Читать книгу Und dann kam das Wasser - Dagmar Isabell Schmidbauer - Страница 17
ОглавлениеJosch saß auf einer alten umgedrehten Holzkiste, die Beine fest in den Boden gestemmt, den trainierten Oberkörper nach vorn gebeugt. Er war mit einer Markenjeans und einem T-Shirt bekleidet, wie man sie im Westen kaufen konnte. An den Füßen trug er Turnschuhe, die nicht sauber, aber teuer waren. Zu Beginn eines jeden Tages lief er mehrere Runden und machte anschließend einige Klimmzüge in der kühlen Morgenluft. Es war ein gutes Gefühl. Sein Körper war stark, und er fühlte sich, als könnte er alles schaffen.
An diesem Morgen hatte er sich richtig ausgeschlafen und war nach seinem Fitnessprogramm erst einmal zum Imbiss gefahren, um sich ein anständiges Frühstück zu gönnen. Jetzt hielt er den ersten Burger in den Händen und stopfte ihn in sich hinein. Er schmeckte nichts. Erst als er den zweiten aus der Schachtel nahm, reagierten seine Geschmacksknospen und signalisierten, dass das Essen gut war. Echtes Rindfleisch, saftig und zart. Auch wenn er sich diese Köstlichkeit inzwischen öfter leisten konnte, war es jedes Mal etwas ganz Besonderes. Es war wie ein Ritual. Das Verschlingen der Burger war für ihn das Zeichen dafür, dass er es geschafft hatte.
Allerdings machte sich Josch über solche Dinge nie Gedanken. Seine Welt war einfach. Wenn er beim Essen war, dann wollte er seine Ruhe haben und nicht ständig denken müssen. Das musste dann warten. Es sei denn, er hatte einen Auftrag. Der ging zu jeder Zeit vor. Überhaupt war der Job für ihn das Wichtigste, denn nur durch ihn hatte er eine Chance, irgendwann einmal aus diesem Loch herauszukommen. Er grinste zufrieden, denn er wusste, dass er in dem, was er tat, gut war, sonst würde er ja gar keine Aufträge bekommen.
Als auch der zweite Burger verspeist war, leckte er sich der Reihe nach den Fleischsaft von den Fingern. Dann erst stand er auf, warf die Burgerschachtel in eine Ecke der Halle, die ihm als Unterschlupf diente, und lief ein paar Schritte, um sein Lager zu inspizieren. Bis zum Abend wollte er aufräumen und sauber machen − Aufgaben, die zu seinem Job gehörten, auch wenn sie ihn langweilten. In der vergangenen Woche war er viel unterwegs gewesen, um neue Ware zu ordern. Er war jetzt Einkäufer. Beim Gedanken daran, wie wichtig er dadurch geworden war, huschte ein entwaffnendes Lächeln über sein gebräuntes Gesicht. Es war sein Markenzeichen, etwas, das ihm Türen öffnete und half, wenn er unterwegs war.
Am Anfang hatte er sich und seine Fähigkeiten noch nicht richtig einschätzen können, und da war ihm auch mal ein Geschäft durch die Lappen gegangen, aber jetzt – er lachte selbstgefällig – war er richtig gut geworden. Heute konnte er problemlos gute und sehr gute Ware voneinander unterscheiden. Und schlechte Ware kam ihm schon gar nicht mehr ins Lager. Schlechte Ware bedeutete nur Ärger, und wer ständig Ärger hatte, gehörte zu den Verlierern. Das hatte er früh lernen müssen.
Über sein Leben hatte er sich noch nie beschwert, brachte ja doch nichts. Man kriegt, was man verdient, hatten sie ihm früher immer gesagt, und er hatte als Konsequenz daraus gezogen, dass man sich dann einfach nehmen musste, was man haben wollte.