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Cord 5.

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Der wenig schmeichelhafte Weck-Ton seines Handys beförderte ihn mit einem Ruck ans Tageslicht. Cord schloss die Jalousie und zog die Decke über den Kopf. 9 Uhr. 9 Uhr und das Vorgestern kehrte wie ein ungemütliches Déjà-vu in sein Bewusstsein zurück. Noch einmal. Noch einmal würde er sich im schlimmsten Fall ein Kopf an Kopf Rennen mit der attraktiven Scharlachroten liefern, das in Wahrheit nur einen fairen Ausgang finden konnte.

Bleischwer schleppte sich Cord ins Badezimmer und tat sein Bestes, um die Spuren des gestrigen Abends aus seinen Gliedern zu verbannen. Wein, Bier und der japanische Reisschnaps, den er wie schon einmal unterschätzt hatte, hatten ihr Übriges dazu beigetragen, dass Cord von Glück sprechen konnte, heute Morgen in seinem eigenen Bett aufgewacht zu sein. Die Erinnerung an das schrille Lachen der japanischen Nichte hallte in seinem Kopf wieder und ließ ihn den langen Metallgriff in der Dusche umklammern, um nicht mit dem Kopf gegen die Fliesen zu prallen. Halbfertig stieg er auf den fusseligen Badezimmerteppich hinaus und suchte nach seinem Handtuch. Ja, er hatte eindeutig die besten Voraussetzungen, um das Talentstechen heute so richtig in den Sand zu setzen.

Cord verzichtete auf seine Kanne Kaffee, nicht aber auf seine erste Zigarette und setzte sich mit einem Schädel, dessen wahre Größe wohl eher der eines Michelinmännchens entsprach, in Bewegung. Ampeln. Quietschende Reifen. Ein Altmetallhändler am Eck. Zweimal Drive-In. Einmal bog er ab. Bei einer braunen Skulptur, deren düstere Vertiefungen wohl den Inhalt seiner Worte einfangen sollten, bestellte er einen doppelten Espresso und erhielt wenig später zwei kleine Pappbecher gefüllt mit dem Inhalt seiner Bestellung.

„Danke.“

War der Typ neu oder waren dem Laden tatsächlich die großen Becher ausgegangen? Cord fuhr auf den Parkplatz und stürzte den ersten Becher in einem Zug hinunter. Den zweiten klemmte er zwischen die Sammlung an Rechnungen und den MP3-Player in der Mittelkonsole und legte den ersten Gang ein. Zehn Minuten vor zehn.

Auf dem Parkplatz seiner vermutlich nicht zukünftigen Firma nippte er an dem zweiten Becher und griff nach dem Deo, das er immer in der Tasche hinter seinem Beifahrersitz mitführte. Dann sprang er die moderne Marmorstiege ein zweites Mal in den ersten Stock empor und suchte nach dem Hinweisschild zum Büro des Chefs. Das Schild existierte nicht. Niemand, außer dem Personalchef, schien über ein Namensschild an der Tür zu verfügen und so setzte sich Cord erneut auf einen der unbequemen Sessel davor und schnappte sich ein Magazin.

„Herr Gregori?“

Cord zuckte zusammen. Auf dem feingliedrigen Gesicht der roten Nymphe machte sich ein Hauch von Belustigung breit.

„Herr Doktor Kaltenbrunner meinte, ich solle mal nachsehen, ob Sie sich eventuell im Stock geirrt haben.“

Du, war er versucht zu sagen. Doch das Du war hier genauso situationsfremd, wie die wirren Gedanken in seinem Kopf. Verlegen stieg er hinter ihr die Treppe hinauf in den zweiten Stock, wo jede einzelne Tür über ein piekfeines Namensschild verfügte, das die Insassen wie eine riesige Ansammlung von Führungskräften zum Verkauf anpries.

„Hier entlang.“

Bereits nach dem zweiten Satz ging ihm ihre neckische Art gehörig auf die Nerven. Cord warf ihr einen gehässigten Blick hinterher, der ihr genau das unmissverständlich klar machen sollte. Doch wie schon so oft, versagte das Übersetzungsprogramm und seine blauen Augen bewirkten das genaue Gegenteil. Sie antwortete mit einem freundlichen Lächeln und ließ jegliches Konkurrenzdenken für einen Moment in den Hintergrund treten.

„Ah, Herr Gregori! Sehr erfreut, Sie auch endlich hier begrüßen zu dürfen. Mein Personalchef hat mich bereits darüber informiert, dass Pünktlichkeit wohl nicht zu ihren Eigenschaften zählt.“

Das saß. Cord steckte den ersten Hinweis auf einen schlechten Start mit einem Kopfnicken und einem reuevollen Blick ein und stierte auf den eleganten Kunststoffstuhl neben dem, auf dem Scarlett Platz genommen hatte.

„Setzen Sie sich. Es gibt keinen Grund zur Panik. Im Grunde handelt es sich hierbei nur um eine Kleinigkeit, die ich allerdings gerne von Ihnen beiden gemeinsam erledigt gesehen hätte.“

Scarlett nickte und Cord arbeitete hart daran, es ihr nicht wie ein folgsamer Dackel gleichzutun. Das Wort gemeinsam hatte Doktor Kaltenbrunner betont, als würde der Fortbestand der menschlichen Rasse und seiner bewährten Vorherrschaft davon abhängen. Cord schielte auf die losen Zettel in der Hand des Firmenchefs.

„Ich möchte, dass sie sich folgendes Fallbeispiel vornehmen und gemeinsam eine Lösung erarbeiten. Sie haben dafür zwei Stunden Zeit und dürfen den Computer im Nachbarraum benutzen. Die dazugehörigen Dateien finden Sie ebenfalls darauf.“

Er drückte Scarlett die Zettel in der Hand und deutete mit einem Nicken auf die Durchgangstür hinter ihnen. Cord folgte ihr benommen. Was sollte das werden? War der Raum videoüberwacht und analysierte man von anderswo jede ihrer Bewegungen und Inputs in dieses Projekt. Der kleine Kerl, der seinen Verstand am heutigen Tage koordinierte, zuckte mit den Schultern und tippte wie wild in seine undurchschaubare Rechenmaschine. Cord tat es ihm gleich und versuchte sich bestmöglich zu konzentrieren, um die kleingedruckten Anweisungen auf den A4-Blättern zu erfassen. Immer wieder verschwammen die bockigen Buchstaben vor seinen Augen und Cord fuhr sich mehrmals mit der Hand über die Stirn, bis es endlich soweit war und die Sätze langsam Sinn ergaben.

„Hast du’s?“

Diesmal hatte ihre Stimme nichts Affektiertes gehabt. Keinerlei Anzeichen von Hohn waren darin mitgeschwungen und Cords Alarmglocken läuteten schrill. Wie zu erwarten, hatte die fuchsrote Version der Perfektion alles unter Kontrolle.

„Hab ich. Welchen Teil davon möchtest du machen?“

Du. Da war es wieder. Diesmal war es ganz natürlich gekommen. Oder hatte sie es ihm zuerst angeboten?

„Schritte eins und vier. Zwei überlegen wir uns gemeinsam, ebenso den Abschlussbericht. Drei und fünf für dich?“

Cord überflog die Arbeitsanweisungen und konnte ihr nur zustimmen. Sie hatten noch etwas mehr als eine Stunde und fünfundvierzig Minuten Zeit. Zielstrebig machte er sich an die Arbeit. Er arbeitete wesentlich konzentrierter, als er es sich noch vor einer Stunde zugetraut hätte und die Atmosphäre in dem kleinen Büro entspannte sich zunehmend. Von Zeit zu Zeit betrat der Firmenchef oder einer seiner Adjutanten den engen Raum und stellte eine Frage zu einem der Arbeitsschritte. Doch es war nichts dabei, das Cord aus der Ruhe gebracht hätte. Die gemeinsamen Punkte erledigten sie effizient und schon bald, präsentierten sie abwechselnd den Abschlussbericht und die Handhabe der Mini-Homepage.

Herr Doktor Kaltenbrunner und sein nichtssagender Assistent lauschten ohne Unterbrechung und baten sie gleich darauf für eine Bedenkpause vor die Tür.

Scarlett verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an der gegenüberliegenden Wand zurück.

„Was denkst du? Haben wir ihn?“

Cord zuckte mit den Schultern.

„Warum nicht? Hat doch bestens geklappt.“

„Ja, das hat es.“

Sie hatte leise gesprochen, mehr zu sich selbst und ihre roten Fingernägel waren nicht wieder unter den Ellenbogen hervorgekommen. Alles, das zuvor wie ein überwältigendes Feuerwerk um sie herum erstrahlt war, hatte sich in ein kleines Schneckenhaus zurückgezogen und hatte das schmale Mädchen verletzlich in dem erbarmungslos grellen Licht des Büroganges zurückgelassen.

„Kopf hoch! Wenn’s jemanden erwischt, dann mich.“

Cord lachte. Er konnte nicht fassen, was er gerade eben getan hatte! Hatte er ihr tatsächlich Mut zugesprochen? Etwas an ihrer Ausstrahlung hatte diese unglaubliche Wirkung, ihr Umfeld ständig in einen neuen, andersartigen Bann zu ziehen.

Leicht zuversichtlicher hob sie den Kopf und fuhr sich mit den schmalen Fingern über die Lippen. Die dünnen, langen Beine in den blassen Strümpfen hatte sie ebenfalls überkreuzt und das gab ihrer ganzen Haltung etwas von einer Meerjungfrau.

Der ruckartige Abfall des Adrenalins hatte Cords Kopfschmerzen erneut auf Vormarsch gebracht und er ließ sich auf die einzige Sitzgelegenheit weit und breit sinken. Sollte sein vielleicht zukünftiger Chef doch denken was er wollte.

Im selben Moment flog die Tür hinter ihm auf und der Assistent bat sie beide zurück ins Büro.

Sin.n.e

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