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12.

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„Hey Milk! Ich wollte mich nur kurz versichern, dass du noch österreichische Staatsbürgerin bist und dass es dir gut geht. Bitte melde dich kurz bei mir. Mache mir Sorgen.“

Sätze wie diese geisterten in seinem Kopf herum, doch Cord traute sich nicht, sie in reale, digitale Signaturen zu verwandeln. Was würde es nutzen? Sie würde sich melden, sobald sie konnte.

Die heißen Strahlen aus dem Duschkopf prasselten hemmungslos auf seinen Körper hinab. Nach einer Weile musste sich Cord zur Seite beugen, um einen tiefen Atemzug feuchtheißer Luft zu machen. Als er aus der Dusche stieg, war der Boden spiegelglatt. Jemand hatte seine Badematte zur Seite geschoben und Cord erinnerte sich vage daran, dass er es gewesen sein musste. Er hatte den kleinen Kasten zur Seite geschoben, um etwas dahinter hervorzuholen. Was, war ihm entfallen. Ein Rasierer? Seine Zahnbürste?

Das Display zeigte eine neue Nachricht und er wählte sie an.

„Hi Cord. Bist du ein guter Freund von Milk? Blöde Frage, sonst würdest du dir wohl kaum Sorgen machen. Ich bin Eva. Ich bin hier bei ihr im Krankenhaus und es geht ihr den Umständen entsprechend. Danke für deine Anteilnahme!“

Cords Hände zitterten. Krankenhaus. Weshalb? Menschen landeten ständig wegen irgendwelcher Dinge im Krankenhaus. Es war schlechthin unwahrscheinlich, dass sie dazu zuvor in jenem Wagon hatte Platz nehmen müssen. Selbst statistisch gesehen wäre es einem Sechser im Lotto gleichgekommen. Und würde man die umliegenden Einzugsgebiete New Yorks hinzuziehen, wäre der Sechser im Lotto sogar mehr als doppelt so wahrscheinlich!

Um sich abzulenken, scrollte Cord zu seiner Nachricht von gestern Nachmittag zurück. Da stand nirgendwo, dass er sich Sorgen machte. Die Spitzen seiner nassen Haare kitzelten im Nacken und er strich sich unsanft mit der Hand darüber.

Eva hatte außerdem gefragt, ob er ein guter Freund sei? Er war sich nicht sicher, ob man ihn überhaupt als Freund bezeichnen konnte. Mit großer Wahrscheinlichkeit nicht. Aber das spielte im Augenblick keine Rolle. Er wollte wissen, was ihr fehlte und wie er ihr helfen konnte.

„Wir sind erst seit Kurzem befreundet. Was ist ihr passiert? Gibt es etwas, das ich von hier aus für sie tun kann?“

Die Sätze klangen lächerlich. Wie die übereilten Fragen eines dummen Schulbuben und dennoch, Cord hatte nicht die Geduld, sich mit einer sensibleren Fragestellung zu beschäftigen.

„Ihr rechter Fuß. Und ich weiß nicht einmal, wo dieses ‚hier‘ ist, von dem du da sprichst. Lebst du nicht in New York?“

Ein Fuß. Fehlte. Cord war kreidebleich geworden. Ganz beiläufig hatte er zur Kenntnis genommen, dass ihre Freundin Eva in deutscher Sprache geschrieben hatte und sie darum hatte annehmen müssen, dass es sich bei ihm ebenfalls um einen deutschsprachigen Auswanderer handeln musste. Das amerikanische Handy. Deutsch. Ein Fuß?

„Wien. Hast du schon mit ihr gesprochen?“

Cord nagte an den Knöcheln seiner Finger, während er auf ihre Antwort wartete. Das hatte er seit seiner Kindheit nicht mehr getan. Die Zigaretten lagen weit weg am Vorzimmertisch.

„Nein, sie ist in einer Art künstlichem Tiefschlaf oder so. Keine Ahnung, Verrückt, wie es hier zugeht!“

Und er wollte es sich nicht vorstellen. Von einem Augenblick auf den nächsten hatte sich die Subway-Station im hippen New York direkt in sein Wohnzimmer verschoben. Cord dachte an ihre zarten, kreidebleichen Füße, wie sie auf dem Foto der Homepage lässig über die Armlehne gehangen hatten. Auch eine Elfe bestand nur aus Fleisch und Blut.

Cord ließ den Kopf in die Hände sinken und kämpfte mit dem unerklärlichen Schwall von Gefühlen, der so plötzlich über ihn hereingefallen war. Nichts von all dem, was sie beide zusammengeführt hatte, hatte Sinn ergeben und dennoch. Dennoch fühlte er sich ihr verpflichtet. Nein mehr, er fühlte sich ihr verbunden. Auf eine der schrägsten Arten und Weisen, die er sich ausmalen konnte.

Den ganzen Nachmittag über starrte er abwechselnd auf den Bildschirm seines Laptops, seines Fernsehers oder auf das alles verschlingende Türkis seiner Wand. Er aß nichts, trank nur wenig und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Um achtzehn Uhr zwanzig verschwand er ins Badezimmer und erschauderte bei dem Blick auf sein schonungslos ehrliches Echtzeitportrait. Er wusch sich das Gesicht mit lauwarmem Wasser, wie es seine Ex immer geraten hatte, und schlüpfte aus dem zerknautschten T-Shirt und der aschgrauen Trainingshose, die bereits seit Tagen tunlichst der Waschmaschine entgangen waren.

Zehn Minuten später ertönte das surrende Geräusch seiner Glocke und Cord drückte auf den Türöffner. Hatte Diana ihren Zweitschlüssel gestern bei ihm abgegeben? Der Gedanke war so unnötig wie ein Schwarm Gelsen plötzlich aufgeblitzt und ebenso rasch wieder verschwunden, als Cord das Stück Metall auf seinem Küchentisch entdeckte. Sie hatte ihn hier gelassen. Es war also wirklich aus zwischen ihnen.

„Hey Bro!“

Leo hatte die letzte Silbe in die Länge gezogen und beide Hände in Gangstermanier zum Takt der unsichtbaren Coolness bewegt.

„Was ist hier passiert? Hast du dir gleich zwei auf einmal angeraucht oder einfach nur vergessen zwei Tage lang das Fenster zu öffnen.“

„Beides irgendwie.“

Leo sah ihm scharf ins Gesicht. Das war seine Macke und er beherrschte sie zur Perfektion. Ala Star Wars versuchte er die Macht zu nutzen und ließ Cord zappeln, wie einen Fisch am Haken.

„Lass das, Spinner!“

„Diana, mh?“

„Schon lang nicht mehr...“

Am liebsten hätte er es ihm einfach gebeichtet. Alles. Von den Bildern. Den Gefühlen, die sie in ihm auslösten und der harschen Absage, die sie ihm noch kurz vor ihrem Unfall erteilt hatte. Unfall? Unfälle passierten ohne Absicht. Nein, man hatte ihr den Fuß genommen, wie eine unschuldige Geisel, ohne Aussicht auf ein positives Ende.

„Egal. Wir päppeln dich schon wieder auf!“

Das wollte er hoffen. Denn er fühlte sich genau so. Wie der gelbe Wasserball, den er als Kind besessen hatte. Schlaff und gesegnet mit einem winzigen, unauffindbaren Loch, das ihm seine wahre Größe geraubt hatte.

Sin.n.e

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