Читать книгу Rosenwolke und die Formel der Welt - Cort Eckwind - Страница 17
11.
ОглавлениеDer Comisario schlürfte genüsslich an einem Milchkaffee, der wunderbar herbe Duftwogen von frisch gerösteten Bohnen verbreitete. Aber seine feine Spürnase nahm auch den schwachen, säuerlich bitteren Geruch von Mandeln und den süßen Duft von Jasmin wahr, dessen höchst ungewöhnliche Melange sich ganz sachte in den eichenen Holzbalken des alten Pfarrhauses eingenistet hatte. Bei Weitem nicht mehr so schwer und intensiv riechend wie noch vor drei Tagen, aber doch ausreichend genug, um jene schrecklichen Geschehnisse wieder lebendig werden zu lassen. Die Pfarrhelferin konnte ihr Grausen und die Fassungslosigkeit über das Erlebte, das Ungeheuerliche, das niemals für möglich Gehaltene nur mühsam verbergen. Sie gab sich alle Mühe, der Normalität wieder den gebührenden Platz im Alltag einzuräumen, aber der Comisario spürte, wie die Seele der Frau zitterte, er sah das Blut in den Adern pulsieren und das unaufhörliche Zucken der Nerven. Einem erneuten Gang in das höher gelegene Stockwerk des Pfarrhauses, dorthin, wo die Abscheulichkeit passierte, verweigerte sich die Frau aber – verständlicherweise.
Nun saßen sie also in der Küche. Es war ihr egal, ob der Mann sich Comisario nannte oder nicht, und ob er überhaupt Fragen stellen durfte. Sie wollte einfach nur reden und war froh, dass ein menschliches Wesen neben ihr an dem kleinen Küchentisch saß. Der Comisario hatte sich vorgenommen, behutsam und frei von Vorurteilen mit der Frau zu sprechen und nicht so, wie die Kollegen von der örtlichen Dienststelle. Denn die hatten bei der Untersuchung des Tatorts und der anschließenden Vernehmung der Pfarrhelferin ja offensichtlich nicht das aufgenommen, was der Wahrheit entsprach: eine Realität, die nicht wahr sein durfte, unvorstellbar für die Obrigkeit und unglaublich für diejenigen, die glaubten. Hexenwahn und Teufelszeug. Aber der Comisario beherrschte das polizeiliche Metier zu sehr, als dass er nicht davon überzeugt war, eine irdische Erklärung zu finden – fernab von Übersinnlichem und spiritistischen Glaubensfragen.
»Erzählen Sie mir ganz in Ruhe«, bahnte er das Gespräch schonend an. »Was genau haben Sie gesehen oder gehört?«
»Des Nachts war ein Höllenlärm«, antwortete die Frau, zunächst ein wenig schüchtern, um dann aber mit dem Unterton der Entrüstung sogleich fortzufahren: »Es hat mich aus dem Schlaf gerissen.« Ihre Augen blitzten. »Und ich schlafe für gewöhnlich tief und fest.«
»Sie wohnen auch hier im Pfarrhaus?«, fragte der Comisario neugierig.
Die Frau bekreuzigte sich hastig. »Gott behüte, nein. Ich wohne alleine in dem kleinen Bauernhaus an der Weggabelung.« Sie deutete mit der Hand aus dem Küchenfenster. »Sehen Sie? Dort, wo der kleine Pfad in die Landstraße mündet.«
»Haben Sie eine Ahnung, wer den Krach verursacht hat?« Der Comisario blieb bei der geduldigen Vorgehensweise.
»Der Teufel, auf seiner Höllenmaschine.« Wieder bekreuzigte sich die Frau. Dreimal, so als stünde der Leibhaftige direkt vor ihr.
Verständnisvoll nahm der Comisario die Hand der Frau und streichelte beruhigend über die faltigen Innenflächen. »Sie brauchen keine Angst mehr zu haben, der Teufel ist weg.« Ganz bewusst nahm er ihre Anmutungen in seine Worte auf. »Haben Sie ihn gesehen …«, er stockte, als fürchte er sich, das Unaussprechliche in Worte zu fassen. »Ich meine, haben Sie den Teufel leibhaftig gesehen?«
»Nur noch in der Ferne, ein Lichtkegel, der sich immer schneller fortbewegte. Es war diese Teufelin, das schwöre ich bei allen Erzengeln des Herrn.« In den Augen der Frau paarte sich blankes Entsetzten mit purer Abscheu. »Sie hat ihn verführt.«
»Welche Teufelin?«, hakte der Comisario nach. »Können Sie mir etwas über die Gestalt der Person sagen?«
»Es war keine Person …«, fauchte die Pfarrhelferin, »sondern dieses verkommene Weibsbild, das vor zwei Wochen wie aus dem Nichts hier aufgetaucht ist. Sie bedeutete sein Verderben.«
»Die Frau, was hat sie hier gewollt?«, fragte der Comisario.
»Sie hat viele Fragen gestellt und rumgeschnüffelt.« Der Pfarrhelferin stand die Feindseligkeit ins Gesicht geschrieben.
»Eine Detektivin? Können Sie die Frau beschreiben? Wie alt ist sie?« Der Tonfall des Comisarios wurde ein wenig amtlich.
»Ich weiß nicht, sie stammt nicht von hier, sie sah so fremdländisch aus: groß, schlank, lange schwarze Haare … und vielleicht Ende zwanzig.« Die Pfarrhelferin fuchtelte wild mit den Händen. »Sie trug immer einen knallroten Lederanzug, eine Teufelin eben, braun gebrannt.«
»Eine Lederkombi«, rief der Comisario erstaunt aus und pfiff kurz durch die Zähne. »Fuhr sie mit einem Motorrad?«
»Ja, sag ich doch«, raunzte die Frau. »Die Höllenmaschine des Teufels.« Wieder bekreuzigte sie sich umgehend. Der Comisario spürte, dass es sinnlos war, die Frau nach Nummernschild, Motorradtyp oder Ähnlichem zu fragen – schließlich gab es so etwas in der Hölle nicht. Er konnte ein leichtes Schmunzeln nicht unterdrücken, wurde dann aber sogleich wieder sachlich: »Was wollte die Frau denn wissen?«
»Sie hat so viele Fragen gestellt, nach unserem Würdenträger«, antworte die Pfarrhelferin, die davon ausging, alle Welt müsse diesen kennen. Umso erstaunter blickte sie, als der Comisario nachfragte. Daraufhin erzählte sie ihm mit heiserer Stimme: »Er ist hier geboren, hat hier gelebt, deshalb wollte das teuflische Weib auch alles über ihn von unserem guten Herrn Pfarrer wissen. Gott sei seiner Seele gnädig.« Die Frau schaute andächtig zur Decke, so als könne der liebe Gott sie jetzt besser sehen. »Er hat die Anstellung als Pfarrer doch erst bekommen, als unser Hochwürden schon Jahre fort war.«
»Wo ist er denn hingegangen, der Würdenträger«, fragte der Comisario neugierig.
»Zum Heiligen Stuhl.« Die Pfarrhelferin strahlte. Sie sprach mit Stolz im Herzen über den berühmten Sohn des Dorfes. »Ganz weit nach oben, weil er doch so gewandt mit den Sprachen umging.«
»Oha«, entfuhr es dem Comisario. Langsam, ganz langsam kroch ein fürchterlicher Verdacht in ihm hoch. »Sie haben ihn gekannt?« Die Frage schnürte ihm fast die Kehle zu.
»Natürlich, er hat doch hier im Dorf gewohnt. Jeden Tag schließe ich ihn in meine Gebete ein.«
Hat ihn auch nicht davor bewahrt, diesen grausamen Tod am Kreuz zu sterben , dachte der Comisario. Aber warum nur? Wo lag das Motiv? Was suchte ein hoher Beamter der Kurie in der tiefsten Provinz, ganz ohne Begleitung, und noch dazu mit einem roten Spider? »Hat Ihr verehrter Würdenträger Verwandte hier?«, wollte der Comisario daraufhin von der Frau wissen, kam sich aber vor, als stocherten seine Fragen im Nebel.
»Genau das hat das Teufelsweib unseren Pfarrer auch gefragt«, giftete die Pfarrhelferin. Ihre Wangen röteten sich vor Erregung, so wie es normalerweise nur geschah, wenn sie ein oder zwei Gläschen Wein getrunken hatte. »Sie wollte wissen, wen Hochwürden hier alles kennt, ob er Verwandte oder Freunde hat, ob er öfters hierhin zu Besuch kommt – und in das Kirchenbuch wollte sie auch schauen, wohl wegen der Ahnen und entfernten Verwandten.«
»Haben Sie ihr das Buch gegeben?«, unterbrach der Comisario den Redefluss der Frau, die ihm sogleich entrüstet antwortete: »Gott behüte, ich werde den Leibhaftigen doch nicht in unser heiliges Kirchenbuch schauen lassen.«
»Und … gibt es denn Verwandte, die Hochwürden öfters besucht?«, hakte der Comisario nochmals nach. »Und wissen Sie, ob er gerne Auto fährt?«
»Naja, das mit dem Auto war schon immer eine Vorliebe von ihm. Ich kann mich noch genau daran erinnern. Es fing bei ihm bereits als junger Mann an, noch bevor er zum Priester geweiht wurde. Er war verrückt nach so sportlichen Dingern.« Ganz unmerklich kräuselte sich eine kleine Vorwurfsfalte im Gesicht der Frau. »Und später, wenn er mal Probleme hatte, ist er oft ziellos durch die Täler gefahren, einfach so.«
»Und … macht er es jetzt auch noch?«, wollte der Comisario wissen. Seine Stimme drückte ein wenig Ungeduld aus.
»Oh, ich weiß nicht. Seit seine Schwester vor Jahren verstarb, ist er nicht mehr hier im Ort gewesen.« Aus den Augen der Frau blickte ein Schwall von Traurigkeit. »Und andere Verwandte gibt es nicht. Ich bin die einzige Lebende, die er von früher kennt.«
Augenscheinlich hatte die Frau noch nichts von der Kreuzigung gehört … und vermutlich wäre sie auch tot, hätte sie der kirchliche Würdenträger an dem fraglichen Tag besucht, mutmaßte der Comisario. Vielleicht hatte der Mann Kontakt zum Pfarrer aufgenommen? Die Stirn des Comisarios runzelte sich zu tiefen Ackerfurchen, wie immer, wenn er angestrengt nachdachte: Warum sollten die beiden Männer sich getroffen haben? Möglicherweise zufällig? Und warum waren jetzt beide tot? Und wer war die fremdländische Frau, die rote Teufelin, die womöglich den Pfarrer ermordet hatte? »Der Pfarrer und diese rote Teufelin«, der Comisario verzog den Mund zu einem gequälten Lachen, »waren die irgendwie …«, er bemühte sich, die richtigen Worte zu finden. »Ich meine, äh, irgendwie miteinander befreundet? War sie öfters hier?«
»Öfters?« Die Pfarrhelferin schrie erbost auf, während ihre Faust vor Zorn auf den Tisch donnerte – so heftig, dass die Untertassen des Kaffees anfingen zu tanzen. »Jeden Tag. Sie hat ihn verhext. Ich hab es dem Herrn Pfarrer gesagt, aber er wollte nichts davon wissen, hat mich einfach immer weggeschickt.«
»War sie, äh …«, jetzt wurde es dem Comisario peinlich, »… blieb sie manchmal auch nachts?«
»Nachts?« Die Stimme der Frau wurde hysterisch. »Sie wollen das wirklich wissen?« Ein ungläubiger Blick streifte den Comisario. Und als sie sein Kopfnicken vermerkte, fuhr sie keifend fort: »Sie war nur des Nachts bei ihm. Sie hat ihn verführt, seiner Seele beraubt. Der arme Herr Pfarrer.« Dicke Tränen kullerten über ihr wie im Feuersturm glühendes Gesicht. »Er war ein so guter Mensch und jetzt ist er tot.«
»Sie meinen die fremde Frau hat hier übernachtet?« Der Comisario fand einfach nicht die passenden Worte, um seine Gedankengänge offen auszusprechen.
Die Pfarrhelferin sah ihn mitleidig an, so als wolle sie nicht glauben, dass er ein derart stattlicher, lebenserfahrener Mann solch dumme Fragen stellen konnte: »Die Teufelin war nackt, ich hab es mit eigenen Augen gesehen.«
»Nackt?« Den Comisario verblüffte die klare Aussprache der Frau. Er kam sich ein wenig dämlich vor, so ausgiebig um den heißen Brei gefragt zu haben. »Sie haben die beiden beobachtet?«
»Nur einmal …«, die Schamesröte im Gesicht der Frau glühte in vollster Blüte. »Aber nur zufällig«, fügte sie schnell entschuldigend hinzu. »Ach ja, und dann hatte das Weib noch diese schwarzen Kritzeleien auf dem Rücken, direkt unter dem rechten Schulterblatt.«
»Was für Kritzeleien?«, fragte der Comisario ein wenig belustigt.
»Teufelszeichen. Wie Drachenköpfe.«
Der Comisario beließ es bei der Antwort, es erschien ihm sinnlos, nachzufassen. »Hat Ihnen der Pfarrer gesagt, wer die Frau ist?«
»Nein«, die Antwort der Pfarrhelferin hörte sich zutiefst traurig an. »Er hat so getan, als sei alles wie immer. Und seine nächtlichen Eskapaden schwieg er einfach tot.«
»Glauben Sie, dass der Herr Pfarrer für das lasterhafte Tun in der Hölle schmoren muss?« Der Comisario konnte sich die böse Frage nicht verkneifen.
»Nein«, antwortete die Frau, ohne zu zögern. Sie nahm die Frage vollkommen ernst. »Nein, aber das Teufelsweib wird dafür büßen. Ich bete jeden Tag dafür, dass die Qualen der Hölle ein Geschenk des Himmels sind, im Vergleich zu dem, was mit diesem Teufelsweib geschehen möge.« Ihre Miene verzog sich zu einer hasserfüllten Fratze.
Es war schon später Nachmittag, als der Comisario das barocke Pfarrhaus wieder verließ. Er wusste genug. Für ihn standen die beiden Morde jetzt mehr denn je im Zusammenhang mit … Ja, mit was eigentlich? Er grübelte, während er den von Blumenbeeten gesäumten Kiesweg entlang schritt. Das Bindeglied fehlt, überlegte er, korrigierte sich dann aber: Nein, zwei Bindeglieder kennen wir schon: die geheimnisvolle Teufelsfrau und der christliche Glaube der beiden Toten. Aber verdammt, es muss noch mehr geben. Für einen Augenblick zog er in Erwägung, dem Lauscher die neuesten Erkenntnisse mitzuteilen, entschied dann aber, es nicht zu tun.
Der schrille Piepton seines Smartphones erlöste den Comisario aus fürchterlichen Albträumen: Teuflische Monster rangen mit leichenblassen Priestern vor den Toren zur Hölle. Blutrünstigen Hexen, die sich mit knatternden Motorrädern wie auf Besenstielen durch die Lüfte schwangen, jagten unschuldige Pfarrschwestern, bis diese vor Erschöpfung tot zusammenbrachen. Fremdländische Wesen mit riesigen, apokalyptischen Schriftzeichen auf dem Rücken, vereinigten sich in wilder Lust mit jungfräulichen Novizen, jenen Neulingen, die sich auf ihr göttliches Gelübde vorbereiteten.
Der Comisario war nass geschwitzt. Die Uhr zeigte schon nach Mitternacht. Am anderen Ende der Leitung hörte er eine aufgeregte Frauenstimme, deren mit süßem Akzent versehene Worte sich in seiner Muttersprache überschlugen: »Comisario, sind Sie es?«
Der angstvolle Tonfall ließ ihn auf der Stelle hellwach werden. »Ja.«
»Hier ist …«
»Die Freibeuterin, ich weiß.« Seine Fähigkeit, Stimmen wiederzuerkennen und diese blind dem Bildnis einer bestimmten Person zuzuordnen, ließ ihn auch diesmal nicht im Stich.
Er erinnerte sich gut an jene Ereignisse vor einem Jahr, als wagemutige Schatzsucher zwei Leichen in einem alten Wrack vor der heimatlichen Küste fanden. Die Toten interessierten ihn damals nur beruflich, reine Routine. Langweilig für einen Comisario der Großstadt. Viel mehr faszinierten ihn aber die attraktive Frau und deren Leidenschaft für die Weltmeere, das Tauchen und ihre Geschichten von versunkenen Schiffen mit unermesslichen Schätzen: solche von plündernden Wikingern und erobernden Römern, von großen Seefahrern des Mittelalters und blutrünstigen Freibeuter. Und alle Schiffe voll beladen: hier mit Edelsteinen, gusseisernen Kanonen und Kisten voll Gold, dort mit kostbarem Schmuck, edlem Porzellan und feinsten Gewürzen aus Fernost. Reiche Ladung, scheinbar versunken für die Ewigkeit, wachgeküsst von wagemutigen Abenteurern, die in ihrer Freizeit nach im Meeresboden versandeter Beute suchten. Und jetzt fiel ihm auch wieder das Wortspiel ein, das seinerzeit so passend schien: Freizeit und Beute. Deshalb nannte er die Frau einfach Freibeuterin. Er fand, es stand ihr gut.
»Was ist passiert?« Sein messerscharfer Verstand gelangte allmählich auf Betriebstemperatur. Er konnte sich denken, dass die Frau, deren Zittern selbst durch die Weiten des Universums herauszuhören war, ihn nur deshalb um Mitternacht anrief, weil sie dringend Hilfe brauchte.
»Ich werde verfolgt. Man hat versucht, mich umzubringen.« Die Aussprache der Worte, der unruhige Atem – alles deutete darauf hin, dass die Frau panische Angst verspürte. »Ich weiß nicht, an wen ich mich wenden soll. Ich vertraue niemandem mehr, außer Ihnen. Der Priester war ja auch nicht echt.«
Schon wieder ein Priester , durchzuckte es den Comisario glühend heiß. Der Albtraum kam zurück, nur viel lebendiger als je zuvor. »Wo sind Sie?«, fragte er, das Schaudern der Frau in den Händen spürend.
»Ich habe Angst, fürchterliche Angst. Vielleicht hört uns jemand.« Die Frau keuchte. »Ich bin in der Stadt der Eisernen Dame, Sie verstehen?
»Der Eisernen Lady?« Der Comisario versuchte Zeit zu gewinnen, seine grauen Zellen arbeiteten pausenlos.
»Nein, nicht Lady, sondern Dame. La Dame, verstehen Sie?« Ihre Stimme klang verzweifelt.
»Ja, jetzt habe ich es. Lassen Sie mich überlegen.« Für ein paar ewig lange Sekunden vernahm die Freibeuterin nur das orbitale Rauschen und Knistern, dann sprach der Comisario wieder, fest entschlossen: »Wir könnten uns treffen, auf halber Strecke sozusagen, morgen Mittag an der Kathedrale in … einen Moment.« Er suchte nach einem sicheren Begriff: »… in der Silberburg, wissen Sie, was ich meine? Wäre das möglich?«
»Sie meinen die Burg an der …?«, fragte die Stimme am anderen Ende der Leitung erleichtert. Doch schnell unterbrach sie der Comisario: »Pssst, still, ja genau die meine ich.« Zufrieden lächelnd schweiften seine Gedanken für einen kurzen Moment hin zu Land und Leuten. Er liebte deren melodische Sprache und sinnlichen Wortschatz, genauso wie er ein glühender Verehrer ihrer großartigen, mittelalterlichen Gotteshäuser war.
»Okay, das schaffe ich, danke, danke.« Die Frau klang erleichtert. »Nur …«
»Nur was?«
»Sie müssten mich wecken, so um acht?«, fragte die Freibeuterin verlegen.
»Und wie das?«
»Schicken Sie mir einfach eine SMS, den Rest machen die Möwen.«
»Die Möwen?« Der Comisario konnte seine Verwunderung nicht verbergen.
»Ja, schon, das erzähle ich Ihnen später.«
»Na schön, passen Sie auf sich auf.«
»Klar doch«, sagte die Freibeuterin, auch wenn es wenig überzeugend durch den Äther schwang. Dann legte sie auf.
Es knackte in der Leitung. Der Comisario wischte sich zwei kleine Schweißperlen von der Stirn. Die Welt geriet aus den Fugen als nahe die Apokalypse, als griffen die Mächte der Finsternis nach der Herrschaft des Lichts. Vielleicht hat die Pfarrhelferin doch recht, dachte er schaudernd.