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Gutes Leben und glückliches Leben

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Jede Ethik der Tugenden ist ein Eudämonismus, die Ethik der Wertschätzung wie die anderen. Doch man muss verstehen, dass das Glück, von dem die Rede ist, sich von der Befriedigung unterscheidet. Aristoteles klärt uns hierüber auf, wenn er schreibt, dass das Glück eine Aktivität der Seele ist, die der Verwirklichung einer Tugend entspricht.56 Untrennbar von einem tiefen Gefühl der Fülle, verdankt sich das Glück nicht dem Erfolg, den man bei anderen findet, noch den Vorteilen, die sich mit dem Besitz bestimmter Güter verbinden, wie Gesundheit, Ehre, Macht, Geld oder Schönheit, sondern es begleitet ein Leben, das der Tugend konform ist. Eine tugendhafte Person spürt eine Art von Erfüllung, wenn sie das Gute tut. Dieses erscheint ihr nicht wie ein Zwang, selbst wenn das Opfer gewisser Vergnügungen verlangt wird, denn es resultiert aus einer bewussten Entscheidung, die der Person eine moralische und psychische Einheit sowie eine gewisse Stabilität verleiht.

Die Lust als Befriedigung oder Genuss (enjoyment) und selbst die Zufriedenheit (gladness), die aus dem Gefühl kommt, dass die Dinge gut verlaufen, genügen nicht zur Definition des Eudämonismus.57 Die Freude ist es, die das Wesen eines guten Lebens ausmacht und sich von den Lüsten, die von den äußeren Gütern abhängen und kontingent sind, unterscheidet. Sie kann mit einem längeren Leiden vereinbar sein, wie es der Fall ist, wenn die äußeren Umstände die Befriedigung vereiteln oder die erhofften Ergebnisse auf sich warten lassen. Um dieses Paradox zu verstehen, erinnere man sich, dass das Glück eine Tiefe hat: Es ist nicht bloß eine Sache der guten Laune oder angenehmer Beschäftigungen, sondern reicht bis in die geheimen Gedanken hinein, die jeder über sich oder über sein Leben in sich trägt.58

Verstanden als ein dauerhafter Zustand von Fülle, setzt das Glück eine gewisse Reife voraus, die mit dem Erwerb moralischer Züge, die die Person transformiert haben, verbunden ist. Aristoteles besteht auf der Wichtigkeit der Zeit und also des Alters in dieser Konzeption: „Auch möchte niemand leben, wenn er immer nur den Verstand eines Kindes haben und alles, was den Kindern Freude macht, im höchsten Maße genießen solle.“59 Das Glück eines Erwachsenen ist nicht mit der Sorglosigkeit gleichzusetzen, selbst wenn es für ein glückliches Leben hilfreich ist, wenn man seine Schmerzen relativieren kann. Ein glückliches Leben ist nicht unbedingt ein gutes Leben, dagegen ist ein gutes Leben immer auch ein glückliches, denn die die tugendhafte Person kennt die Freude. Diese ist keine partielle Fröhlichkeit, die mit einem Ereignis verbunden ist, das in einem Lebensbereich, wie dem Beruf, der Liebe oder der Familie, aufgetreten ist, sondern sie drückt das allgemeine Verhältnis einer Person zur Welt aus und ist vom Lauf der Ereignisse unabhängig.

Man muss sich günstiger Umstände erfreuen, des daimon, um das Vergnügen und die Freude gleichzeitig zu genießen. Der Eudämonismus verweist auf das Verhältnis eines jeden zur Wahrheit und zur Gerechtigkeit, aber wir bedürfen auch äußerer Güter, wenn das Leben zugleich gut und glücklich sein soll. In gewissen Fällen handeln die Individuen gut und haben das Gefühl der Erfüllung, wenn sie einer gerechten Sache dienen, aber sie haben weder die Chance, die Ergebnisse ihrer Anstrengungen zu sehen, noch die Zeit, die Freuden des Lebens zu genießen. Ein Passus aus Philippa Foots Die Natur des Guten illustriert dies: Sie erwähnt die Briefe, die junge Deutsche, die sich den Nazis widersetzt haben, vor ihrer Erschießung an ihre Familie schrieben.60 Man spürt einen tiefen Frieden, selbst wenn sie ihre Trauer darüber äußern, die Welt verlassen zu müssen, ohne ihre Kinder aufwachsen zu sehen. Auf der einen Seite wird ihr Glück geopfert, auf der anderen sagen sie, dass sie nichts bereuen, und in diesem Sinn haben sie ihr Glück eben nicht geopfert. Sie wissen, dass das Glück unter diesen Umständen unerreichbar war, denn sie hätten nicht leben und so tun können, als ob in ihrem Land nichts Fürchterliches vor sich ginge. Es existiert also „ein Glück, das nur der gute Mensch erreichen kann, aber durch einen der schlimmen Zufälle des Lebens kann dieses Glück außerhalb der Reichweite auch der besten Menschen liegen“61.

Das gute Leben ist weder unbedingt ein angenehmes noch ein ruhiges Leben, aber es ist untrennbar von einer gewissen Selbsterfüllung. Dieser Punkt ist wesentlich für jede Ethik der Tugenden, und Philippa Foot hebt dies mit Recht hervor. Dennoch wirft ihre naturalistische Interpretation des Eudämonismus ein schweres Problem auf. Für sie heißt gut leben, in Übereinstimmung mit einem Gut zu leben, das wie ein natürliches Gut, ein „Wohltun“ beschrieben wird (benefit), und zwar eines, das derselben Ordnung angehört wie das, was gut für eine Spezies oder einen Organismus ist.62 Aber was die Briefe der jungen Deutschen, denen sie ihre Hochachtung bezeugt, zeigen, ist eben, dass der Eudämonismus sich auf keine starre Vision der menschlichen Natur noch auf ein natürliches Gut gründet. Das Gut, das das gute Leben determiniert, hat eine universale Dimension: Diese Personen werden das Leben verlieren, nicht weil sie unsinnige Risiken wie zu schnelles Fahren eingegangen wären, sondern weil sie gegen die Nazibarbarei und gegen die Entmenschlichung gekämpft haben. Dieses Gut hat nichts zu tun mit natürlichen oder biologischen Fakten; es handelt sich um ein Gerechtigkeitsideal, das an die Prinzipien gebunden ist, denen sich diese Menschen verpflichtet fühlen. Der Glücksbegriff, von dem man im Eudämonismus spricht, setzt, mit anderen Worten, die bewusste Wahl bestimmter Güter voraus, das heißt er beruht auf der Verantwortlichkeit der Akteure, nicht auf dem Naturalismus.

Ethik der Wertschätzung

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