Читать книгу Heinrich Töpfer und die Jubelkugel - Detlef Köhne - Страница 11

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»Morgen, Heinrich! Warm, was?«

»Kann man wohl sagen,« schnaufte Heinrich und setzte sich auf einen der Hocker an der Esstheke, an der sein Vater ohne aufzublicken damit fortfuhr, einen Berg Tomaten, Zwiebeln, Paprika und allerlei Grünzeug zu einem bunten Salat zu schnippeln. »Dürfte ich schon Bier trinken, würde ich jetzt eins wollen.«

»Gute Idee«, grinste Heinrichs Vater, setzte seine Bierflasche an die Lippen und nahm einen tiefen Schluck. »Aaaah«, machte er zungeschnalzend, als wolle er seinem Sohn unmissverständlich klarmachen, dass ein kühles Bier, genossen an einem heißen Augusttag wie heute, ein keinesfalls zu überbietender Genuss war, und welch riesige Entbehrung es für seinen Sohn sei, dass ihm dieser Genuss noch über Jahre hinweg verwehrt bleiben würde.

»Sadist«, murrte Heinrich, nahm sich ein Malzbier aus dem Kühlschrank, öffnete es mit einem herumliegenden Flaschenöffner, trank einen Schluck und gab sich alle Mühe, den Genuss nachzuempfinden.

»Und?«, fragte Heinrichs Vater schmunzelnd.

»Süß und klebrig.«

»Was zu erwarten war.«

Sie stießen an.

Heinrichs Vater, Paul, war ein gutmütiger und stets gut gelaunter Erwachsener. Seine Schlaksigkeit und seine etwas kränklich wirkende Blässe ließen ihn markloser erscheinen als er war, denn Heinrichs Vater, daran konnte kein Zweifel bestehen, trug einen nur schwer zu erschütternden Frohsinn in sich.

»Was hast du da am Kopf?«, fragte er nun mit einem Seitenblick auf Heinrich.

»Was? Ach, das.« Heinrich wischte sich ein paar Strähnen seines strubbeligen Haares in die Stirn. Er trug es gern ein wenig zerwühlt, damit es weniger auffiel, wenn er einmal vergessen hatte, es zu kämmen. »Ist nichts weiter. Ein Überbleibsel unserer Theaterprobe von gestern. Ich kriege das Zeug einfach nicht abgewaschen.«

»Blättert bestimmt irgendwann mit dem restlichen Dreck von allein ab. Wie läuft's denn so in der Theater-Ag?«

»Bin die Hauptrolle losgeworden.«

»Und? Ist das gut oder schlecht?«

»Hm, ich denke, eher gut. Weniger Sprechtext.«

»Prima, dann hast du ja endlich mehr Zeit für die Hausaufgaben«, rief Paul Töpfer geradezu euphorisch. »Dazu noch das freiwillige Engagement in eurer Hausaufgaben-AG, die sich heute zu einer mehrtägigen, zweifellos hochengagierten Arbeitssitzung trifft ... Mann, das nimmt ja Formen an ... Und immer das Notebook als Hausaufgabenhilfe unter dem Arm. Sehr vorbildlich. Da bekommt man als Vater doch sofort das Gefühl, eine sinnvolle Investition getätigt zu haben.«

»Oh, äh ja, ich ...« Heinrich spürte sein Gesicht heiß werden. Hastig begann er, hektische Betriebsamkeit um seinen Klapprechner zu entfalten, den er natürlich mitnichten aus seinem Zimmer mit heruntergebracht hatte, um sich um die Hausaufgaben zu kümmern, genauso wenig, wie es bei dem Treffen mit seinen Freunden um eine Hausaufgaben-AG ging. Er wollte vielmehr noch ein paar neue Spiele installieren, bevor er sich nachher auf den Weg zu Patrick und den anderen machte.

Sein Vater beobachtete ihn grinsend aus dem Augenwinkel. Hatte er etwa etwas gespannt? Natürlich. Dem Alten war selten etwas vorzumachen. »Da fällt mir ein: Ich wollte dir ja noch ein neues Rechtschreibmodul einrichten«, sagte er beiläufig. »Wollen wir das jetzt gleich machen, oder nach dem Grillen?«

»Öhm, nein, lass uns das lieber später machen. Es läuft gerade alles so gut. Und ich will nach dem Grillen gleich los.« Wäre er doch nur oben in seinem Zimmer geblieben! Aber er hatte einfach keine Lust gehabt, oben alleine zu hocken. Hereinwehender Holzkohlendunst vom allmählich in Gang kommenden Grillfeuer und das Gelärme vom Pool, wo seine Mutter, seine kleine Schwester Lena und einige ihrer Freundinnen zusammen mit deren Muttis ausgelassen planschten und mit gellenden Schreien der Begeisterung das Rasenmähergebrumm aus dem Nachbargarten zu übertönen suchten, hatten ihn nach unten gelockt.

Ein bisschen schade war es schon, ein Wochenende mit solch idealem Badewetter dem Computerspielen zu opfern, aber es lag ideal: Montag war schulfrei und er hatte von seinen Eltern für zwei Nächte Ausgang bekommen. Außerdem war das Spielewochenende schon seit Wochen verabredet. Spätestens um drei wollte er sich mit seinem Rucksack, der gepackt mit ein paar Klamotten zum Wechseln an der Haustür bereitstand, auf den Weg machen. Hoffentlich waren sie bis dahin mit dem Grillen fertig. Schon jetzt lief ihm das Wasser im Mund zusammen, wenn er an Würstchen und Steaks vom Grill und dazu Vaters Salat und knuspriges Baguette dachte.

Pool und Garten waren nur zwei der vielen Gründe, warum Heinrich sein Zuhause im Wegerichweg liebte. Als sie das Haus mit der Nummer vier vor Jahren gekauft hatten, war der Garten noch ein seelenloser Zierpark mit geharkten Kieswegen und penibel getrimmten Rosenbüschen gewesen. Erst seit die Töpfers hier wohnten, war daraus ein weitgehend naturbelassenes Gartenidyll geworden. HHHHhHhasödljkfjlakjsdfqweuuioreDie ehemaligen Besitzer des Hauses hatte Heinrich nie kennengelernt, er war damals noch ein Baby gewesen, aber von seinen Eltern wusste er, dass das eine ziemlich schräge Sippe gewesen sein musste, Wermut und Petunie Durstig und ihr fetter Sohn Diddl. Bei ihnen hatte noch ein zweiter Junge gewohnt, angeblich ein Neffe aus England, der dort irgendwann unter mysteriösen Umständen aufgetaucht war. Nachbarn hatten gemunkelt, ein geflügelter Motorradbote habe ihn gebracht. Kurz danach hatte es geheißen, die Durstigs seien quasi über Nacht zu einer Menge Geld gekommen. Sie hatten das Haus von jetzt auf gleich verkauft und waren Hals über Kopf aus der Gegend verschwunden. Das war jetzt bereits über zehn Jahre her und man hatte in der Nachbarschaft nie wieder etwas von den Durstigs und dem Jungen aus England gesehen oder gehört.

Die Ansage »Sie haben neue Mails in Ihrem Posteingang« aus den kleinen Lautsprechern seines Laptops ließ Heinrichs Gedanken in die Gegenwart zurückkehren. Der Rechner war hochgefahren, das E-Mail-Programm gestartet. Mist, schon wieder alles voller Spam-E-Mails. Einfach nicht loszuwerden, dieses Zeug. Und was die nur immer wollten?

»Dad, was heißt eigentlich ›Enlarge your penis‹?«

Heinrichs Vater ließ ruckartig die Anspannung vom Zwiebelschneiden aus den Schultern weichen und sah seinen Sohn über den Brillenrand hinweg an.

»Öhm, das heißt soviel wie ›Liebe deinen Nächsten, solange er warm ist‹«, sagte er unsicher.

»Ah, und ich dachte schon, es habe etwas mit Penisverlängerung zu tun. Mit dem Schulenglisch sind wir noch nicht so weit.«

»So etwas lernst du normalerweise auch nicht im Schulenglisch. Warum fragst du?«

»Ach, ich habe hier dauernd dieses Werbezeugs im Posteingang. ›Download cool ringtone‹ kann ich mir gerade noch zusammenreimen, aber bei ›Levitra overnight shipping‹ setzt es bei mir echt aus.«

»Lösch das Zeug einfach und kümmer dich nicht weiter drum. Gelegentlich richten wir dir mal einen vernünftigen Spamfilter ein.«

»Schau mal, hier kennen sogar welche unseren Namen: ›Willkommen, Herr Töpfer, in Hochwärts, der führenden Akademie für Zauberei und die Errettung der Welten vor den dunklen Kräften‹.«

»Was? Lass mal sehen.« Paul wischte sich die Hände an seinem schlabberigen Alltags-T-Shirt ab und drehte Heinrichs Laptop ein Stück zu sich hin. »Hm, das ist ja komisch. Spam-Versender machen sich eigentlich nicht die Mühe, die Namen der Empfänger herauszufinden. Das muss etwas anderes sein.« Er klickte die Nachricht an und ein E-Mail-Fenster baute sich auf.

Heinrich machte einen langen Hals und schaute ihm über die Schulter hinweg zu. Abgesehen von einer knappen Werbebotschaft am unteren Fensterrand (»Besuchen Sie das Land der Kürbisse und der Magie und lassen Sie sich verzaubern – www.visithochwaerts.wiz«) war es leer. Zwei Dateianhänge waren beigefügt, symbolisiert mit einem Eulen-Icon und benannt mit den Namen ›einladung.owl‹ und ›einkaufsliste.owl‹. Der Absender der seltsamen Post hieß ›c.mcgummiball@hochwaerts-akademie.wiz‹.

»Punkt Witz? Von einer solchen Domain habe ich noch nie etwas gehört.«

»Was sind das für Anhänge?«, fragte Heinrich und tippte auf die beiden Eulenbildchen.

»›Owl‹«, murmelte Heinrichs Vater. »Das ist Englisch und heißt Eule. Als Dateiendung kenne ich das nicht. Man sollte unbekannte Dateianhänge ohnehin nicht öffnen, aber selbst wenn wir wollten: wir haben gar kein Programm, mit dem wir das aufmachen können.« Er klickte den Anhang mit dem Namen einladung.owl an und zu ihrer Überraschung öffnete sich prompt ein Programm zum Lesen und Bearbeiten von Texten, das sie noch nie gesehen hatten. Es hieß ›Marvelsoft Owl‹ und trug das Symbol einer Eule in der Titelzeile.

»Nanu?«, wunderte sich Paul. »Bringen die Spammails neuerdings ihre Leseprogramme gleich mit? Ist ja merkwürdig. Dazu eine Domain mit der Endung ›wiz‹, eine Dateiendung Namens ›owl‹ – das ist, als komme der Absender dieser Mail aus einem anderen Universum.«

Das Programm hatte ein amtlich wirkendes Schreiben mit einem bunten Emblem in der rechten oberen Ecke geladen. Das Emblem zeigte ein gestreiftes kugelförmiges Symbol, wie ein Kartoffelkäferbonbon; darin steckten zwei übereinander gekreuzte Stäbe, aus deren einem Ende jeweils ein paar bunte Sterne flogen. Rings um das Symbol herum stand ein verschnörkelter Schriftzug: ›Lerne zu leiden, ohne zu klagen. Sei vorbereitet und rechne mit dem Schlimmsten‹.

»Das klingt aber alles andere als einladend«, meinte Heinrich.

Unter dem Emblem folgte der Text des Schreibens:

Lieber Herr Töpfer,

es ist mir eine große Freude, Sie über den Umstand Ihrer Einschulung in Hochwärts, der führenden Akademie für Zauberei und anderes seltsames Zeug, zu informieren.

Das Schuljahr beginnt am kommenden Montag. Eine Verletzung der mit diesem Tag einsetzenden Schulpflicht kann den zuständigen Behörden zur Anzeige gebracht werden.

Bereits am morgigen Sonntag findet die Ermittlung der Hauszugehörigkeiten statt. Bitte finden Sie sich hierzu rechtzeitig bis 17 Uhr am Check-in-Schalter der Akademie Hochwärts in Sonschiet ein. Sollten Sie dem Auswahlverfahren unentschuldigt fernbleiben, wird Ihre Hauszugehörigkeit ausgelost. Auf die unter Umständen unliebsamen Konsequenzen wird ausdrücklich hingewiesen.

Stellen Sie bitte sicher, dass Ihre Ausrüstung und Ihr Lehrbücherbestand zum Semesterstart vollständig und intakt sind. Die Liste mit den erforderlichen Ausrüstungsgegenständen finden Sie in dem zweiten Dokument, das Bestandteil dieser Benachrichtigung ist.

Mit freundlichen Grüßen

C. McGummiball‹

Das Schreiben endete mit den Angaben der Bankverbindung, den Öffnungszeiten des Sekretariats sowie einer Anfahrtbeschreibung: »Erreichbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln über die U-Bahn-Linien 42 und 666, Haltestelle ›Magische Akademien – Hochwärts‹«.

Heinrich und sein Vater schauten sich an.

»Akademie für Zauberei und anderes seltsames Zeug? Ich glaube, hier erlaubt sich einer einen Scherz mit uns«, grinste Paul und kratzte sich unsicher am Kopf. »Ich wüsste aber trotzdem zu gerne, wie die das anstellen, dass direkt mit dem Öffnen der Nachricht das Leseprogramm für dieses seltsame Dateiformat installiert wird. Soll das Schäubles Bundestrojaner sein? Schwachsinnig genug wäre es dafür. Wenn wir Pech haben, müssen wir deine Kiste neu installieren.«

Ach du liebes Bisschen, erschrak Heinrich. Bloß keine Neuinstallation, sonst könnte er sein Spielewochenende glatt vergessen. Damit würden sie nie rechtzeitig fertig.

Er hatte den Gedanken noch nicht ganz zu Ende gedacht, da verschwand plötzlich der merkwürdige Text vom Bildschirm und ein neues Fenster der Owl-Software mit einer leeren weißen Seite baute sich auf. Buchstabe für Buchstabe erschien in Windeseile ein neuer Text auf dem leeren Blatt und ließ sie beide wie gebannt auf den Bildschirm starren: ›Keine Panik, da sind weder Trojaner noch Phönizier oder andere antike Völker im Spiel. Wir benutzen dafür ein Verfahren, das von der Vereinigung der Nupsifreunde im Institut zur Förderung der Kompatibilität magischer Kräfte mit Nupsitechnik entwickelt wurde. – Und wer ist eigentlich Schäuble?‹

Heinrich Töpfer und die Jubelkugel

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