Читать книгу Und dann kam das Wasser - Dagmar Isabell Schmidbauer - Страница 16

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„Gut, dass du dein Geld nicht als Fotografin verdienen musst“, begrüßte Mona die Kollegin, lächelte sie dabei aber freundlich an.

„Ich will ja nicht undankbar sein, immerhin hast du mir deine Sportsachen geliehen, aber selbst du hättest in dem überschwemmten Ladenlokal ziemlich schnell den Überblick verloren“, revanchierte sich Franziska und lachte ebenfalls.

„Ich hätte tatsächlich nicht mit dir tauschen wollen“, erwiderte Mona, als sich Hannes ins Gespräch einmischte.

„Was ist denn jetzt mit den Fotos?“, drängelte er.

Die Kriminaltechnikerin stellte den Beamer an und klickte im Computerprogramm auf das erste Bild, das prompt auf der gegenüberliegenden Wand erschien. „Hier sehen wir die noch verpackte Leiche, wobei weder der Müllsack noch das Klebeband besondere Hinweise liefern.“

Mona klickte schon auf das nächste Foto, als Hannes einwarf: „Seltsam, dass die Leiche überhaupt eingepackt wurde.“

„Stimmt. Zuerst dachte ich, der Mann sei lebend mit dem Klebeband gefesselt worden, aber seit ich dieses Foto gesehen habe“, sie zeigte das Bild, das entstanden war, nachdem Franziska den Sack aufgeschnitten hatte, „gehe ich davon aus, dass die Verpackung erst postmortal angebracht wurde.“ Sie klickte das nächste Foto an. „Nach einem so tiefen Halsschnitt spritzt das Blut, und da sein Hemd nicht besonders stark vom Blut getränkt wurde, gehe ich davon aus, dass er stehend verletzt wurde. Und zwar“, sie klickte erneut weiter, „hier.“ Das neue Foto zeigte den Tresen von vorn mit einer großen Menge heruntergelaufenen Blutes.

„Wahnsinn, auf dem Foto ist mehr zu sehen, als mir am Tatort aufgefallen ist“, wunderte sich Franziska, woraufhin sie von Mona belehrt wurde: „Na ja, ein bisschen nachhelfen musste ich mit der Bildbearbeitung schon, aber dann …“

„Der Blutspur zufolge hat der Täter den Ermordeten vor dem Verkaufstresen getötet, dann nach hinten geschleift und verpackt“, fasste Franziska zusammen.

„Also ein Täter, der überlegt und planmäßig vorgeht“, fügte Hannes hinzu.

„Ob planmäßig, weiß ich jetzt nicht.“ Mona klickte ein Foto weiter. „Die Müllsäcke lagen zumindest, wie hier schön zu sehen ist, im Regal auf der Rückseite des Tresens.“

Hannes folgte Monas Blick auf einen vergrößerten Ausschnitt auf den hinteren Bereich des Lagerraums und schüttelte den Kopf. „Das ist mir nicht aufgefallen.“ Anerkennend sah er Mona an.

„Mir auch nicht“, gab Franziska zu, „deshalb hab ich ja wie verrückt fotografiert. Ich dachte, es wird schon was Brauchbares dabei sein.“

Mona nickte. „Seltsam finde ich auch diese Punkte auf der Wange des Toten. Eine merkwürdige Anordnung von Hautmalen, findet ihr nicht?“

Hannes ging näher an die Wand heran, um die vermeintlichen Hautmale besser betrachten zu können. „Könnte aber auch nur Dreck sein“, sagte er schließlich.

„Und wofür hältst du die Verletzung an der Hand?“, fragte Mona an Hannes gerichtet.

„Tja“, er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht wurde er ja gefoltert.“

„Ich weiß nicht.“ Mona schien unschlüssig. „Für mich sieht das mehr nach einer postmortalen Verletzung aus. Wie wenn jemand eine große Gewebeprobe genommen hat.“

„Wofür?“

„Keine Ahnung, das ist euer Job.“

Als das nächste Bild kam, lachte Mona plötzlich herzlich: „Keine Ahnung, was der Künstler uns damit sagen wollte, aber hier hast du eindeutig den Boden fotografiert.“ Mona schüttelte den Kopf. „Eine lose Fliese. Soll wohl abstrakte Kunst sein.“

„Das war, als mich das eindringende Wasser umgerissen hat“, verteidigte sich die Kommissarin und fügte dann mit einem Lächeln hinzu: „Ich hätte aber gerne mal gesehen, wie du unter diesen Bedingungen professionelle Fotos gemacht hättest.“

„Der Mann wurde also vor dem Tresen angegriffen und tödlich verletzt. Danach wurde er nach hinten geschleift und verpackt“, überlegte Hannes laut und beendete damit das Geplänkel. „Dafür muss es einen Grund gegeben haben. Niemand verpackt eine Leiche so aufwendig, wenn er damit nicht ein Ziel verfolgt.“

„Was vor allem für einen Mann als Täter spricht.“ Franziska blickte von einem zum anderen. „Wie groß schätzt du den Toten?“ Sie sah Hannes an.

„Eins achtzig, eins neunzig, keine Ahnung. Aber ich weiß, was du meinst. Er wog mindestens achtzig Kilo, die verpackt man nicht so einfach, und damit eben auch nicht ohne Grund.“

„Ganz genau. Und damit wissen wir, dass es sich wohl um einen männlichen kräftigen Täter handelt. Eventuell sogar um zwei. Und die haben die Leiche verpackt, weil sie sie mitnehmen wollten.“ Franziska zuckte mit den Schultern. „Was nicht ging, weil …“

„Sie von irgendjemand gestört wurden“, schlug Hannes vor. „Weil jemand zum Beispiel vor der Ladentür Sandsäcke aufgeschichtet hat.“

„Wäre logisch. Sie lassen die Leiche zurück und verschwinden durchs Fenster – müssen sie, das war der einzige Weg nach draußen. Und sie hoffen, dass am Ende das Wasser alle Spuren verwischt.“

„Ich werde mit dem Einsatzleiter der Feuerwehr telefonieren“, kündigte Hannes an, aber Franziska verfolgte bereits einen anderen Gedanken.

„Der oder die Täter geben sich also viel Mühe, die Leiche zu verpacken. Und dann steigen sie aus dem kleinen Fenster und lassen es einladend offenstehen, damit die Feuerwehr unweigerlich darauf aufmerksam werden muss. Blöd, oder?“

„Ja, stimmt“, bemerkte Hannes. „Die beiden Feuerwehrmänner gaben an, sie seien nur hingegangen, weil das Fenster offenstand. Schneidlinger hat sie danach gefragt.“

Die Kommissarin nickte nachdenklich.

„Wirklich seltsam. Genauso wie die Sache mit der Gewebeprobe an der Hand.“

„Ja, denn wofür braucht man die Gewebeprobe einer Leiche?“, mischte sich Mona in die Spekulationen ein.

„Um zu beweisen, dass man den Richtigen getötet hat“, überlegte Hannes.

„Ein Auftragsmord? Aber hätte der Täter dann nicht zum Beispiel einen Finger abgeschnitten? Oder ein Ohr? Ich meine, so eine Gewebeprobe bringt doch nichts.“ Franziska hielt sich mit beiden Händen den Kopf, der ihr immer noch ein bisschen wehtat, seit der Deckenbalken auf sie gefallen war. Zu allem Überfluss wurde ihr von dem ganzen Stochern im Nebel auch noch schwindelig. „Also wissen wir jetzt, dass wir nichts wissen, außer dass es ein Mann war.“

„Sag das nicht. Wenn wir davon ausgehen, dass es auch mehrere gewesen sein könnten, dann kämen doch auch vier Frauen infrage“, gab Hannes zu bedenken.

„Du meinst, weil die Täter zu blöd waren, das Fenster zu schließen, müssen es Frauen gewesen sein?“, spottete Mona. „Wie nett.“


Und dann kam das Wasser

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