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1.3 Kommunalwahlen

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Was die Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 anging, so konstatierte Honecker schlicht, die Wahlkommissionen seien öffentlich besetzt gewesen, Manipulationen deshalb ausgeschlossen. Wenn Kritiker anderes behaupteten, habe dies keine Grundlage und keine Bedeutung13. Die Kommunalwahlen wurden, wie üblich, offiziell mit einer Wahlbeteiligung von 98,77 Prozent und einer Zustimmung von 98,85 Prozent zur Liste der »Nationalen Front« – eines Zusammenschlusses aller Parteien und »Massenorganisationen« der DDR unter Vormachtstellung der SED – abgeschlossen. Und ebenfalls wie üblich wurde dieses Wahlergebnis als ein »klares Votum des Volkes für starken Sozialismus und sicheren Frieden« gefeiert, so Egon Krenz als Vorsitzender der Wahlkommission am Abend des Wahltages. Es war in der DDR ein offenes Geheimnis, dass derartige Wahlen eine Farce waren und dass sie zudem manipuliert wurden, obwohl es sich um Einheitslistenwahlen handelte, in denen die Verteilung der Mandate der jeweiligen Parteien und Massenorganisationen festgelegt waren unter Gewährleistung der »führenden Rolle« der SED. Immerhin, man konnte entweder nicht zur Wahl gehen, konnte theoretisch Kandidaten von der Liste streichen oder die gesamte Liste ablehnen. Im Prinzip war auch das Wahlgeheimnis gewährleistet, d. h. man durfte die Wahlkabine aufsuchen und dort seinen Wahlzettel ausfüllen. Wer allerdings diese prinzipiellen Rechte für sich in Anspruch nahm, kam schon in Verdacht. Das sogenannte »Zettelfalten«, also das offene Abstimmen und Einwerfen des Wahlzettels in die Urne, war deshalb die Regel. Es wurden dennoch zusätzliche Maßnahmen getroffen, um das erwünschte Ergebnis sicherzustellen. Bereits im Vorfeld wurden Personen von den Wählerlisten gestrichen, deren Ablehnung der Kandidatenlisten vermutet wurde – Ausreiseantragsteller, bekannte Oppositionelle und Nichtwähler.14

Trotz aller Vorbereitung verliefen die Wahlen 1989 anders als gewohnt. Oppositionelle Gruppen in Ost-Berlin, Leipzig, Dresden und anderen Städten der DDR stellten Überlegungen an, wie man sich angesichts dieser Wahlen verhalten solle. In anderen Ländern des Ostblocks waren zu diesem Zeitpunkt bereits erste Demokratisierungsansätze festzustellen; in der Sowjetunion hatte 1988 eine Wahldebatte eingesetzt, eine Verfassungsänderung legte fest, dass bei den Wahlen im Mai/Juni 1989 mehrere Kandidaten zur Auswahl stehen sollten. In Polen und in Ungarn kam es ebenfalls zur Demokratisierung der Wahlen. Nur die SED-Führung hielt von derlei Veränderungen nichts. In den genannten oppositionellen Kreisen kristallisierte sich die Idee heraus, die öffentliche Stimmauszählung systematisch zu beobachten und dann mit den offiziell bekanntgegebenen Ergebnissen zu vergleichen. Die gesetzliche Grundlage in der DDR bot die Möglichkeit dazu. In der Wahlordnung von 1974 hieß es im § 40: »Die Auszählung der Stimmen ist öffentlich und wird vom Wahlvorstand durchgeführt.«15 Diese Bestimmung nutzten nun oppositionelle Kreise, um das übliche Wahlschauspiel zu demaskieren. In vielen Wahllokalen fanden sich kritische Bürgerinnen und Bürger bei der Stimmenauszählung ein. Das Beispiel Dresden legte die Wahlfälschung offen. Dort waren in den kontrollierten Wahllokalen bei 104.727 Wahlberechtigten 12.379 Gegenstimmen gezählt worden. Das offizielle Ergebnis wies jedoch bei 389.569 abgegebenen Stimmen nur 9.751 Gegenstimmen auf. Insgesamt stellten die unabhängigen Stimmenauszähler einen Anteil der Gegenstimmen in den Größenordnungen zwischen drei und 30 Prozent fest, die Wahlbeteiligung betrug meist zwischen 60 und 80 Prozent.16 DDR-weit ist von einem Anteil der Gegenstimmen in Höhe von 10 Prozent auszugehen.17 Die genaue Zahl lässt sich nicht rekonstruieren, da die Wahlunterlagen wenige Tage nach dem 7. Mai 1989 vernichtet wurden.

Der Betrug war offenkundig und die Impertinenz der SED-Führung, die die Fälschung wie eh und je als Vertrauensbeweis propagierte, regte zum Widerspruch und zum wachsenden Widerstand an. Eingaben, offene Briefe und Strafanzeigen gegen unbekannt waren die Folge. Der DDR-Generalstaatsanwalt verfügte am 19. Mai 1989, dass auf derartige Anzeigen nicht reagiert werden solle. Der Protest wurde auch auf die Straße getragen. Fortan fanden jeweils am 7. des Monats Demonstrationen statt, die die Wahlfälschung anprangerten.

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