Читать книгу Systemabsturz - Constantin Gillies - Страница 23

*** #16 ***

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Ein halbes Leben lang war Chuck sein Freund, und dennoch hat er ihm von alldem nichts erzählt. Nichts von diesen … Dingen.

Jesko von Neumann spürt, wie sich seine Augen mit Tränen füllen, wobei er nicht sagen könnte, warum. Ist es die Enttäuschung darüber, doch nicht Chucks Confidante gewesen zu sein, oder die geballte Konfrontation mit ihrer gemeinsamen Vergangenheit? Was Chuck hier in seinem privaten Lagerraum angesammelt hat, ließe sich mit Fug und Recht als Museum der US-amerikanischen Raumfahrt bezeichnen.

Neumann wirft einen vorsichtigen Blick in den Lagerraum. Er hätte eine Taschenlampe oder sein Telefon mitbringen sollen, in diesem Halbdunkel wird er nur stolpern und sich verletzen.

Vorsichtig tastet er sich vor.

In der Mitte des Chaos aus gestapelten Geräten hat Chuck einen Gang freigelassen. Es scheint, als habe diese Sammlung zumindest eine gewisse Ordnung.

Neumanns Blick rast durch den Raum, langsam gewöhnen sich seine Augen an das Zwielicht.

Ah, alte Bekannte. Bei den mannshohen Schränken an der linken Wand handelt es sich um Bandlaufwerke des Herstellers Control Data. Sie kamen in den frühen Jahren auch bei ihnen im JPL zum Einsatz, um Telemetriedaten von Sonden aufzuzeichnen. Bloß: Um was handelt es bei diesen grauen Einheiten rechts vom Gang? Electronic Engineering Company of California steht auf der Herstellerplakette. Keine der Firmen, mit denen sie zusammengearbeitet haben. Nach den Nixie-Tubes an den Kontrollinstrumenten zu urteilen, müssen diese Einheiten noch aus der Apollo-Ära stammen. Das war vor ihrer Zeit. Wenn er doch nur die Angaben auf dieser Plakette lesen könnte …

Neumann klopft hektisch seine Jacke ab. Schon wieder die Suche nach dem Brillenetui … Er hat es eingesteckt, so viel ist sicher. Es muss also … ach, da ist es ja. Schrecklich, auf diese Dinge angewiesen zu sein.

Er setzt behutsam das silberne Metallgestell auf.

Ja, seine Schätzung war korrekt, das Equipment stammt aus den Sechzigerjahren, die Aufschrift auf der Plakette ist eindeutig.

CONTRACT NO. NAS5-2154, JUNE 29, 1962

Mit wem die Nasa diesen Vertrag abgeschlossen hat und in welchem Projekt die Hardware eingesetzt wurde, gilt es zu einem späteren Zeitpunkt in Erfahrung zu bringen.

Direkt unter der Plakette hat die Inventarverwaltung einen auffällig roten Aufkleber angebracht, wohl um Langfinger abzuschrecken.

Property of: Goddard Space Flight Center – Nasa – Data Processing Branch

Eigentum der Nasa?

Chuck war, wie er, zeitlebens ein Law Abiding Citizen gewesen. Es ist undenkbar, dass er sich diese Gerätschaften auf ungesetzlichem Wege beschafft hat. Nur, warum hat er sie sich überhaupt beschafft? So wie sie hier stehen, übereinandergestapelt, mit Schimmelpocken überzogen und ohne Kabel, haben sie keine Funktion – und vermutlich nicht einmal historischen Wert. Selbst die Nasa würde die Geräte aufgrund des Schimmels als Gesundheitsrisiko einstufen und die Entsorgung empfehlen. Was wollte Chuck beweisen, in dem er all dies aufbewahrte?

Neumann macht einen Schritt nach vorne.

Ein paar Zoll kann er sich noch vorwagen, dafür reicht das Licht von draußen aus. Trotzdem sollte er vorsichtig sein! Gladys hatte sich erst unlängst beim Aufräumen ihres Kellers den Fuß verknackst, war mehrere Wochen immobilisiert und fiel im Diner aus. So ist es wohl in ihrem Alter: Kleinigkeiten, die man früher mit einem Lachen und einem Drink weggesteckt hatte, blähen sich zu einer Existenzbedrohung auf.

Neumann hält sich an einem der Metallschränke fest und stellt sich auf Zehenspitzen, um hinter das Spalier aus Geräten schauen zu können.

Ein Teleskop? Sein alter Freund steckt voller Überraschungen …

Natürlich waren sie beim Lab von Menschen umgeben, die mit dem Kopf in den Sternen steckten, erstaunlicherweise jedoch beschränkte sich bei den meisten diese Leidenschaft auf ihren Beruf. In der Freizeit bevorzugte die Mehrheit der Raumfahrt-Profis irdische Zerstreuungen wie Tennis oder Golf.

Chuck hat sich also mit Astronomie beschäftigt und tat dies – nach der Professionalität des Teleskops zu urteilen – recht intensiv.

Neumann hält prüfend die ausgestreckte Hand neben das breite Rohr.

Mindestens acht oder zehn Inch Blendenöffnung, zudem ist das Teleskop auf einer motorisierten Basis zum automatischen Nachführen montiert – kein Spielzeug für Kinder, eher ein Modell für den ambitionierten Satellite Watcher. Chuck muss dieses Hobby in den letzten Jahren aufgenommen haben, als er – von gelegentlichen Enkel-Einsätzen abgesehen – wieder über mehr freie Zeit verfügte. Vielleicht gibt dieses kleine Notizbuch eine Antwort, das auf der Ablage des Stativs liegt?

Neumann hebt die Kladde an und schlägt sie vorsichtig auf.

Was für ein wunderschönes Gefühl, wieder Chucks Schrift zu sehen! Diese weit ausladenden Bögen bei jedem »f« und »l« gaben seiner Handschrift immer etwas Aristokratisches.

The Black Knight Diary

Zweifellos ein interessanter Titel, von der Legende des Black Knight hatte beim Jet Propulsion Lab so ziemlich jeder gehört.

Systemabsturz

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