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Vorbemerkung

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Dieses Buch handelt von Deutschland im ersten Jahrzehnt nach der deutschen Wiedervereinigung. Diese Phase der jüngsten deutschen Geschichte ist von umfassenden und tiefgreifenden Brüchen und Umbrüchen geprägt, die die deutsche Gesellschaft in Ost und West sehr unterschiedlich betrafen.

Geschichte und insbesondere Zeitgeschichte ist kein abgeschlossener, sondern ein stets fortschreitender Prozess. Geschichte ist bei allen Zäsuren immer auch von Kontinuitäten bestimmt, die selbst über Epochen hinweg wirken. Für die Geschichte Deutschlands in den 1990er Jahren gilt all dies in besonderem Maße. Den Jahren 1989–1991 wird angesichts der demokratischen Öffnung in den »Ostblock«-Staaten und vor allem in der Sowjetunion bis zu deren Zerfall zu Recht ein Zäsurcharakter zugesprochen. Diese Zäsur markiert das Ende des »Kalten Krieges«, das Ende des »Zeitalters der Extreme« (Eric Hobsbawm). Für Deutschland, das zu Zeiten der Teilung an der Nahtstelle der Blockkonfrontation stand, hat diese Zäsur eine besondere Tragweite. Sie bedeutet die Überwindung der Teilung und die Vereinigung der beiden deutschen Staaten auf demokratischer Grundlage. In diesem Jahrzehnt der 1990er Jahre lassen sich zum einen weiter wirkende Prägungen aus den jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Systemen der vorhergehenden Jahrzehnte erkennen, zugleich setzten Entwicklungen ein, deren Wirkungen erst in den folgenden Jahren, ja zum Teil erst in jüngster Zeit in aller Deutlichkeit hervortreten. Die 1990er Jahre lassen sich mithin für Deutschland, wie auch generell, nicht als geschlossene Geschichte erzählen. Eine These könnte lauten, dass dieses Jahrzehnt eine Scharnierfunktion einnimmt, zwischen jenen Phasen, die von den seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ausgehenden Konfliktlinien gezeichnet waren, und dem Beginn einer durch globalisierten Kapitalismus, durch aufstrebende neue Weltmächte und neuartige Gewaltphänomene modellierten neuen »Unordnung« markiert sind – die 1990er Jahre als eine Art »Inkubationszeit« zwischen der »alten« Welt des 20. Jahrhunderts und einem neuen digitalen Zeitalter?

Der vorliegende Band unternimmt den Versuch, ein möglichst umfassendes Bild des vereinten Deutschlands in den 1990er Jahren zu zeichnen. Nach zwei einführenden Skizzen zur Vorgeschichte der staatlichen Einheit am 3. Oktober 1990 wird zunächst die Frage nach der »inneren Einheit« gestellt; welche Bedeutung hatte für die Deutschen in Ost und West das Bekenntnis zur »Nation«, wie wirkte sich die Vereinigung auf Identitäten in Ost und West aus? Ein Schwerpunkt der Darstellung liegt in der Beschreibung der wirtschaftlichen Transformation und ihrer sozialen Folgen – gerade in diesem Bereich ergaben sich tiefgreifende Umbrüche und für die Ostdeutschen neuartige Erfahrungen wie jene der Massenarbeitslosigkeit. Welche Wirkungen zeigte die Vereinigung zudem bei demografischen Prozessen? Eine besonders konfliktreiche Rolle spielte in diesem Zusammenhang das Thema Migration. »Staat und politische Kultur« ist ein weiterer Themenkomplex: Wie entwickelte sich die politische Kultur im vereinten Deutschland? Wie stand es um die Ausformung von Zivilgesellschaft, wie beurteilten die Deutschen in Ost und West Demokratie? Welchen Bedrohungen war das demokratische System in Deutschland ausgesetzt, insbesondere durch Rechtsextremismus und durch Terror unterschiedlicher Art? Die deutsche Vereinigung wäre ohne die europäische Integration nicht denkbar gewesen, beide Prozesse waren miteinander verflochten. Deutschland entwickelte sich zu einer europäischen Führungsmacht, an die die Verbündeten außenpolitisch gewachsene Anforderungen herantrugen; dies zeigte sich besonders in den kriegerischen Auseinandersetzungen jener Zeit, die auch im Hinblick auf die Akzeptanz in der deutschen Gesellschaft skizziert werden. In den 1990er Jahren trafen unterschiedliche Mentalitäten und Wertevorstellungen aufeinander. Welche kulturellen Trends den Einheitsprozess begleiteten und welche Grundlagen für die kommenden revolutionären Prozesse in einem neuen Kommunikations- und Medienzeitalter in dieser Zeit gelegt wurden, wird in einem abschließenden Kapitel behandelt.

Dieses Buch wäre nicht entstanden ohne die Hilfe und Unterstützung zahlreicher Personen und Institutionen. Den beiden Herausgebern Hermann Wentker und Michael Schwartz sei für die detaillierte Lektüre des Manuskripts und ihre kollegiale und konstruktive Kritik gedankt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bibliotheken und Forschungseinrichtungen ermöglichten den zuletzt unter Pandemie-Bedingungen erschwerten Zugang zu Quellen und Literatur. Schließlich haben im gesamten Entstehungszeitraum studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte mit Recherchen und Materialbeschaffung zum Gelingen der Publikation beigetragen. Genannt seien Rico Keller, Martin Baumert, Caroline Bernet, Sophia Tölle und Eric Weiß. Lilith Günther hat das Literatur- und Quellenverzeichnis erstellt. Nicht zuletzt möchte ich mich bei Frau Ronja Schrand und Herrn Dr. Peter Kritzinger für die angenehme Zusammenarbeit und die kompetente Betreuung des Bandes bedanken.

Einheit und Transformation

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