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Der Wind treibt Wellen über das Wasser. Die Trommel und der Weißspeer kommen und schwinden immer wieder. Shagga ist vom Totholz gerutscht. Er strampelt im Wasser. Wie ein Köder.

Schon löst sich das blaue Leuchten von den Steinen und hält auf Shaggabug zu. Es schlängelt sich, windet sich. Ein schuppiger gestreifter Rücken, länger als ein Einbaum, wölbt sich aus dem Wasser. Stachelige Flossen brechen aus dem Schaum. Geister meines Vaters und seiner Väter, steht uns bei. Welch Untier trieb das Meer bis in den Salzfinger?

Meine Arme fliegen über die Wellen, nie bin ich schneller geschwommen. Ich erreiche Shagga, helfe ihm zurück aufs Holz. Dann ziehe ich mich hoch. Es muss uns beide tragen. Das hellblaue Untier dreht ab, seine Schwanzflosse peitscht Wellen auf. Unsere Wurzel schaukelt. Doch wir kentern nicht.

»Zurück ans Ufer!«, rufe ich gegen das Heulen des Windes und das Poltern der Himmelstrommel. Der Regen hämmert in unsere Gesichter.

Wir rudern mit Armen und Beinen. Doch unsere Wurzel ist störrisch. Erneut dreht der Schlangenleib um und rauscht auf uns zu. Ein riesiges Maul schießt aus den Wellen. Fangzähne, länger als beim Dolchzahn, glänzen zwischen Wassertropfen. Ich trete dem Ungetüm zwischen die kalten Augen. Es faucht fauligen Atem, ein Zahn bricht. Die Schlange schnellt hoch, sie windet sich, dann taucht sie zwischen den wirbelnden Wellen ab.

Mit brennenden Armen stoßen wir zurück ans Ufer.

»Was war das für ein Gekreuch?« Prustend liegen wir am nächtlichen Flussufer zwischen Seetang und Weichschalen. Der Regen spült unsere Furcht fort.

»Ich weiß es nicht.« Ich spähe über die Wellen. »Aber nun ist es fort. Niemals sah ich solch riesenhaften Schlangenleib.«

Shagga lacht in den heulenden Nachtwind. »Davon erzählen wir im Dorf. Dann brechen wir mit unseren tapfersten Fischern auf und treiben unsere Speere in das glühende Schuppengetier.«

Ich muss lächeln. Als wir noch kleiner waren, stellten wir uns oft vor, allein mit Booten hinaus aufs Meer zu rudern. Wir wollten Pfeilköpfe fangen und neues Land finden. Doch dann verlor Shagga seine Hände und mein Vater entschied, dass ich den Bogen führen sollte und nicht den Speer.

In diesem Augenblick stößt ein anderer Speer nieder. Das grelle Licht des Weißspeers in dunkler Nacht blendet meine Augen. Ich rieche das Feuer, bevor ich wieder sehen kann. Der Speer ist in einen Baum gefahren. Holzhaut und Nadelblatt brennen. Der Weißspeer hat den Baum wie mit einer Axt gespalten. Funken wirbeln durch die Luft und zischen im Regen.

»Dort, bei dem Grauberg, die Höhle!« Wir eilen vom Flussufer weg.

Bevor wir ins Trockene stolpern, drehe ich mich noch einmal zum Salzfinger um. Der Schlangenleib umkreist die roten Steine, Wellen klatschen gegen den Fels. Ein seltsames Summen, wie von einem Schwarm Pelzflieger, dringt durch Regen und Trommeln.

»Die Steine, sie singen«, sagt Shagga aus dem Höhlendunkel.

Doggerland

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