Читать книгу Doggerland - Daniel Bleckmann - Страница 8

Оглавление

Das Wasser steigt und frisst meine Heimat. Langsam, aber unaufhörlich. Die Zeichen dafür sind untrüglich. Wo ich vor einigen Läufen des Himmelsauges noch trockenen Fußes über die Bohlenwege lief, schmatzen die morschen Hölzer nun in der Salzlake. Sogar die Küstenschreier beklagen sich, denn in den überfluteten Knieblatt-Wiesen können sie zwischen den Halmen keine Nester mehr bauen. Die Regenmonde sind da, viel früher als noch zur letzten Flusswanderung der Glanzschuppen. Und während das Warmland Speermaß um Speermaß im Meer versinkt, bricht auf den Windebenen die Erde auf und darbt unter der Trockenheit.

Die Alten sprechen vom immer gleichen Lauf des Lebens, so wie auch die Schwärme der Graufaucher im Jungmond wiederkehren. Sehen sie den Wandel nicht oder wenden sie ihre müden Augen mit Absicht ab?

Heute bin ich weiter gewandert als sonst. Allein. Ohne meinen Bruder, dessen Arme ihn manchmal quälen und der deshalb in unserem Dorf geblieben ist.

Ein Schrei, aus Richtung des Strandes, lässt mich hochschnellen. Er hat nach Furcht und Wut zugleich geklungen. Das war kein Mensch.

Eilig pirsche ich durch das dichte Sandrohr. Geduckt, die Waffe wippt gegen meinen Hinterkopf. Vater sieht es nicht gerne, wenn ich sie schon jetzt gebrauche. Aber irgendwann werde ich an seine Stelle treten. Also muss ich hier draußen meine Stärke mehren.

Wieder ein Schrei. Dieses Mal wütender. Da unten müssen auch Männer sein. Wildbeuter. Ihre Rufe mischen sich in die brüllende Wut des … Kann das sein? So weit im Warmland?

Ich spähe über das Sandrohr der Düne. Da sehe ich ihn.

Ein Koloss.

Kraftvolle Muskeln arbeiten unter seinem zotteligen Fell, die langen Waffen leuchten blutrot im Licht des erwachenden Himmelsauges und gegen seine baumgleichen Beine branden die Wellen. Die Männer, ich zähle so viele, wie ich Finger habe, sind vorsichtig. Ein falscher Schritt und es ist vorbei. Noch steht der Kampf auf spitzem Stein.

Die Speere der Wildbeuter drängen das große Tier tiefer in die Brandung. Neidvoll muss ich anerkennen, dass sie ihr Handwerk verstehen.

Im Schutz der Düne krieche ich näher heran, verenge die Augen zu Schlitzen. Jetzt erkenne ich den schwarzen Haarschopf: Erutt, Sileggs Sohn, ist unter den Wildbeutern. Meine Fingernägel graben sich in die Handflächen. Erutt, verflucht, jetzt schon?

Das Tier erhebt sich auf seine Hinterbeine und stößt jenen Ruf durch seine schlangenhafte Nase, der unser Land seit der Geburt der Sterne erbeben lässt. Ihr guten Geister, es ist ein Bulle.

Ein Kribbeln läuft über meinen Nacken. Ich fühle, wie mir das Blut ins Gesicht schießt. Zu gerne würde ich jetzt auch da unten sein. Ich beiße die Zähne aufeinander und dresche meine Fäuste in den scharfkörnigen Sand. Ich will endlich auch Maa-Mutts jagen.

Doggerland

Подняться наверх