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Kapitel 2

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Wütend schmiss ich die Zeitungen auf den Tisch und entschied mich für die Süddeutsche. Niveau am Morgen muss auch sein.

Auf der Frontseite war irgend so ein Bericht eines Professorchens, welcher sich der Frage nach dem Ich und dem Sinn des Lebens angenommen hat und nun dort irgendwelche angeblich bahnbrechende Ergebnisse erzielt hatte.

Nun gut.

Wer war ich?

Meinen Namen – den weiss ich noch.

Glück gehabt!

Eigentlich war ich Schweizer, stammte aus einem Kaff, dass nicht mehr als ein Fliegenschiss auf der Landkarte war. Den Namen erwähnte ich dem geneigten Leser mal nicht, ich bin sicher, drei Zeilen später hätte er ihn längst wieder vergessen.

Leider lebte ich dort nur kurz. Meine Eltern liessen sich noch vor meiner Geburt scheiden und meine Mutter fand bald einen Ersatz, den sie jedoch nicht heiratete. Mein Stiefvater in spe war Polizist und wurde kurz nach meiner Geburt zu Interpol nach Lyon abberufen, was bedeutete, dass ich meine Kindheit und die ersten Jahre meiner Jugend in Frankreich verbracht hatte. Scheusslich. Vor allem diese Sprache! Immerhin war ich in einem besseren Viertel aufgewachsen, als die armen Jungs in der Banlieue. Meine Mutter heiratete dann in Lyon ihren Polizisten, doch ich behielt den Namen meines Vaters. Der Kontakt zu diesem war schon seit Jahren abgebrochen, wahrscheinlich auch auf Initiative meiner Mutter. Deshalb wollte ich noch eine Erinnerung an ihn.

Ich wurde auf eine angemessene Schule geschickt, doch hatte ich an diesem ewigen Gelaber keinen Spass und mogelte mich mehr oder weniger durch. Erst an der Journalistenschule erkannte ich bei mir Freude am Lernen. Anfangs war ich über diesen Sinneswandel noch ganz erschrocken, danach wurde mir aber bewusst, dass es damit zu tun hat, dass ich endlich mal was zu tun habe, deren Tätigkeit ich mich erfreuen kann.

Als ich 16 war, entschied sich mein Steifvater dann, einen Posten bei der Münchner Kriminalpolizei anzutreten. Wieder ein Kulturschock. Vom Coq au vin nun zu Weisswurscht mit Brez’n.

Nicht schlecht, denn immerhin musste ich nicht den ganzen Tag in Lederhosen rumhopsen, wie das bajuwarische Klischee wohl besagt. Später entdeckte ich dann auch das köstliche bayrische Weissbier für mich.

Zudem konnte ich jetzt wieder Deutsch sprechen, vor allem seit ich diesen Schweizer Akzent mehr oder weniger abgelegt hatte. Immerhin sprach ich kein Emil-Hochdeutsch mehr, sondern so vielmehr eines, was mich irgendwie in der Region südlich des Limes ansiedeln liess, was ja auch der nackten Wahrheit entsprach. Auch wenn mein Schnabel noch südlich des Hochrheins, aber nördlicher des Gotthardmassivs gewachsen war.

Seit sieben Jahren also lebte ich in München, seit zwei Jahren in einer eigenen Wohnung in einer Retortensiedlung namens Arabellapark, dem Stadtbezirk Bogenhausen zugehörig. Meine Brötchen verdiente ich als Journalist bei einer lokalen Zeitung, die eher ein Käseblatt war. Darum auch die Süddeutsche am Morgen – immerhin meine Traumdestination, für die ich mich immer zu empfehlen versuchte.

Gesättigt von tagesaktuellen Informationen kletterte ich unter die Dusche.

Als ich das Wasser laufen liess, fiel mir dann der Brief des Hausmeisters wieder ein, welcher besagte, dass am heutigen Tage der Boiler wegen irgendwelchen angeblich notwendigen Wartungsarbeiten abgeschaltet war.

Bibber!

Das kalte Wasser startete einen Versuch, meine Lebensgeister zu erwecken.

Es blieb beim Versuch. Ein jämmerlicher Versuch.

Auch als ich in meine Kleider geschlüpft war, sah ich kaum durch meine Augenlider hindurch.

Gähnend holte ich meine Jacke vom Haken und schloss die Tür. Draussen war es kalt, typische Dezemberluft.

Nach drei Tagen Schnee schien immerhin die Sonne. Ich setzte mir meine Sonnenbrille auf und machte mich auf den Weg zur nahegelegenen U-Bahn-Station. Ein Auto besass ich keines; der Sinn, in einer Grossstadt wie München im eigenen Wagen zu sitzen, erschloss sich mir nicht.

Nachdem ich mich durch den Menschenstrom gequält hatte, trat ich auf den Bahnsteig, der bereits proppenvoll von Pendlern war, welche in etwa dieselbe Lebensenergie ausstrahlten wie ich. Wenn man diese Energie nutzen könnte, wäre vielleicht die Versorgung eines jämmerlichen einsturzgefährdeten Strebergartenhäuschens oder dessen Überresten zu gewährleisten.

Mit einem lauten Grummeln signalisierte mein Zug sein Ankommen, wenig später erblickte ich im Tunnel die Frontlichter der Bahn, ehe sie dann mit einem lauten Tosen in den Bahnhof einfuhr und mit quietschenden Bremsen hielt.

U4 forever! Was mache ich nur ohne dich?

Ich quetschte mich in die bereits volle U-Bahn. Wie durch ein Wunder hatte der gesamte Bahnsteig Platz in dieser Kiste erhalten, wenn auch mit der Konsequenz, dass sie jetzt die Steigerungsform einer Sardinenbüchse ist.

Dummerweise hatte mein Nachbar wohl heute bei seiner Katzenwäsche sein Deodorant vergessen, und seine Achselhöhe befand sich ebenso dummerweise auf meiner Nasenhöhe. Meine Schleimhäute lösen sich bei dem Geruch ja freiwillig auf. Das Gute daran: In nächster Zeit werde ich wohl keinen Schnupfen haben, diesem Stinktier sei Dank!

Am Stachus stieg oder besser zwängte ich mich aus der U-Bahn und liess mich mit einer der Rolltreppen ans Tageslicht befördern.

Gierig streckte ich meine Arme nach den Sonnenstrahlen aus, woraufhin ich verwirrte Blicke von Passanten erntete.

Freudloses Volk!

Getäuscht

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