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DAS MODEHAUS E. HUTTER

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Erwin und Irma Hutters Sprung von Kriessern nach Altstätten ist nicht riesig. Fünf Kilometer liegen zwischen den beiden Orten, aber das eine ist ein Bauerndorf, das andere ein kleines Städtchen mit damals 8300 Einwohnern und einem mittelalterlichen Ortskern. Die sankt-gallische Gemeinde Altstätten grenzt mit Kriessern an Oberriet. Liechtenstein und die österreichische Grenze sind nicht weit entfernt. Richtung Westen grenzt der Ort an den Kanton Appenzell Ausserrhoden und die Ausläufer des Alpsteins. Und Richtung Norden mündet keine zwanzig Kilometer entfernt der Rhein in den Bodensee. Der Ort hat seit dem 9. Jahrhundert die Stadtrechte, Stadtmauern und eine Verbindung zum Kloster St. Gallen. Man ist hier stolz auf die Rolle als Marktflecken der Region seit dem Mittelalter und die seit vielen Hundert Jahren gepflegte Fasnachtstradition. In vorindustrieller Zeit verhilft der Handel mit Leinwand, später mit Seide und Baumwolle einigen Familien zu grösserem Wohlstand. Im 18. Jahrhundert leistet man sich ein repräsentatives Rathaus, und an der Marktgasse entstehen stattliche Bürgerhäuser mit Bogengängen. Mit dem Bahnbau 1858 entwickelt sich eine heimische Industrie mit Webereien und Stickereiunternehmen, sie dominieren bis zum Ersten Weltkrieg. Die Zeit danach wird wirtschaftlich schwierig. Erst in den 1960er-Jahren zieht die Konjunktur wieder markant an, siedeln sich neue Betriebe in und um Altstätten an, ziehen neue Leute zu. Menschen, die auch Kleider brauchen. Es ist eine überschaubare Kleinstadt, die Wege sind kurz, man kennt sich. Die zwei dominantesten Gebäude im Ort sind die katholische und die reformierte Kirche, gefolgt vom Kloster Maria Hilf.

1948 steht nicht weit von der Obergasse, in einer Kurve am Rande der Altstadt, ein frei stehendes, dreistöckiges Haus zum Verkauf: Trogenerstrasse 24. Im Erdgeschoss lässt sich ein Kleidergeschäft einrichten, darüber kann man wohnen. Das junge Schneiderpaar hat zwar nicht genug Geld für den Kauf, aber Irmas Vater, Matthias Dietsche, bürgt für den Kredit von 53 540 Franken, den die Rheintaler Creditanstalt Au gewährt. 56 000 Franken kostet das Haus, 12 000 Franken werden in den Umbau investiert. Im Wohn- und Geschäftshaus wird 1948 das «Modehaus E. Hutter» eröffnet. Auch für Nachwuchs ist Platz: Irma ist schwanger.

Es müssen intensive Jahre sein, die folgen. Die vier Kinder werden zwischen 1948 und 1955 geboren, und Vater und Mutter packen tüchtig im Geschäft an. Die Familie wohnt im ersten und zweiten Obergeschoss. Gardis Zimmer liegt neben dem Änderungsatelier, und sie erinnert sich, wie sie als Kind oft dort war: «An den Wänden waren die Fadenspulen an Nägeln aufgesteckt. Und die Knöpfe wurden in vielen kleinen Schubladen aufbewahrt. Ich liebte es als Kind, dort zu spielen; ich kann die verschiedenen Knopfarten heute noch beschreiben. Vermutlich haben die zwei, drei Schneiderinnen, manchmal auch ein Schneider, im Atelier auch auf mich aufgepasst.» Die Faszination aus Kindertagen wird nach Jahrzehnten dann zur Inspiration für die Künstlerin.

Die Massschneiderei wird ab Mitte der 1950er-Jahre durch immer mehr Damen- und Herrenkonfektion ersetzt, und den Erstkommunions- und Firmungsanzug kauft man jetzt bei Hutters. Mit dem Laden gelingt den Eltern zwar der soziale Ausstieg aus dem einfachen bäuerlichen Leben ihrer Vorfahren, aber in gewisser Weise setzen sie es unter anderen Vorzeichen fort. Der Gewerbebetrieb und das Wohnen finden wie auf dem Bauernhof unter einem Dach statt. Vater und Mutter arbeiten beide, und die Kinder wachsen nebenher und mittendrin auf. «Meine Eltern arbeiteten jahrelang elf bis zwölf Stunden pro Tag. Es machte ihnen nichts aus. Sie waren es gewohnt vom Hof. Viel Arbeit war Teil des Lebens, galt als Tugend, und wer tüchtig war, konnte es zu etwas bringen», erzählt Gardi Hutter.

In der Schweiz kommen damals mittags alle Kinder von der Schule nach Hause. Der Laden wird für eine gute Stunde geschlossen. Kochen und Essen müssen in der kurzen Zeit effizient über die Bühne gehen. Es klappt, weil Irma Hutter sehr geübt ist: «Meine Mutter war stolz darauf, dass sie ein Mahl für sechs Personen in zwanzig Minuten auf den Tisch stellen konnte.» Und natürlich kocht sie oft vor, sie bereitet die Kartoffeln oder einen Eintopf schon am Vorabend zu, und dann brät sie noch Würste, oder es gibt Käsenudeln. Hauptsache, es geht schnell.

Trotz allem - Gardi Hutter

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