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Kapitel 11

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Leise huschte ich durch die Gänge des Hauptbahnhofs und rauschte in die Ecken der Gepäckschliessfächer. Kluger Schachzug, den Schlüssel durch einen fünfstelligen Code zu ersetzen. Die Tendenz zum Schlüsselverlieren wird durch die Vergesslichkeit ersetzt. Naja, ist ja auch egal.

Ich postierte mich vor Schliessfach 131 und studierte die Bedienungsanleitung. Immer wieder wurde ich von Reisenden gemustert. Ja ich drehe hier ein krummes Ding, na und? Noch nie einen Fehler gemacht? Immer diese Moral. Wer sich rein von jeglicher Schuld und Tadel fühlt, werfe den ersten Stein.

Ich tippte auf dem Zahlenfeld den fünfstelligen Code ein, mit einem Piepsen sprang die Tür auf. Muffiger Geruch stieg mir entgegen, allerdings gewürzt mit der vertrauten Duftnote von Marihuana. Haufenweise Beutel wurden hier drin gelagert. Ich sah mich um. Das Schliessfach befand sich in einem toten Winkel jeglicher Überwachungskameras, wie ich befriedigt feststellte.

Ich suchte den Beutel mit den getrockneten Hanfblüten, steckte ihn ein und schloss die Tür. Abermals vergewisserte ich mich, dass die Luft rein war, schnappte mir mein Pappschild und verliess den Bahnhof. So, jetzt auf Kundschaft warten.

Ich irrte im Bermudadreieck rund um Schiller-, Goethe und Senefelderstrasse. Irgendwie hatte ich Konkurrenz durch andere Penner. Irgendwie fühlte ich mich fehl am Platz, da meine Gliedmassen noch vollkommen waren. Was da an Bettler mit verstümmelten Gliedmassen herumliefen, liess mich beinahe übergeben. Ich konnte ein Arschloch sein, doch liess mich das nicht kalt. Ich wollte mir nicht vorstellen, dass es gar die Realität sein kann, dass die Hintermänner denen absichtlich die Beine brachen oder gar die Füsse abschnitten.

Vor mir kroch ein alter Mann mit einem Kaffeebecher die Senefelderstrasse hinunter, der Rest seiner Gliedmassen in kümmerlichen Plastiktüten versteckt.

Meine Güte.

Da fühlte ich mich noch gesund.

So wie ich Ebermann kannte, hätte er sicherlich auch solches von mir verlangt. Als körperliches Opfer hätte er es dann wohl beschrieben.

Ich ging die Senefelderstrasse hinunter. Ich hoffte, erbärmlich genug auszusehen. Zu meiner Linken tummelte sich eine Gruppe junger Rucksacktouristen, hier befindet sich Hostel an Hostel gereiht, schön billig, aber definitiv genügend für eine Unterkunft in München. Hier störte es wenigstens kein Schwein, wenn man sturzbesoffen von einer Kneipentour zurückkommt. Da hätten sie wohl im Vier Jahreszeiten an der Maximilianstrasse mehr Mühe.

Wobei! Das wäre auch eine gute Idee. Ich nahm mir vor, irgendwann mal während der Zeit, als Penner durch die Maximilianstrasse zu laufen, um den Gutbetuchten ein schön entsetztes Gesicht aufsetzen zu lassen.

Einen Lichtblick sollte man doch noch haben!

„Han’se vielleicht nen Euro?” Ich hatte mir einen jungen Mann in Lederjacke ausgesucht. Der hatte es verdient, minutenlang herumgeprahlt und lässig gegrinst, so dass die Mädchen neben ihm wie Wachs geschmolzen waren.

Mr. Sunnyboy erschrak heftig und blickte mich herablassend an.

Ja, sind halt nicht alle mit dem goldenen Löffel im Mund zur Welt gekommen!

Ich vermied es, diese Worte auszusprechen und streckte stattdessen bittend meine Hand aus.

Mit einer abweisenden Geste und Kopfschütteln machte er mir jedoch klar, dass ich mir keinerlei Hoffnung machen musste, von ihm einen Euro zu erhalten.

Arschloch!

Ich sah mich bei seinem Harem um. Ja, süss waren sie definitiv. Aber ebenso definitiv auch strohdumm, um von einem solchen Grossmaul beeindruckt zu sein.

„Lass uns gehen Ladies. Bevor dieser komischer Kauz uns noch verfolgt!” Er winkte, setzte sein Scheiss-Grinsen auf und nahm zwei der Girlies in den Arm.

Beim Weggehen drehte er seinen Kopf nochmal, winkte mir zu und formte mit den Lippen ein „Auf Nimmerwiedersehen!”

Ich quittierte die Verabschiedung mit dem Mittelfinger der rechten Hand.

Ich schaute mich um, neben dem ersten der Hostels befindet sich eine Parkhauseinfahrt.

Ich setzte mich im Schneidersitz hin. In meiner Hosentasche spürte ich das Cannabissäckchen.

Papes, Kippen und Filter habe ich mir ebenfalls besorgt – ja es war Zeit, sich eine zu drehen.

Meine Güte, das war ja wahrlich eine Zeitlang her, seit ich mir selbst eine gedreht hatte.

Ich legte Papier, Tabak, Mary-Jane und die Filter auf meine Knie und die grosse Arbeit begann. Ich bekundete Mühe – schaffte es aber trotzdem.

Zeit genug, sich mal zu erholen.

Getäuscht

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