten von ZuhörerInnen wahrnehmen und bei der Planung ihrer Beiträge berücksichtigen. In Mediengesprächen ist das geradezu ein konstitutioneller Bestandteil der Gesprächssituation. Die Sendungen werden ja für ein Publikum, also mehr oder weniger aufmerksame ZuhörerInnen gemacht – einige davon als Saalpublikum anwesend, andere zu Hause vor dem Fernsehgerät. Im Idealfall verfolgen die ZuschauerInnen die Sendung aufmerksam, oft haben sie auch die Möglichkeit, über Telefonanrufe, Mails oder Einträgen in sozialen Netzwerken in die Diskussion einzugreifen, werden also zu ratifizierten TeilnehmerInnen.

Höflichkeit spielt sich damit auf jeden Fall in verschiedenen Bereichen ab: Im vorliegenden Gesprächsausschnitt sind GE und K mehr oder weniger höflich gegenüber den jeweils adressierten TeilnehmerInnen, aber auch gegenüber den anderen HörerInnen, dem Publikum im Saal, dem TV-Publikum usw.

Schließlich handelt es sich bei einer solchen Talkshow um ein Diskussionsformat. Die einzelnen TeilnehmerInnen können und müssen einander also widersprechen, um eine Diskussion in Gang zu bringen. Dissens ist mehr als erwünscht. In anderen Kontexten mag es also als unhöflich angesehen werden, wenn SprecherInnen einander widersprechen, hier wäre es geradezu unhöflich gegenüber der Moderatorin, der Redaktion und dem Publikum, wenn die TeilnehmerInnen einander ständig recht geben würden. Die Bedingungen für die Einschätzung von Höflichkeit sind also anders als in vielen anderen Gesprächsformen (vgl. EhrhardtEhrhardt 2011).

Der kleine Streit, der hier dokumentiert wurde und der in dem Vorwurf gipfelt, unhöflich zu sein, findet auf mindestens zwei Ebenen statt: Es geht inhaltlich um die richtigen Maßnahmen der Flüchtlingspolitik und formal um das Rederecht. GE ist von der Moderatorin eingeladen worden, ihre Position darzulegen und setzt zu einem längeren Statement an. Gleich am Anfang wird sie dabei von K unterbrochen, lässt sich dadurch aber nicht davon abhalten, weiter zu sprechen. Nach wenigen Sätzen wird sie erneut von K unterbrochen, und an dieser Stelle beginnt eine etwas unübersichtliche Phase, in der die beiden Politiker sich ständig gegenseitig unterbrechen und synchron (übereinander) reden. Es entsteht eine lebhafte Diskussion zwischen den beiden, die sich immer weiter steigert. Die Phase wird dadurch beendet, dass GE ihrem Partner in einem etwas resignierten Tonfall vorwirft, unhöflich zu sein.

Aller Wahrscheinlichkeit bezieht sie sich damit auf die Tatsache, dass sie in der Entwicklung ihres Gedankens mehrmals durch Unterbrechungen gestört wird. K verletzt also die Regel, dass man in einem Gespräch die anderen ausreden lassen sollte. Das gehört zu den formalen, kodifizierten HöflichkeitskonventionenHöflichkeitskonvention – und zu den Konventionen, deren Gültigkeit und Sinnhaftigkeit kaum bestritten, aber in der Praxis ständig verletzt werden. Auch in diesem Punkt ist K aber nicht einverstanden. Er widerspricht explizit und behauptet, es handele sich nicht um eine Unhöflichkeit, weil er ja nur versuche, die Zahlen korrekt widerzugeben. Es ist nicht ganz klar, worauf sich sein Widerspruch bezieht: Hält er es für nicht unhöflich, eine Gesprächspartnerin zu unterbrechen oder Statistiken richtig zu interpretieren? Er changiert hier wohl zwischen der inhaltlichen und der formalen Ebene des Gesprächs.

Höflichkeit und Unhöflichkeit werden in diesem Gespräch also im Sinne der Etikette aufgegriffen. Wenn man versuchen möchte, den zugrunde liegenden Höflichkeitsbegriff herauszuarbeiten, dann muss man auf die bereits beschriebene alltägliche Auffassung zurückkommen: Höflich sein heißt, sich an die in der Gesellschaft anerkannten Regeln und Konventionen zu halten und den Partner nicht zu unterbrechen. Einmal mehr wird auch erkennbar, dass dieser Begriff zu kurz greift und in der Realität der Kommunikation schwer anwendbar ist. Unterbrechungen sind einfach unvermeidlich – schon in ganz alltäglichen Interaktionen, viel mehr noch in Mediengesprächen. Wenn die TeilnehmerInnen sich nicht ab und zu unterbrechen, wird der Dialog schnell leblos. Das gehört offensichtlich auch zum Wissen aller SprecherInnen und HörerInnen; UnterbrechungenUnterbrechung werden deswegen durchaus nicht immer als Unhöflichkeit aufgefasst. Die Etiketteregel ist also viel zu allgemein. Der Unhöflichkeitsvorwurf zeigt aber Wirkung. Die Überlappungen von Beiträgen hören an dieser Stelle auf, der Adressat des Vorwurfs verteidigt sich; er kann oder will es sich nicht leisten, diesen Vorwurf auf sich sitzen zu lassen. Man kann hier verallgemeinernd die Hypothese ableiten, dass aus der Perspektive der Beteiligten Höflichkeit in der Interaktion eine wichtige Rolle spielt; es wiegt schwer, wenn jemandem das Interesse an Höflichkeit oder die Fähigkeit, höflich zu sein, abgesprochen wird.

Das Beispiel zeigt auch, dass es im Einzelfall durchaus nicht leicht ist, einzuschätzen, ob eine Äußerung höflich ist oder nicht. Für GE sind die Unterbrechungen im konkreten Fall unhöflich; ihr Gesprächspartner (ein distinguierter und wohlerzogener Mensch) ist da anderer Meinung. Die BeobachterInnen werden diesbezüglich eine weitere Auffassung vertreten und wiederum untereinander ebenfalls kaum einen Konsens finden. Wessen Urteil gilt? Kann man das objektivieren? Sollte man sich für ein Urteil über den Grad von Höflichkeit einer Äußerung auf die Intention der SprecherInnen beziehen? Auf die Auffassung der AdressatInnen? Oder auf Urteile von HörerInnen oder BeobachterInnen? Es bleibt zumindest der Verdacht, dass der Höflichkeitsgrad einer Äußerung nicht nur vom GesprächskontextGesprächskontext abhängt, sondern auch davon, aus welcher Perspektive man sie betrachtet. Als wissenschaftliche/r BeobachterIn könnte man annehmen, dass das Verhalten von K als höflich eingestuft werden kann, wenn es die weitere Interaktion nicht störend beeinflusst.

Ganz deutlich zeigt sich, dass Höflichkeit in Gesprächssituationen umstritten sein kann. In Gesprächen geht es nicht nur um Inhalte, sondern eben auch darum, wie man miteinander umgehen kann und soll. Wenn darüber keine Einigkeit besteht, bzw. wenn sich diese Uneinigkeit durch (aus der Perspektive eines Beteiligten) abweichendes Verhalten manifestiert, dann kann es zu Aushandlungsprozessen kommen, die darauf abzielen, einen gemeinsamen Standard zu etablieren, wer auf welche Weise was sagen kann. Höflichkeit ist in der Praxis der Kommunikation also durchaus dynamisch und das Ergebnis von mehr oder weniger expliziten metasprachlich ausgerichteten Handlungen, in denen es um die Aushandlung der „richtigen“ oder angemessenen Umgangsformen für die konkrete Gesprächskonstellation geht. Dies wiederum kann durchaus kontrovers sein – in Bezug auf den Höflichkeitsgrad einzelner Formulierungen, die Angemessenheit sprachlicher und nicht-sprachlicher Verhaltensweisen (z.B. jemanden unterbrechen) usw.

Vor allem in solchen Mediengesprächen ist es zudem schwierig einzuschätzen, inwieweit Höflichkeit oder Thematisierungen von (Un)Höflichkeit strategisch eingesetzt werden. Es ist nicht auszuschließen, dass GesprächsteilnehmerInnen genau dann auf eine BeziehungsebeneBeziehungsebene ausweichen und angeblich unhöfliches Verhalten anderer thematisieren, wenn sie inhaltlich in die Bredouille kommen. Oder dass Unhöflichkeiten gezielt eingesetzt werden, um das Gegenüber zu provozieren und aus dem Konzept zu bringen. Solche Äußerungen hätten dann eher inhaltliche Ziele und Motivationen als beziehungsbezogene.

Die Verhaltensmanifestationen, die hier als unhöflich klassifiziert werden, treten darüber hinaus nicht isoliert auf. Während des Gesprächs präsentiert sich K durchaus als charmanter, zugewandter und verbindlicher Gesprächspartner. Und auch im Laufe des abgedruckten Ausschnittes ist er durchaus nicht nur und nicht durchgängig unhöflich: Er entschuldigt sich auch prophylaktisch für eine Unterbrechung, er betont Übereinstimmung mit GE und räumt am Anfang ein, dass GE das Rederecht hat. Das ist alles eher höflich im Sinne der Etikette. Höflichkeit oder Unhöflichkeit ist also auch eine Facette eines umfassenderen Bildes. GE scheint sich nur auf die Unterbrechungen zu beziehen und damit den Vorwurf zu belegen, dass K ein unhöflicher Mensch ist. Sie wundert sich darüber, wohl weil auch sie ihn sonst anders wahrnimmt, kommt aber nicht auf die Idee, von der Verallgemeinerung (wer unterbricht, ist ein unhöflicher Gesprächspartner) abzusehen und ihr Urteil etwas differenzierter zu formulieren. Es ist durchaus diskussionswürdig, ob man Höflichkeit (oder Unhöflichkeit) einem Menschen zuschreiben sollte, einer Äußerung bzw. einer nicht-sprachlichen Handlung oder der gesamten Verhaltensorientierung einer Person in einem bestimmten Gespräch. Für die Beurteilung einer einzelnen Äußerung ist es sicher nicht ganz unerheblich, wie sich die betreffende Person im übrigen Gespräch verhalten hat. Einem im Allgemeinen höflichen Menschen wie K wird man eine unhöfliche Unterbrechung sicher eher verzeihen und dem Engagement für die Sache zuschreiben als einem notorischen Störer.

Ein Blick auf die real existierende Kommunikation zeigt also sehr schnell, dass Höflichkeit für die GesprächsorganisationGesprächsorganisation objektiv und subjektiv aus der Sicht der TeilnehmerInnen bedeutsam ist und dass man in der Beschreibung und Analyse von Konversationen nicht sehr weit kommt, wenn man Höflichkeit mit der Befolgung von Etiketteregeln identifiziert. Die Wirklichkeit ist sehr viel komplexer als das, was Höflichkeitsnormen abbilden können. Offensichtlich kennen GesprächsteilnehmerInnen die Etikette, orientieren sich in manchen Situationen (vor allem bei der Beurteilung des Verhaltens anderer) auch daran, aber darüber hinaus geschieht noch viel mehr: Sie streiten über Höflichkeit, sie nutzen (Un)Höflichkeit strategisch, sie beurteilen das Verhalten anderer in Kategorien der Höflichkeit, sie verstoßen mehr oder weniger bewusst gegen alle Höflichkeitsregeln, und sie entwickeln situationsspezifische Höflichkeitsbegriffe.

Halten wir an dieser Stelle fest: Eine sprachwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen Höflichkeit in einer konkreten Interaktionssituation muss viele verschiedene Aspekte und Faktoren aufgreifen, beispielsweise:

 Es geht um verbale oder nonverbale Handlungen, also um soziale Praxis in der Interaktion.

 Man sollte die Hörerperspektive im Auge behalten, also fragen, wie direkte AdressatInnen eine Handlung beurteilen, ob sie sie als höflich empfinden oder nicht.

 Dabei geht es immer auch um eine Bewertung durch die AdressatInnen, die diese auf der Grundlage bestimmter Kriterien vornehmen, die wiederum aufgedeckt werden sollten.

 Relevant sind aber auch die Intentionen der SenderInnen, also die Frage, warum/mit welcher Motivation SprecherInnen ihren Beitrag so gestaltet haben, wie sie es getan haben. Wollte der/die SprecherIn höflich sein? Was wollte er/sie darüber hinaus?

 Auch die SprecherInnen bewerten ihre Äußerungen mehr oder weniger explizit.

 Zu berücksichtigen sind die vortheoretischen Höflichkeitsbegriffe, die InteraktionsteilnehmerInnen ihren Handlungen und Bewertungen zugrunde legen.

 Das Verhalten, das als höflich klassifiziert wird, basiert auf sozialen Regeln und Konventionen.

 Wissenschaftliche oder auch andere BeobachterInnen mögen ihren Analysen andere Bewertungsgrundlagen zugrunde legen als die Beteiligten. Auch die BeobachterInnenperspektiveBeobachterperspektive muss hinterfragt werden.

 In Aussagen über Höflichkeit stecken immer Werturteile wie der Zusammenhang mit Solidarität, Kooperation, Konsensorientierung, Konfliktvermeidung, allgemeines Menschenbild usw.

Der Höflichkeitsbegriff der TeilnehmerInnen unterscheidet sich notwendigerweise stark von dem der WissenschaftlerInnen. Unter anderem liegt das an der Fragestellung, unter der beide jeweils das Geschehen beobachten: Die TeilnehmerInnen können sich damit begnügen festzustellen, ob GesprächspartnerInnen sich höflich verhalten haben oder nicht; sie werden eventuell noch fragen, warum (nicht). WissenschaftlerInnen suchen nach weiteren Erklärungen und versuchen, ihre Beobachtungen und Analysen in ein umfassenderes Begriffssystem einzuordnen und aus diesem heraus zu erklären (vgl. dazu Haferland/Paul 1996, 7f.).

Zentral für jedes wissenschaftliche (also auch sprachwissenschaftliche) Anliegen ist der vorrangig deskriptive Charakter im Unterschied zum normativen Ansatz der Etikette. Letztere ist vor allem darauf ausgerichtet, den RezipientInnen zu sagen, wie sie sich in bestimmen Situationen verhalten sollen, wenn sie gesellschaftlichen Erfolg haben und effizient kommunizieren wollen. LinguistInnen sind vor allem daran interessiert, zu beschreiben, zu analysieren und zu erklären, was in der Kommunikation passiert, wie GesprächsteilnehmerInnen sich verhalten, welche Ziele sie verfolgen und was sie tun, um diese Ziele zu erreichen.

Sprachliche Höflichkeit

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