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»Tut mir leid, die Sache mit deinem Zauberstab«, sagte Heinrich. Er stand im Waschraum der Sporthalle vor dem Spiegel und versuchte, sich den in mühevoller Handarbeit aufgeschminkten Blitz von der Stirn zu rubbeln.

Ein Waschbecken weiter stand Patrick Lennert, der Darsteller des Dunklen Lords, und wusch sich unter verschwenderischem Wassereinsatz die bleiche Theaterschminke herunter. Der kleine Streit auf der Bühne war längst vergessen.

»Schwamm drüber«, gurgelte er. »Diese Küchenpapierrollen bringen 's sowieso nicht. Ich glaube, ich versuch's bei der nächsten Probe mal mit einem Zeichenpinsel oder, noch besser, mit einem Hammerstiel, der knickt wenigstens nicht gleich um, wenn man ihn einem über die Rübe zieht.«

Timo Koll betrat lachend den Waschraum. »›Du hast da einen Riss im Zauberstab!‹«, wieherte er und patschte Heinrich im Überschwang auf den Rücken. »Das war echt geil, Mann. Ich dachte, Flötotto setzt gleich das Herz aus.«

»Flötotto ist ein Idiot.«

»Flötotto ist schon in Ordnung. Er ist nur etwas kunstversessen.«

»Wenn er das, was er da mit uns zusammenschauspielert, für Kunst hält, kann er nur ein Idiot sein.«

»Flötotto kann nichts dafür, dass er keine besseren Darsteller für seine Projekte findet«, gab Heinrich zu bedenken.

»Okay, einigen wir uns darauf, dass er eine Kulturmeise hat.«

Timo trat an ein freies Waschbecken, quetschte sich einen Klecks Haargel aus einer dunkelbauen Tube und begann, seine perückengeschädigte Frisur wieder auf Vordermann zu bringen. »Schade, dass du die Hauptrolle los bist, Heinrich. Ich finde, du hast es irgendwie immer geschafft, ihr so etwas Frisches, Unverbrauchtes abzugewinnen.« Timo traf Flötottos gelehrigen Tonfall exakt. Patrick und einige der übrigen Anwesenden lachten schallend.

Schade? Diese Theater-AG war eine selten dämliche Idee gewesen, dachte Heinrich im Stillen. Und dann auch noch ausgerechnet die Hauptrolle! Ehrlicherweise musste er sich eingestehen, dass Flötotto völlig Recht hatte. Es war ihm schon immer schwergefallen, sich in andere Rollen hineinzufinden, sich glaubhaft zu verstellen oder jemanden zu verkörpern, der er einfach nicht war. Von der ungeliebten Aufmerksamkeit, die man zwangsläufig erhielt, wenn man eine Hauptrolle spielte, mal ganz abgesehen. Und wie hatte Flötotto gesagt? Es gehört etwas mehr dazu, der Junge mit dem Blitz auf der Stirn zu sein.

»Tja, vielleicht bin ich mit einer anderen Rolle wirklich besser dran«, sagte er aus diesem Gedanken heraus und verstärkte die Rubbelei auf seiner Stirn, »aber die mit dieser bescheuerten Pumucklperücke muss es nicht unbedingt sein. Und seien wir mal ehrlich: Ron ist eine Lusche.«

»Immerhin kriegt er im Buch am Ende das Mädchen,« gab Patrick zu Bedenken und kratzte sich einen Schminkerest vom Haaransatz. »Welche Rolle wäre dir denn lieber?«,

»Ich weiß nicht, vielleicht einer der Geister. Mit dem Betttuch über dem Kopf fällt wenigstens niemandem auf, wenn du kein freundliches Gesicht machst.«

»Abgesehen von der Perücke ist die Ron-Rolle gar nicht schlecht«, meinte Timo. »Man hat dadurch leichter mal Gelegenheit, in Lisas Nähe zu kommen.«

Heinrich grinste etwas gezwungen. Lisa, die Hermine-Darstellerin, war eines der hübschesten Mädchen in der Theatergruppe. Für Heinrich war jedoch genau das ein weiterer Grund, sich insgeheim eine Nebenrolle zu wünschen. Lisa irritierte ihn irgendwie. Früher war es einfacher gewesen, da hatte er Mädchen einfach nur doof gefunden, doch mittlerweile bekam dieses einfache Weltbild deutliche Risse, er begann es mit anderen Augen zu sehen und manchmal ertappte er sich bei dem Gedanken, sein Leben könne allmählich ein wenig mehr Glamour vertragen. Und doch oder gerade deswegen machten Mädchen wie Lisa ihn unsicher und nervös. Angesprochen auf dieses Thema pflegte sein Vater stets recht unpräzise zu werden und wenig hilfreiche Sätze abzusondern, wie ›das kriegst du schon noch früh genug raus‹ oder ›damit hast du noch ein wenig Zeit‹.

Patrick trocknete sich das Gesicht ab und packte sein Waschzeug zusammen. »Ich muss los, Jungs, meine Mum holt mich ab. Wie sieht's mit morgen aus? Schafft ihr es bis drei? Nils und Luka kommen auch.«

»Mein Vater bringt mich gegen halb vier«, sagte Timo. »Hoffentlich kommt der nicht dahinter, dass wir eine Counterstrike-Party aufziehen. Er denkt, es geht um eine Hausaufgaben-AG.«

»Hab ich meinem Vater auch erzählt«, sagte Heinrich.

»Von mir wird es keiner erfahren«, grinste Patrick. »Na denn, bis morgen, Jungs.« Er schulterte seine Sporttasche und verließ den Waschraum.

Timo prüfte mit kritischem Blick sein Spiegelbild. »Ich denke, so passt das einigermaßen. Was ist mit dir? Kommst du klar?«

»Einigermaßen.« Heinrich rubbelte noch immer an seiner Stirn, die inzwischen knallrot geworden war. »Ich krieg diesen verdammten Blitz nicht ab. Blöde Schminke! Hartnäckig wie ein Tattoo.«

»Kussechter Lippenstift, was?«

»Sehr witzig. Naja, künftig wirst du derjenige sein, der sich die Birne bemalen darf. Ich bin jedenfalls durch mit dem Jungen mit dem Blitz auf der Stirn.«

Heinrich Töpfer und die Jubelkugel

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