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ОглавлениеKapitel 7
Eichstätt, Gabrieli-Quartier, Innere Freiwasserstraße,
Samstag, 3. Oktober 2015, 14:11 Uhr
»Early this morning when you knocked upon my door … And I say: ›Hello satan, I believe it’s time to go’ …«
Den Leichnam in Szene setzen war Teil einer Dramaturgie. Zwei Arten von Mördern taten das. Der eine tötete mehr oder weniger zufällig. In einer emotionalen Ausnahmesituation. Im Affekt. In der Regel wurde ihm erst hinterher bewusst, was er angerichtet hatte. Pallasch erinnerte sich an ein erdrosseltes Mädchen, das im Vorgarten seines Elternhauses in einem Blumenbeet abgelegt worden war. Die Mutter dachte das Kind würde schlafen, als sie es fand. Es war der verzweifelte Versuch des Mörders, das Geschehene ungeschehen zu machen, der Toten Würde und Unschuld zurückzugeben.
»Me and the devil walking side by side … And I’m gonna see my woman ‘til I get satisfied …«
Der andere Typ Mörder arrangierte den Leichnam bewusst, handelte nach Plan, wollte etwas mitteilen. Das Töten war Mittel zum Zweck. Die Ermittler sollten das erkennen, die geheime Sprache entschlüsseln, das Unbegreifliche begreifen.
»Say I don’t see why people dawging me around … It must be that old old evil spirit … That spirit drop me down in your ground …«
Pallasch wusste, dass er es hier mit der zweiten Kategorie zu tun hatte. Er war dabei, Teil eines Spiels zu werden. Ein Spiel ohne Regeln. Gegen einen Gegner ohne Seele. Der Mörder hatte den ersten Zug getan. Jetzt war er an der Reihe einen Stein zu setzen. Orientierungslos. Verloren in einer Welt ohne Licht. Er dachte an das Mordhaus. Es war an der Zeit dort ein neues Zimmer einzurichten, eine neue Tote willkommen zu heißen.
»Servus, Herr Kommissar.« Ein kleiner, pummeliger Mann war an seiner Seite erschienen. Pallasch hatte ihn gar nicht kommen hören. Wie all die anderen steckte er in einem weißen Schutzanzug. Der Aluminiumkoffer, den er bei sich trug, wirkte viel zu groß für ihn.
»Doktor Mendl.« Pallasch zwang sich ein Lächeln ab. Mendl war Tatortarzt, immer im Dienst. In den vergangenen Jahren hatte er nicht eine Ermittlung verpasst.
Mendl stellte den Koffer ab, betrachtete die Tote auf der Matratze. Ein paar Sonnenstrahlen hatten die Wolkendecke durchschnitten, fielen durch das Glas über dem Bett, tauchten den Leichnam in ein eigenartig gleißendes Licht. Das Bild wirkte surreal. Romantisch entrückt, wie ein Kunstwerk. Pallasch erinnerte ein Gemälde, das er in einer der Münchener Pinakotheken gesehen hatte. Wie hatte der Künstler noch gleich geheißen?
»You may bury my body down by the highway side … So my old evil spirit can greyhound bus that ride …«
Die Reibeisenstimme aus dem Nichts setzte aus. Plötzlich war es mucksmäuschenstill. Irgendjemand hatte es geschafft die Musik abzuschalten. Endlich. Ein paar der Techniker jubelten spontan. Als sich die Unruhe gelegt hatte, öffnete Mendl den Koffer.
»Darf ich die Leiche untersuchen, Herr Kommissar?« Er zupfte an den Gummihandschuhen über seinen Händen. Wie immer schwitzte er stark. Pallasch nickte, zog sich zu Lachmann ans Fußende des Bettes zurück. Er schob die Hände in die Hosentaschen, beobachtete, wie der Arzt sich über die Tote beugte.
»Hhm …« Mendl betastete den Hals der Leiche. »Die typischen Hämatome. Zungenbein und Kehlkopf frakturiert.« Er kramte eine lange Pinzette aus dem Koffer. »Petechiale Blutungen in den Konjunktiven.« Mit dem Ärmel wischte er sich den Schweiß von der Stirn. »Die Frau wurde augenscheinlich erwürgt, Herr Kommissar.«
Pallasch schwieg. Mendl erzählte ihm nichts Neues. Er hatte die Würgemale bereits erkannt. Während Mendl die Pinzette zurück in den Koffer warf, ein Vergrößerungsglas hervorzog, um die Blutergüsse zu studieren, wurde Lachmann unruhig.
»Denken Sie der Mops wurde auch erwürgt, Chef?«, fragte er leise. »Ich meine, bevor man ihn ins Wasserglas gesteckt hat.«
Pallasch war sprachlos. Er musterte den Kommissar, suchte nach einer passenden Antwort. In Lachmanns Augen funkelte diese unheimliche Mischung aus kindlicher Neugier und Abscheu.
»Woher soll ich das wissen?« Eine dumpfe Taubheit kroch Pallasch aus dem Nacken in den Hinterkopf. Auf einmal fühlte er sich benommen, so als sei er aus einem tiefen Schlaf erwacht. Der schwarze Vogel, der ihm auf seiner Wanderung begegnet war, erschien vor seinem inneren Auge. Das böse Omen. Der Todesbote. Pallasch erschauderte. Das blöde Mistvieh hatte Recht behalten.