Читать книгу Rosenwolke und die Formel der Welt - Cort Eckwind - Страница 13
7.
ОглавлениеDer Ritt war höllisch gut. Der durchtrainierte Leib reagierte gehorsam auf den Schenkeldruck, der mal sanft, mal fordernd, die Richtung des Tuns bestimmte. Die Frau genoss den Augenblick. Sie genoss das Unerlaubte, das so streng Verbotene. Aber es war nicht so wie immer. Sie bemerkte kleine Unachtsamkeiten in den Bewegungen, scheinbar unkonzentriert und nicht immer bei der Sache. Sie würde es nicht dulden. Scheinbar belanglos erhöhte sie das Tempo, veränderte den Rhythmus. Willenlos folgte der Körper unter ihr den Anweisungen. Sie zog die Zügel an. Das Ziel schien greifbar nahe. Ihre schlanken Finger verkrallten sich in der dunklen Mähne. Ihre braunen Augen funkelten siegesgewiss. Jetzt noch zwei, drei ruckartige Bewegungen voller Intensität und sie sah sich angekommen an der unumstößlichen Bestimmung ihres überwältigenden Schaffens. Ihr Atem ging wie im Fieberwahn. Das Blut in den Adern pulsierte wie das millionenfache Treiben im Zentrum ihrer ehemals kaiserlichen Wohnstadt. Schon hörte sie nicht mehr das erschöpfte Keuchen unter sich, rücksichtslos forderte sie die urgewaltigen Kräfte ein. Ein letztes rauschhaftes Hinausschreien der Ekstase und die krönende Vollendung durchfluteten warm und wohlig die zuckenden Leiber. Völlig entkräftet und erhitzt von unbändiger, zügelloser Wollust, ließ sie sich entspannt und sanft auf den heißen Körper ihres Liebhabers nieder.
Sie wusste, dass er sie anbetete, mehr noch als den, zu dessen Anbetung er auserkoren war. Denn der Mann liebte den Sinnestaumel und die höchst unmoralischen Exzesse auf das Äußerste. Die edlen Gesichtszüge des Weibes, die Leidenschaft eines ungezähmten Willens und die Anmut eines Körpers, der verwunschene Exotik stolz und verführerisch darbot, berauschten ihn. Zarte Lippen, feurige Augen und atemberaubend hügelige Landschaften brachten ihn dem Wahnsinn nahe. Die Frau war benedeit unter den Weibern, eine atheistische Teufelin. Und die orgastische Verschmelzung mit ihr war das Verderben – ein Spiel mit dem Feuer, die alles verschlingende Verführung des priesterlichen Christen durch die dämonische Antichristin.
»Du bist eine Hexe, höllisch gut, die göttliche Sünde in Person. Ich bin verrückt nach dir«, keuchte der Mann, völlig ausgepumpt und ermattet, aber voll wohliger Glückseligkeit und begierigem Verlangen.
»Ich weiß. Ist es nicht das Verbotene, das dich so fasziniert? Der keusche Priester und das lasterhafte Weib! Wenn deine liebreizenden Schäflein nur wüssten, wie wild der Hirte es mit der Teufelin treibt.« Leise streichelten ihre Worte zärtlich seine Ohrmuschel.
Ihr spöttisches Lachen, die kokette Bewegung des Kopfes, bei der die langen, pechschwarzen Haare schwungvoll zur Seite wirbelten, und die sich gierigen Blicken darbietenden vollen Brüste stachelten ihn nur noch mehr an. »Ich gebe alles auf, mein Amt, mein Gelübde. Du bist meine Bestimmung, du bist die Vollendung meines Glücks. Dir soll mein Eidesschwur gelten«, sprudelte es inbrünstig und mit schwüler Leidenschaft aus ihm heraus.
»Und doch warst du nicht immer bei der Sache. Glaube nur nicht, ich hätte es nicht gespürt.« Fast unmerklich bekam die Stimme der Frau etwas sonderbar Bedrohliches. »Wo gingen deine Gedanken spazieren, als ich dich forderte? Ich dulde keinen Gott neben mir, will deine bedingungslose Hingabe. Dein Pathos kannst du dir sparen.«
Da der Mann die Schärfe des Untertons bemerkte, erschien es ihm treulos, ja sogar unrein, jetzt weiter in ekstatischem Überschwang zu verweilen. Aber die Wahrheit, die er nun der Teufelin anvertrauen wollte, würde sie beide nur noch mehr in überirdischer Liebe verbinden: »Er war einfach weg. Auf und davon mit einer wunderschönen Gefährtin.«
»Wer war weg und mit was für einer Frau?« Ungläubig starrte die Reiterin den stammelnden Priester an.
»Er benahm sich völlig durchgedreht, faselte geheimnisvoll von einem Bündnis zwischen Gott und dem Teufel … dann ist er weggebraust, in einem roten Spider.«
»Wo hast du ihn getroffen? In der Kirche?« Die Frau packte den Priester zornig bei den Schultern, ihre Stimme wurde lauter. »Schau mich an, was genau ist passiert?«
Aber der Priester, eben noch willfähriger Sklave, reagierte nicht mehr auf sie. Völlig weggetreten, das Unglaubliche aus dem Beichtstuhl im Innersten erneut vernehmend, sprach er apathisch: »Die Welt wird untergehen. Sie wollen das Vermächtnis vernichten, die Heimstatt der Liebe ist in Gefahr.« Seine Worte klangen wirr und zerfahren, scheinbar ohne jeden Zusammenhang. Er bemerkte nicht, wie sich die Miene seiner dämonischen Gespielin verdunkelte. Eben noch in maßlosem Unglauben, wusste sie mit einem Male, wovon er sprach. Sie erfasste sofort die ungeheure Bedrohung und erkannte, dass sie handeln musste – jetzt.
»War ich zu anstrengend, mein Geliebter? Beruhige dich.« Voller Hingabe umspielten die harten Knospen ihrer Brüste seine weichen Lippen.
Dankbar nahm sein Mund das sinnliche Geschenk an. Unstillbar berauscht liebkoste er die Raffinesse teuflischer Weiblichkeit. Vier, fünf entzückende Sekunden absoluter Wonne, dann schlief er ein, durchtränkt von wohliger Seligkeit.
Rasch zog sich die Frau den schwarzen, priesterlich geweihten Morgenmantel aus feinem Satin über. Die edle Seide des Kimonos umschmeichelte den braun gebrannten Körper. Für einen kurzen, flüchtigen Augenblick umgab sie ein wohliges Gefühl, das jedoch nur allzu schnell einem heraufziehenden, gefährlichen Unbehagen wich. Sie konnte die Bedrohung körperlich spüren, während sie die Geheimnummer in ein luxuriöses, zeitlos schönes Designerhandy eintippte. »Er war hier. Er hat geplaudert. Er ist auf dem Weg«, hauchte sie, als sich nach dem Freizeichen am anderen Ende eine vertraute, männliche Stimme meldete.
»Bist du sicher?«
»Ja, er hat es mir erzählt.«
»Er hat es dir erzählt? Du hast ihn getroffen?« Der andere schien vollkommen überrascht.
»Nein, nicht er, der Priester!«
»Welcher Priester?« Der Mann verstand nicht, wurde ungeduldig, die Zeit verrann.
»Mein Liebhaber.« Sie kannte keine Scheu oder Scham vor ihrem Gesprächspartner. »Er hat ihm wohl die Beichte abgenommen. Womöglich ist es der Mann, den wir suchen.«
Die nächste Frage erfolgte präziser: »Wie ist er unterwegs, alleine?«
»Der Priester sprach wirr, erst von einer wunderschönen Gefährtin und dann von einem roten Spider. Ich denke, ihr müsst euch beeilen.«
Der Mann verstand. Er zweifelte nicht, dass es sich genau um die Person handelte, die sie seit Tagen verfolgten, dessen Spur sich jedoch in der abendlichen Dämmerung verlor. Unverzeihlich – aber jetzt bekamen sie eine zweite Chance. Der Mann zögerte nicht, befragte die Anruferin nach deren genauem Standort und erteilte sogleich unmissverständliche Befehle. Die Brutalität der Worte zog der Frau den Boden unter den Füßen weg, sie taumelte. Das Telefon glitt aus den schmalen Fingern und fiel scheppernd auf den Fußboden aus gewachstem Eichenparkett. Die Frau war leichenblass. Ihr Atem stockte; für einen Moment glaubte sie, das Herz stünde still. Ohnmächtig von den Qualen des zu erfüllenden Auftrags sackte sie in sich zusammen.
Als die Frau aus der kurzen Ohnmacht aufwachte, schlief der geliebte Priester immer noch in dem mit Bauernmalereien reich verzierten Landhausbett. Die Schlafstatt verkörperte das gemeinsame, wohlige Liebesnest – vom ersten Tage an, als sie sich vor zwei Wochen scheinbar zufällig begegneten. So sehr der Mann Gottes anfänglich auch zögerte, so schnell erlag er doch ihren unwiderstehlichen Verführungskünsten. Rasch schleiften die weiblichen Reize das wankende Bollwerk priesterlicher Überzeugung bis auf die Grundmauern und nur zu gerne ergab sich der Mann in sein Schicksal. Nach Jahren der Entbehrung kam ihm die Eroberung wie ein Geschenk des Himmels vor – wissend, dass er keine göttliche Gnade mehr erwarten durfte. Das Teufelsweib forderte von ihm bedingungslose Unterwerfung und maßlose Hingabe. Und wie bei einem über Jahrzehnte schlummernden Vulkan traf eine explosive Eruption mit voller Wucht auf die reife Frucht der Lust, ergoss sich sein Magma in ihrem höllischen Schoss.
Aber nun lief die Zeit ab. Es gab kein Entrinnen. Widerstand wurde nicht geduldet. Die Frau hatte Treue gelobt. Sie war die brave Dienerin ihres Volkes. Verschämt wischte sie eine Träne aus den Augenwinkeln. Für einen Moment schien es, als verwandle sich die Träne in ihren Händen zu einer kostbaren Perle von geheimnisvoller und zeitloser Schönheit, um dann aber doch zu zerfließen in ein leeres, bedeutungsloses Nichts. Sie musste es tun. Die beiden aus geschliffenem Glas bestehenden kunstvollen Flakons, gefüllt mit Liebestropfen und einem aphrodisierend-betörenden Parfüm aus reinem, weißem Jasmin, verwahrte sie in einer rotbraunen Sattlertasche – gut geschützt in einem kleinen, mit Reisverschluss gesicherten und schwarzem Samt gepolsterten Nebenfach. Hier fand sich auch der eingewickelte Handschuh aus Latex, im Innern ausstaffiert mit natürlichen Seidenfasern. Sie wusste damit umzugehen. Sie hatte es im Lager gelernt.
Behutsam beugte sie sich über den immer noch wie ein unschuldiges Kind schlafenden Geliebten. Sie spürte seinen ruhigen, rhythmischen Atem. Sanft küssten warme Lippen erst die hohe Stirn, dann liebkosten sie schmeichelnd den leicht geöffneten Mund und knabberten vorsichtig am Hals entlang. Als der Mann langsam die Augen aufschlug und die Hände begehrlich nach dem Weib ausstreckte, wich sie ein wenig vom Bett zurück. Durch eine geschickte, anmutige Bewegung glitt der seidene Kimono fließend von ihrem makellosen, aufreizenden Körper. Sein Blick, noch leicht schlaftrunken vom verführerischen Zauber der Träume, ergriff begierig jedes paradiesische Detail. Betört vom hypnotischen, süßen Duft des Jasmins enteilten sogleich die überflutenden Reize wonnevoll zu seiner majestätischen Heiligkeit. Die Frau trug das Parfum geschickt auf den Innenseiten der Handflächen und dem ebenmäßig geformten Hals; gerade dort, wo das Blut wilder und intensiver als anderswo in den Adern pulsierte. Jetzt konnte auch die Heiligkeit den teuflischen Verlockungen des Weibes nicht mehr widerstehen und offenbarte erneut eine mannhafte Exzellenz.
»Soll ich dich verwöhnen?«, flötete das Weib.
»Ja, komm.« Mehr flehend als fordernd entschwanden die Worte aus dem Mund des Priesters.
»Schließ die Augen, entspann dich«. Mit einem gewandten Schwung saß die Frau rittlings auf seinen Knien. Der Priester stöhnte leise auf, als seine Eminenz kurz die druckvolle Wärme ihrer Hand spürte. Jetzt wollte er alles. Leicht rhythmisch versuchte er noch mehr für sich einzufordern, doch die festen Schenkel der Frau signalisierten ihm sogleich die unerbittliche Herrschaft. Geschickt zog sie den rosafarbenen Handschuh über die rechte Hand, öffnete den Flakon mit den Liebestropfen und träufelte geübt ein wenig der kostbaren Essenz auf die entkleidete Herrlichkeit. Der Mann bäumte sich auf. Ein ekstatischer Aufschrei des Entzückens entwich seinem Innern, als er die flinken Fingerkuppen der Geliebten spürte, die wie selbstverständlich das teuflische Elixier in seine Haut massierten. Er keuchte. Den Mund weit aufgerissen, suchten die Hände Halt an des Weibes festen Brüsten. Völlig enthemmt genoss er das neue Liebesspiel. Mit zwei weiteren Höllentropfen heizte die Frau den himmlischen Sinnestaumel noch mehr an. Wie im Fieberwahn zuckte der aufs Höchste erregte, euphorisierte priesterliche Körper. Die unbändige Lust brannte wie das Fegefeuer der ewigen Verdammnis. Alle Sinne gierten nach der erlösenden Eruption, dem Höhepunkt der Berauschtheit.
Nur noch im Unterbewusstsein nahm der Mann wahr, wie die letzten beiden Köstlichkeiten der Liebe auf das Zentrum unendlicher Lust tröpfelten. Jetzt brachen alle Dämme. In einem urgewaltigen, zuvor von ihm nie erlebten, orgastischen Beben entlud sich die gesamte exzessive Leidenschaft der Seele. Die Explosion der Sinne brachte ihn zum Gipfel überirdischer Lust, ganz nah zu seinem Schöpfer, seinem Gott. Der Atem des Mannes ging schwer. Die Lungen bekamen kaum noch Sauerstoff, alles in ihm verkrampfte. Die Hände bohrten sich tief in das Fleisch der weiblichen Schenkel. Die Beine zuckten, wie von tausend Nadelstichen durchbohrt. Die Muskeln wollten aufbegehren. Mit letzter Willenskraft lehnte sich der Körper gegen die drohende Dunkelheit auf. Nur noch durch einen milchig nebligen Schleier konnte er schattenhaft die Umrisse eines Wesens erkennen, jetzt Beherrscher allen Seins. Nur noch diffus nahm er die eingebrannten, kunstvollen schwarzen Malereien auf dessen Rücken wahr, als sich das Wesen von ihm abwendete. Dann verlor er das Bewusstsein.
Die Frau, eben noch scheinbar willfährige Liebesdienerin, verdrängte den tief in der verletzten Seele sitzenden Schmerz. Ihre Hände zitterten. Fahrig breitete sie das durchwühlte Laken über den leblosen Körper; eilig beseitigte sie die verräterischen Spuren des diabolischen Tuns. Zum Abschied nehmen blieb keine Zeit. Rasch packte sie ihre Sachen zusammen. Niemand hatte sie gesehen, keiner kannte sie.
Bei sternenklarem Himmel warf der volle Mond ein helles Licht durch die sich im leichten Wind wiegenden Bäume auf das alte, aber wunderschön barocke Pfarrhaus. Dessen wilder, naturbelassener Garten schmiegte sich sanft in die hügelige Landschaft, deren blühende Wiesengräser einen frischen Duft verbreiteten. Die sommerlich warme, nächtliche Luft lud zum Verweilen ein. Augenblicke, wie für romantische Ewigkeiten gemacht, wenn nicht der kraftvolle Klang eines davonrasenden Motorrads gewesen wäre. Ganz in dunkelrotem Leder verschmolz der Fahrer mit der formvollendeten Ergonomie der hochmodernen, schwarz-weiß lackierten Maschine. Unter dem schweren, schwarzen Integralhelm versteckte sich die leidenschaftliche Anspannung im Gesicht. Noch einmal durchfeuerte die Hand druckvoll die Gänge der mit glänzendem Chrom ausgestatteten Höllenmaschine. Adrenalin pur entfuhr dem Körper, als dieser die Grenzbereiche der Technik auf der engen Landstraße auskostete. Es war der Ritt des Teufels.