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ОглавлениеKapitel 9
Eichstätt, Gabrieli-Quartier, Innere Freiwasserstraße,
Samstag, 3. Oktober 2015, 14:48 Uhr
»Habedere, Schorsch! Lang nicht mehr gesehen.« Anna schlug Ringel klatschend die Hand auf den Rücken. »Wie läuft’s in Eichstätt?«
»Passt scho.« Ringel lächelte gequält. »Schön euch zu sehen, auch wenn die Umstände nicht gerade glücklich sind.« Anna kannte Ringel noch von der Esplanade. Bis vor zwei Jahren war er dort in der Drogenfahndung. Jetzt leitete er die Eichstätter Polizeiinspektion.
»Servus Ringel!« Berger stand vor dem Panoramafenster, starrte in den Regen. Geistesabwesend. Unrasiert. Die schwarzen Locken unter der schmuddeligen Baseballkappe. Anna hatte ihn in der Ingolstädter Altstadt aufgelesen. Er hatte die Nacht bei seiner neuen Liebschaft verbracht. Einer üppigen Brünetten, die es sich nicht hatte nehmen lassen, ihn halbnackt in der Wohnungstür abzubusseln. Überschwänglich und mit ein paar giftigen Blicken für Anna, die brav im Treppenhaus gewartet hatte.
»Na dann schieß mal los Ringel. Wen haben wir denn hier?« Anna sah zu den beiden Gestalten hinüber, die auf dem cremefarbenen Sofa vor dem offenen Kamin hockten. Nahezu das einzige Möbelstück in dem weitläufigen Wohnraum.
»Wir kennen die beiden.« Ringel räusperte sich. »Ignatz und Theodor Pussél. Die zwei haben mit einer Gruppe das Luxusappartment besichtigt. Dabei sind sie dann über die Leiche gestolpert.«
Anna sah noch einmal zum Sofa. Diesmal länger. Jetzt erkannte sie die beiden Brüder, die einander glichen wie ein Ei dem anderen. Der Forsche war Theodor, Hirnprofessor an der Berliner Charité. Ignatz, der Ruhige, war Priester. Er arbeitete an der Katholischen Universität in Eichstätt.
»Habt ihr euch die beiden schon vorgeknöpft?« Anna griff sich in die Locken. Ein blöder Tic. Einer von vielen. Berger stand noch immer am Fenster, zählte Regentropfen.
»Na, gwiss ned.« Ringel hob abwehrend die Hände. »Das ist nicht unsere Aufgabe. Dafür gibt’s euch Mordler. Wir sind nur das Fußvolk. Zaungäste, gewissermaßen.« Er sagte es vehement, aber ohne Feindseligkeit zwischen den Zeilen. Anna hatte den Eindruck, dass Ringel heilfroh war, die Ermittlungen abgeben zu dürfen. Sie konnte es ihm nicht verübeln.
»Wer außer den beiden war noch dabei, als die Leiche gefunden wurde?« Berger war aus seiner Apathie erwacht. Zum Teil zumindest. Die Hände in den Taschen der Jeansjacke, gähnte er ungehemmt. Anna konnte in den Tiefen seines Rachens goldene Kronen erkennen.
»Eine alte Schachtel, ehemalige Lehrerin des hiesigen Musiker-Gymnasiums, die sich nach dem Ableben ihres Gatten einen Lebenstraum erfüllen mag. Ein Heizungsbauer, der seine Altersversorgung anlegen will. Und ein aufgestyltes Yuppie-Pärchen aus Ingolstadt. Beide Audianer, die nicht wissen wohin mit ihrem Geld. Alle vier hocken in der Küche und warten auf euch.« Ringel deutete mit dem Daumen über die Schulter.
»Ja sauber.« Berger riss sich die Kappe vom Kopf. Die dunkle Lockenpracht fiel darunter hervor. »Ausgerechnet heut, wo’s mir überhaupt nicht passt, kommt so ein gschissner Mordfall daher.«
»Mei, wie nett.« Anna lachte laut. »Der Burgerking ist verliebt. Hat er der Molligen ewige Treue geschworen? Wann ist Hochzeit?« Berger ballte die Hand zur Faust.
»Halt’s Maul, Anna«, zischte er. »Die Ulla ist überhaupt ned dick. Sie hat nur gscheid Holz vor der Hüttn. Ist halt ned so a dürre Dirn wie du eine bist.«
»Freilich.« Anna rupfte sich eine Locke aus dem Wuschelkopf. »Ein ordentliches Weibsbild ist sie. Sogar mit Damenbart.« Sie schürzte die Oberlippe, klemmte die Locke unter die Nase. »Wie der alte Kaiser Wilhelm.« Berger boxte nach ihr, sie konnte ihm gerade noch ausweichen.
»Ähm, braucht’s ihr mich noch?« Ringel zeigte auf die Uhr an seinem Handgelenk. »Ich muss weiter nach Dollnstein. Da hat heut Nacht das Flüchtlingsheim gebrannt. Brandstiftung, wie’s ausschaugt.« Anna überlegte. Es sprach nichts dagegen, Ringel ziehen zu lassen. Die Vernehmung der Zeugen war nicht seine Angelegenheit.
»Geh nur, Ringel.« Sie kramte ein Päckchen Kaugummi aus der Hosentasche. »Wenn wir noch Fragen haben, melden wir uns.« Ringel nickte dankbar und zog ab. Anna öffnete die Kaugummis, bot Berger einen Streifen an. Ein Friedensangebot. Sie musste ihn beschwichtigen. Es waren sechs Zeugen zu verhören, da mussten sie als Team auftreten. Berger griff nach dem Päckchen, schob sich grinsend gleich mehrere Streifen in den Mund. Anna riss ihm das Päckchen aus der Hand, stopfte es zurück in die Hosentasche.