Читать книгу Und dann kam das Wasser - Dagmar Isabell Schmidbauer - Страница 15

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Dicht aneinandergedrängt standen die beiden Kommissare kurz darauf unter einem verwitterten Plastikvordach und warteten darauf, dass jemand auf ihr Klingeln reagierte. Rechtsanwalt Mooslechners Haus lag in der alten Villengegend rund um das Klinikum, jedoch weit genug vom Inn entfernt, um nicht wie die Häuser der Altstadt, wo im Übrigen auch seine Kanzlei lag, baden zu gehen. Neben dem Haus gab es eine Doppelgarage, deren Tore geschlossen waren, und dahinter erstreckte sich vermutlich ein weitläufiger Garten.

„Immerhin kommt der Regen hier nur von oben“, versuchte Franziska die Situation mit einem Scherz aufzulockern und drückte erneut und auch etwas länger auf den in die Hauswand eingelassenen Klingelknopf.

Die Fassade des Hauses war so grau wie das Wetter, Fenster und Türen hätten dringend einen neuen Anstrich vertragen, obwohl der Gesamteindruck nicht ungepflegt wirkte, sondern einfach nur altmodisch. Vor den Fenstern hingen dichte Spitzengardinen, die keinen Blick ins Innere des Hauses gestatteten.

Endlich öffnete eine dunkelhaarige Frau Mitte dreißig mit einer figurbetonenden Schürze um die Mitte und Resten von Mehl im Gesicht. „Ja?“

„Guten Tag, mein Name ist Steinbacher, und das ist mein Kollege Hollermann. Wir sind von der Kripo Passau.“

Die Frau verzog das Gesicht und wedelte mit den mit Teigresten verschmierten Händen, die sie wie ein Chirurg in die Höhe hielt. „Das jetzt ganz schlecht“, sagte sie mit starkem osteuropäischem Akzent.

„Wir sind vom Morddezernat“, setzte Franziska nach. „Wir würden gerne mit Herrn Mooslechner sprechen.“

„Nix möglich.“

„Aha. Nun …“ Franziska atmete tief durch und sagte dann: „Wie ist bitte Ihr Name?“

Die Frau sah sie skeptisch an und sagte dann: „Macarescu.“

„Frau Macarescu, dürfen wir vielleicht kurz reinkommen?“ Die Kommissarin zeigte mit einer unbestimmten Handbewegung in Richtung des Regens, dass es hier draußen ein bisschen ungemütlich war. Dann zog sie ihren Dienstausweis aus der Tasche und hielt ihn der Frau unter die Nase. Mit einem Seitenblick gab sie Hannes zu verstehen dasselbe zu tun.

Ohne auf Franziskas Bitte einzugehen, studierte Frau Macarescu mit zusammengekniffenen Augen beide Ausweise und fragte dann schroff: „Was Sie wollen?“

„Wir müssen mit Herrn Mooslechner sprechen“, erklärte Hannes. „Es ist dringend.“

„Tut mir leid, Herr Viktor nix zu Hause.“ Abweisend stellte sie sich in die Haustür.

„Aber dann können Sie uns doch bestimmt sagen, wo wir ihn finden können?“, hakte Franziska munter nach. Sie hatte nicht vor, sich so ohne Weiteres abservieren zu lassen.

„Ich nix wissen, ich nur Putzfrau.“

„Hat er denn nicht gesagt, wohin er geht?“

„Nein. Nix sagen.“

„Hören Sie, Frau Macarescu, es ist wirklich sehr dringend“, versuchte es Hannes noch einmal.

„Tut mir leid, aber ich nix helfen können“, antwortete die Putzfrau bestimmt, und als im gleichen Moment eine krächzende Stimme aus den Tiefen des Hauses nach ihr rief, ergänzte sie hastig: „Ich jetzt kümmern um alte Herrn Mooslechner. Auf Wiedersehen.“

Danach drückte sie die Tür unsanft ins Schloss und ließ die abgewiesenen Besucher verdutzt im Regen stehen.

„Was war das denn?“ Hannes fasste sich als Erster.

„Ihr gutes Recht“, erklärte Franziska und holte aus ihrem Notizbuch einen Vordruck für eine Vorladung, die sie mit den persönlichen Angaben des Anwalts ergänzte und in den Briefkasten warf. „Na komm, mehr können wir nicht tun.“

Nachdem sie im trockenen Auto Zuflucht gefunden hatten, fragte Hannes: „Und jetzt? In die Kanzlei? Vielleicht finden wir diesen Mooslechner ja da.“

„Nein. Das Büro ist in der Altstadt, da ist alles überflutet. Ich glaube, ich habe erst mal genug vom Wasser.“ Sie grinste.

„Wollen wir dann einfach mal bei einem von den Beinhubers vorbeifahren?“

Ganz in Gedanken vertieft, schrieb Franziska einige Stichwörter in ihr grünes Notizbuch, bevor sie es in die Tasche zurückschob. Dann schaltete sie den Scheibenwischer ein und sah ihm schweigend bei der monotonen Arbeit zu.

„Ja, gute Idee“, stellte sie auf einmal fest und blickte zu Hannes hinüber. „Aber zuerst muss ich mit Mona sprechen. Ich will wissen, ob meine Fotos was geworden sind.“ Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Hannes die Augen verdrehte, aber da hatte sie den Motor schon angelassen und die Handbremse gelöst.

Erst als sie eine Viertelstunde später auf dem Parkplatz der Inspektion anhielten, schob Franziska eine Erklärung nach. „Wie sollen wir denn eine vernünftige Befragung durchführen, wenn wir noch immer nicht wissen, wer der Tote ist und wann er getötet wurde?“

„Und wie willst du das ohne Leiche herausfinden?“

„Ich hoffe, Mona hat was rausgekriegt. Sonst wäre mein Tauchgang am Tatort ja vollkommen umsonst gewesen“, erklärte Franziska bemüht fröhlich und nahm die wenigen Meter bis zur Eingangstür der Inspektion im Laufschritt.

Hannes folgte ihr mit eingezogenem Kopf und rief ihr durch den immer noch strömenden Regen zu: „Ich glaube übrigens, dass er schon vor dem Hochwasser dort lag.“

Kaum im Trockenen, blieb die Kommissarin stehen und wartete voller Interesse, bis Hannes sie erreicht hatte. „Wie kommst du darauf?“

„Er war angezogen wie jemand, der mal eben Zigaretten holen geht, und nicht wie jemand, der sich auf so ein Wetter eingestellt hat.“ Hannes blickte an sich hinunter, und Franziska wusste sofort, was er meinte.

„Stimmt. Dann liegt er aber mindestens seit Donnerstag letzter Woche in dem Haus, vielleicht auch viel länger. Bei den Temperaturen, die wir in den letzten Wochen hatten, muss der Laden ein Kühlschrank gewesen sein.“

„Donnerstag?“, erkundigte sich Hannes.

„Ja, Donnerstag war es relativ trocken.“

Hannes guckte sie zweifelnd an. „Und das weiß du so genau?“

„Ich war da … ach egal. Auf jeden Fall brauchte man sich am Donnerstag nicht so regenfest anzuziehen.“ Franziska warf einen Blick auf die Armbanduhr und begann hektisch in ihrer Tasche zu wühlen, bis sie einen etwas mit genommenen Müsliriegel herausfischte. Ungeduldig riss sie die Verpackung auf und biss hinein.

„Wir müssen noch einmal mit der Feuerwehr sprechen“, sagte sie mit vollem Mund. „Ich muss wissen, wie lange die Sandsäcke dort schon liegen, und den Wetterbericht brauchen wir auch.“ Kauend blickte sie Hannes an. „Seltsam, es ist wie bei der Uhr. Man schaut drauf, aber wenn man kurz darauf gefragt wird, wie spät es ist, kann man sich nicht mehr dran erinnern. Mit dem Wetterbericht ist es ähnlich – am Abend vorher ist er wichtig, aber dann vergisst man ihn. Und dabei sollten wir Passauer es doch besser wissen.“

„Ach, du stammst aus Passau?“

„Nicht direkt, und bei Hochwasser hab ich immer einen großen Bogen um die Altstadt gemacht. Ich hab noch nie zu denen gehört, die zusehen, wie andere ihr Hab und Gut an die Fluten verlieren“, erklärte sie und steckte sich das letzte Stückchen des Riegels in den Mund.

„Na, immerhin weißt du jetzt, was es heißt, baden zu gehen.“ Hannes konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Haha.“ Die Kommissarin zerknüllte die Verpackung des Riegels, steckte das Papier in ihre Tasche und wandte sich zur Tür um. „Komm, vielleicht sehen wir ja was auf den Fotos, was wir am Tatort übersehen haben.“


Und dann kam das Wasser

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