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Dämonenanwärter Alfred Poloser biss sich auf die Unterlippe und beherrschte sich mühsam, während sein Gegenüber mit affektiert überlegenem Grinsen im Gesicht seinen Vermerk las. Abgesehen von Hörnern und Hufen sah der Kerl eigentlich nicht besonders dämonisch aus, eher bieder, wie ein gewöhnlicher Bürohengst. Ein bisschen grobschlächtig vielleicht, groß und breit, mit einem dicken Schmerbauch und tiefen Falten auf der haarlosen Stirn, aus der die beiden prächtigen Hörner hervorwuchsen. Mit dem rechten Huf trommelte er gelangweilt ein Requiem auf die Schreibtischplatte, während seine Augen über die Zeilen huschten. Insgeheim wünschte Poloser den Kerl zur Hölle, was völlig überflüssig war, denn sie waren ja ohnehin schon dort.

»Tjaaaa«, sagte der Kerl schließlich gedehnt, »ich fürchte, Sie sind hier völlig falsch, werter Kollege. Das hier«, er wedelte mit dem Blatt Papier in seinem Huf, »ist ein Fall von Finsternis und Verderben, und dafür bin ich absolut nicht zuständig. ›Finsternis und Verderben‹ sind schräg gegenüber. Sie sind hier bei ›Chaos und Zerstörung‹.«

»Ich weiß, Herr Dr. Schmelzer, aber ...«

»Hören Sie, Herr ...?«, unterbrach Dr. Schmelzer.

»Poloser. Alfred Poloser, Projektbüro.«

»Ach ja, richtig. Projektbüro«, schnaubte Dr. Schmelzer verächtlich, worauf ihm ein paar glühende Funken aus den Nüstern stoben. Das Blatt mit Polosers Vermerk begann leicht zu kokeln. »Oh, Verzeihung«, murmelte Schmelzer und versuchte die Flämmchen mit feurigem Atem auszupusten, worauf das Blatt erst richtig in Brand geriet. Er warf das Papier in ein großes, mit siedendem Öl gefülltes Goldfischglas. Einige kross frittierte Fischlein schwammen darin herum. »Sie sollten sich aus dem Materiallager das asbestbeschichtete Papier besorgen, das bewahrt Sie künftig vor solchen Missgeschicken,« sagte Schmelzer und fischte die vom Öl tropfenden Reste von Polosers Vermerk aus dem Glas.

Poloser schnappte nach Luft. War es etwa sein Fehler gewesen, dass der Vermerk jetzt aussah wie ein Bogen Backpapier, auf dem soeben die einhundertste Pizza aufgebacken worden war? Dieser Kerl konnte einen wahrlich zur Weißglut bringen. Für einen voll ausgebildeten Profidämon gehörte gerade das natürlich auch zum kleinen Leuteschinden-Einmaleins. Egal. Poloser sparte sich eine Erwiderung und beschränkte sich darauf, höflich in den Huf zu husten, als ihm ein schwefliger Schwall von Schmelzers heißem Atem in die Nase stieg. Verflixt, er hatte es immer noch nicht richtig drauf, ohne Sauerstoff zu atmen.

»Na schön, Poloser«, hob Dr. Schmelzer neu an und glättete beiläufig die frittierten Papierreste. »Auch wenn wir bisher noch nie das Vergnügen miteinander hatten, bin ich sicher, haben Sie bereits von mir gehört -«

Oh ja, gehört hatte Poloser allerdings einiges über Herrn Oberzerstörungsrat Dr. Schmelzer. Die besten Jahre lagen lange hinter ihm und er bereitete sich offenbar innerlich schon auf den Ruhestand vor. Ein echter Projektverhinderer, der immer der Erste in der Reihe war, wenn es in der Kantine Rippchen gab (vom frisch aufgebrochenen Kadaver), aber dafür kaum aufzufinden, wenn es um das tägliche Schreckensherrschaftshandwerk ging. Mit Sicherheit würde er als Nächstes versichern, wie gerne er doch helfen würde und dann, warum ihm das nicht möglich war.

»- und ich würde Ihnen wirklich gerne helfen, aber ...«

Poloser seufzte. Als unterster Diener des Fürsten der Finsternis hatte man es wahrlich nicht leicht.

Oberzerstörungsrat Schmelzer las nochmals den Text des Vermerkes in seinen Hufen durch. »Ziemlich große Nummer, die Sie da vorhaben, was? Etwas in der Größenordnung hatten wir seit der Sintflut nicht mehr. Naja, vielleicht noch die Pest damals, aber das war ein regional eng begrenztes Projekt. Im Wesentlichen gerade mal ein Kontinent.« Schließlich schüttelte er den Kopf und reichte Poloser das verschmierte Blatt zurück. »Klare Sache, Poloser: eindeutig eine Angelegenheit von Finsternis und Verderben. Ich kenn mich da aus. Und selbst Sie werden verstehen, dass ich den Kollegen da nicht einfach in die Zuständigkeiten pfuschen kann. Chaos und Zerstörung sind eine völlig andere Geschäftsgrundlage.«

Alfred Poloser ergriff das ihm dargereichte Blatt nicht. So schnell durfte er nicht aufgeben. Dieses Projekt war sein großer Plan. Gut, wenn die Sache ein Erfolg werden sollte, würde sich die Lorbeeren dafür zweifellos jemand anders anstecken, jemand wie Dr. Schmelzer, er selbst war einfach noch ein zu kleines Licht, aber je größer das Projekt, desto mehr Lorbeeren gab es zu ernten, und falls er eine Teilprojektleitung bekam und seine Sache gut machte, könnte er am Ende wenigstens seinen Probestatus loswerden und vielleicht sogar befördert werden. Das hatte auch sein Chef, Direktor Hirnbrenner gesagt. ›Poloser‹, hatte er gesagt, ›Poloser, wenn Sie eine Teilprojektleitung bekommen und Ihre Sache gut machen, können Sie am Ende Ihren Probestatus loswerden und vielleicht sogar befördert werden.‹ Und wenn es um eine Beförderung ging, durfte man nicht zimperlich sein, selbst wenn der Preis dafür die Knechtschaft einer ganzen Welt war. Es war ja schließlich nicht seine Welt.

Heinrich Töpfer und die Jubelkugel

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