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16.

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„Cord!“

Sein Bruder Henrik nahm ihn überschwänglich in die Arme. Er roch stark nach dem neuen Parfum, das er von Onkel Herby zu Weihnachten bekommen hatte und gleich darauf trat die Ursache für Henriks Gefühlsausbruch hinter der gigantischen Duftwolke hervor. Eine adrette Braunhaarige wurde Cord in bestem Döblinger Akzent als Fiona vorgestellt und er bemühte sich den Namen zu behalten, zumindest so lange, bis er unauffällig seine Schwester danach würde fragen konnte.

Bille war mit dem schlaksigen Piefke angereist und öffnete gerade ein Päckchen, das ihr von Tante Gerda mit einem Augenzwinkern unter die Nase gehalten worden war. Ein schneeweißer Strampelanzug mit einem langhalsigen Huftier darauf machte die Runde unter den Frauen. Noch drei Monate, dann war es soweit. Cord würde Onkel werden. Onkel war cool, Onkel war hipp. Es war besser als Vater oder Großvater. Jedenfalls im Moment.

„Und hast du’s verschwitzt oder hast du’s vorsorglich aus dem Terminkalender gestrichen?“

„Keins von beidem. Ich habe verschlafen.“

„Mann, du bist jetzt schon über dreißig! Ziehst du am Wochenende immer noch um die Häuser als gäbe es kein Morgen?“

Mann? Cord warf, an seinem Bruder vorbei, einen Blick auf die elegant gekleidete Fiona. War sie etwa auch aus dem Nachbarland zu ihnen geschlittert?

„Was dagegen?“

„Nein. Wo ist Diana?“

„Interessiert mich nicht mehr.“

„Ehrlich? Es ist aus? Naja, hat auch nicht wirklich zu dir gepasst. Eher zu mir.“

Henrik lachte und zwinkerte ihm zu. Das stimmte. Dennoch war es nicht das, was man aus dem Mund seines vier Jahre älteren Bruder hören wollte.

„Eine Neue?“

„Siehst du eine!?“

Cord platzte bald der Kragen. Selten war er mit seinem Bruder auf einer Wellenlänge, aber heute brachen sich die Wellen, als würden zwei Kinder mit ihren Paddeln ein Trommelkonzert im seichten Wasser geben.

Cord schlenderte in die Küche und half seiner Mutter den Tisch mit dem gebänderten Porzellan zu decken und die Kaffeewünsche entgegenzunehmen.

„Geht’s dir gut, Cord?“

„Ja, alles klar.“

„Siehst irgendwie verändert aus.“

Ja? Wie denn?

Seine Mutter strich ihm durch die langen Haare, als wäre er immer noch der Tafelklassler von damals.

„Vielleicht sind es einfach die Haare. Hat Diana sie nicht immer geschnitten?“

„Das war Sandra. Und ja, ich bin durchaus fähig mir selbst einen Termin beim Friseur zu beschaffen, wenn mir danach ist.“

„Sei nicht gleich eingeschnappt. Im Grunde bin ich es, die sich heute so verhalten dürfte.“

Aber das würde sie nicht. Cords Mutter war eine Lady der alten Schule. Sie hatte alles unter Kontrolle und war augenscheinlich die Lässigkeit in Person. Sein Vater konnte sich glücklich schätzen, denn alles andere hätte ihm den letzten Nerv geraubt.

„Wo ist Papa?“

„Im Keller, er sucht den Wein aus.“

Das konnte dauern. Cord spazierte durch das Gästezimmer auf die Seitenterrasse und zündete sich eine Zigarette an. Niemand in seiner Familie rauchte. Irgendwann, im Laufe seiner Erziehung, musste er eine falsche Abzweigung eingeschlagen haben.

Ende Februar und die Luft winkte jeden Tag mehr mit den Fahnen des Frühlings. Cord liebte diese Vorboten, die endlich den Winter in die Vergangenheit verbannten und seinen Geburtstag näher brachten. Klar, er würde älter werden. Aber wurde er das nicht ohnehin jeden Tag? Besser man feierte, was es zu feiern gab.

Milk! Der Gedanke ans Feiern hatte sich irgendwie in ihm fortgesponnen, bis er bei ihr gelandet war. Sie hatte Grund zu feiern. Ein zweiter Geburtstag und er kannte nicht einmal ihren ersten.

Cord tippte eine Antwort auf ihre Frage.

„Habe ich, und du?“

Es klopfte sofort zurück.

„Tagwache um 7 Uhr 30. Kein Zuckerschlecken hier. Nicht mal das Frühstück. Alter Käse und trockenes Brot.“

Cord dachte an die hübsche Obsttorte, die in der Küche auf ihre Vertilger wartete. Nein, damit konnte er sie im Moment definitiv nicht belästigen.

„Das tut mir leid. Ich wünschte, ich könnte dir ein Stück Sachertorte schicken.“

„Willst du mich ärgern?!“

Cord musste husten, als er ihre Nachricht las. Das war definitiv nicht seine Absicht gewesen. Schnell tippte er die nächste Nachricht ein und legte die Zigarette währenddessen auf dem Steingeländer der Terrasse ab. Ein pummeliges Kind starrte versteinert von hinter einem Blumentopf hervor. Cord hatte den Bengel noch nie leiden können. Er streckte ihm die Zunge heraus und drückte auf ‚Senden‘. Dann nahm er einen langen Zug.

„Na, immer noch dieselben alten Gewohnheiten? Damals zu Weihnachten hätte ich wetten können, Diana würde dir das austreiben.“

„Da hat sie wohl den Kürzeren gezogen.“

Cord schenkte seiner Schwester ein freundliches Lächeln. Er mochte sie, verstand sich mit ihr um Längen besser als mit seinem Bruder oder irgendjemand anderen aus der Familie. Außer vielleicht mit Mickey. Onkel Herbys unehelichem Sohn, seinem unausgesprochenen Cousin.

„Hab’s schon gehört.“

„Wie geht’s dir? Alles bestens bei euch?“

„Ja, danke. Alles bereit für den Endspurt!“

„Und, ihr lasst euch immer noch überraschen?“

„Sicher. Ist doch das Beste daran!“

„Weiß nicht.“

„Pah! Ist aber schon ziemlich kalt hier draußen. Ich geh dann mal wieder rein.“

„Ich komm gleich nach.“

Cord warf einen letzten Blick auf sein Handy und erschrak.

„Scheiße Cord, ich fürchte, jetzt haben sie dieses Handy auch schon gehackt!? Warum passiert nur mir immer dieser ganze Dreck?!“

Cord drückte auf Anruf und musste vier Klingelzeichen abwarten, bevor sie abhob.

„Sorry, aber ich musste abwarten, bis mich die ‚feinfühlige‘ Oberschwester vom Topf gehievt hat. Nur in deinem Sinne.“

Er lachte.

„Wie lange wirst du nicht aufstehen dürfen?“

„Acht bis zehn Wochen, je nachdem wie schnell sich alles entwickelt und die Wunde verheilt. Im Moment steht die Ampel auf Grün. Die erste OP war erfolgreich.“

„Das freut mich für dich.“ „Und was ist mit deinem Handy, wieder diese dubiosen Nachrichten?“

„Kann man so sagen. Und ja, von deiner Nummer, falls du dich das ernsthaft fragen solltest.“

„Na, und? Was stand da!?“

„Ich zitiere: Mein Cousin Mickey würde sich mit diesem übernatürlichen Ramsch auskennen, ich werde ihn demnächst danach fragen. Sag mir jetzt nicht, dass du keinen Cousin namens Mickey hast?“

Den hatte er und was ihn noch mehr schockierte war, dass er etwas Ähnliches in wesentlich weniger ausführlicher Form nur Minuten zuvor gedacht hatte. Es war vielmehr ein Geistesblitz gewesen, der ihn kurz gestreift hatte und sofort wieder aus seinem Kurzzeitgedächtnis verschwunden war. Vielleicht sollte er Mickey tatsächlich danach fragen. Wenn ihm irgendjemand zu den Problemen mit ihrem Handy einfiel, dann er.

Cord räusperte sich.

„Ja, Mickey existiert. Und ich fürchte, dein Handy ist keineswegs gehackt worden.“

„Das ist ein Scherz!“

Ihre Stimme hatte den zu erwartenden arroganten Oberton mitgeschickt, aber es klang auch noch etwas anderes darin mit. Etwas Dunkleres, wesentlich leiser. Etwas wie Panik, die in einer Blechdose zu ersticken drohte.

Cord hatte keine Ahnung, wie er es ihr begreiflich machen sollte. Aber er hatte den Eindruck, als wäre etwas gänzlich anderes ‚gehackt‘ worden. Wie, konnte er sich allerdings in seinen futuristischsten Träumen nicht erklären. Das hier zählte definitiv nicht zu seinen Fachgebieten.

„Milk,...“ Cord schüttelte den ersten Impuls, sie an seinen Gedanken teilhaben zu lassen, von sich. „Mach dir erstmal keine Sorgen. Bis jetzt ist ja nicht viel passiert, außer dass meine Nachrichten ab und zu eine falsche Abzweigung nehmen. Ich melde mich, sobald ich mit Mickey gesprochen habe, einverstanden?“

„Ist gut. Danke erstmals.“

Er hörte wie sie langsam ausatmete und machte Anstalten das Telefon aus der Hand zu legen. Beinahe hätte er verpasst, wie sie hinzufügte: „Und im Übrigen kann man hier sehr wohl eine Sachertorte bekommen. In dieser verrückten Stadt gibt es so gut wie alles! Mach’s gut Cord!“

Damit legte sie endgültig auf.

Die verrückte Stadt. Ver-rückt. Eine Idee drängte sich auf und Cord zwang sich, sie so geheim wie möglich zu halten. Er wollte Milk damit überraschen und eine übereilte SMS mitten aus dem tiefsten Unterbewusstsein, würde hier nur hinderlich sein.

„Cord?“

Seine Mutter. Lässig streckte sie den Kopf zum Fenster hinaus.

„Wir sitzen bereits am Esstisch, bist du soweit?“

Cord beeilte sich aus der Kälte zurück in die Welt seiner Kindheit. Das Porzellan klirrte bereits, als er sich zu ihnen an den Tisch setzte und ihm von seiner Tante, der ehelichen, ein überdimensionales Stück Torte gereicht wurde.

„Du verträgst das!“

Wie gern er hörte, was er alles vertrug.

Als der höfische Part der Familienzeremonie endlich seinen Höhepunkt überschritten hatte, ließ sich Cord auf dem unscheinbaren Hocker neben seinem Onkel nieder. Die dritte Tasse Kaffee half ein wenig über die Tatsache hinweg, dass er sich im Grunde vor diesem Gespräch mit ihm scheute. Herby war von nun an gleichbedeutend mit dem Gefängnis, das sich ab morgen über ihn stülpen würde.

„Na, Cord? Schon alles startklar?“

„So gut wie.“

„Den schwierigsten Teil hast du ja schon hinter dir. Und was ich von Fred erfahren habe, hast du mit deiner Arbeitskollegin einen richtigen Jackpot gelandet!“

Wie man es nahm. Cord hob einen Mundwinkel etwas an, um weiß Gott was auszudrücken. Scarlett war definitiv ein Hingucker, aber gleichzeitig zählte sie zu jenem Typ Frau, mit dem man sich besser nicht tagein tagaus ein Zimmer teilte.

„Wollte dich eigentlich fragen, was Mickey momentan so treibt? Ist er in der Stadt?“

Mickey war schon immer ein Rumtreiber gewesen. Zum Teil hatte er das von seiner Mutter, einer venezolanischen Ungarin, und zu einem nicht geringeren Teil von seinem Vater. Herby war Stammgast bei so ziemlich allem und jedem, der ihm die Tür offen hielt.

„So seltsam es klingt, ja. Momentan ist er das. Schätze, ihm ist wiedermal das Geld ausgegangen.“

Herby lachte. Mickey war bei seiner Mutter aufgewachsen, aber über die Sommerferien stets für ein paar Wochen bei seinem Vater gestrandet. Damals hatten Onkel Herbert und Tante Elfriede noch in dem Haus gegenüber gewohnt. Damals... Cord verdrängte das schwere Gefühl aus der Magengrube und setzte einen erwartungsvollen Gesichtsausdruck auf.

„In der alten Wohnung?“

„Der alten seiner Mutter. Erster Bezirk. Irgendwann dürfte sie endlich den Trottel gefunden haben, den sie ihr ganzes Leben lang gesucht hat!“

„Hast du eine Adresse oder Telefonnummer? Ich bräuchte da etwas von ihm...“

„Wow und dazu brauchst du mich? Seid ihr heute nicht alle bestens vernetzt in eurer Social Media?“

„Nicht Mickey.“

Onkel Herby hob die Augenbrauen und durchsuchte sein Handy.

„Ich schick‘s dir gleich durch.“

„Danke.“

Sin.n.e

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