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Regeln? Sind für Verlierer.
ОглавлениеWenn man nach Gründen dafür forscht, ist man sehr schnell beim Zeitgeist. Sehr gut beschreibt diesen Florian Güßgen in seinem Artikel im STERN: Jeder gegen jeden in deutschen Städten – was sich im Straßenverkehr ändern muss44.
Wer auf deutschem Asphalt unterwegs ist, erlebt Drängler, Raser, Rowdys, die Donald Trumps der Straßen. Regeln? Sind für Verlierer…
Ein Grund für die wachsende Wut ist zunehmende Platznot. Auf den Straßen wird es immer voller und enger, vor allem in den Städten. So stieg in den vergangenen zehn Jahren das Verkehrsaufkommen in Städten um 300 Millionen Personenkilometer pro Tag – ein Zuwachs von fast 20 Prozent…
Auch die Radfahrer haben aufgerüstet, mit schnellen E-Bikes, riesigen Lastenrädern und robusten Mountainbikes pflügen sie sich ihren Weg durch die Ballungsräume, oft mit dem Gefühl moralischer Überlegenheit: Wir sind die Guten, wir fahren umweltfreundlich …
Dabei bewegt sich ein jeder in seiner persönlichen Filterblase. Radfahrer und Fußgänger tragen Kopfhörer und starren auf ihre Handys, im Auto gibt es meist keine akustische Rückkoppelung mit dem Gegenüber. Entscheidende Elemente der menschlichen Kommunikation fehlen.
Einige Prognosen sagen bis 2030 einen weiter anwachsenden Kraftfahrzeugverkehr in den Städten voraus. Trotz Bekenntnis zu fahrradfreundlichen Städten können viele Kommunen den Mobilitätsmix hin zu umweltfreundlicheren Verkehrsmitteln nicht von heute auf morgen realisieren. Städte wie Amsterdam oder Kopenhagen beweisen, dass zur verkehrspolitischen Entscheidung auch eine konsequente Stadtplanung mit der Schaffung von Infrastruktur für den erwünschten Zuwachs von Radverkehr einhergehen muss. Solange die Landflucht anhält und die Städte wachsen, solange das Auto bei vielen noch Symbol für Wohlstand ist, werden sich viele nicht mit dem Fahrrad als priorisiertem Fortbewegungsmittel im städtischen Binnenverkehr zufriedengeben. Tägliche Staus und Parkplatznot werden weiter zunehmen und sind gegenseitiger Rücksichtnahme im Straßenverkehr abträglich. Und dann wird die Polizei als gesellschaftliches Stresskorrektiv gebraucht.
Wie ging nun mein Überwachungsmonat zu Ende?
Nüchtern betrachtet zeigt das Ergebnis von 1.557 Verwarnungen und Anzeigen gegen Radfahrer in den beiden Metropolen der Kurpfalz gerade wegen der täglichen Kontrollen deutlich auf, dass man allein mit polizeilichen Mitteln und innerhalb eines Monats ein eingefahrenes Massenverhalten nur sehr zögerlich ändern kann.
Wir haben deshalb Woche für Woche Bilanz gezogen und mit den Überwachungsergebnissen die kontroverse Diskussion in der Bürgerschaft und insbesondere im Netz befeuert. Der Riss in den Stadtgesellschaften ist dabei unverkennbar.
Eigentlich fordert die Straßenverkehrsordnung gegenseitige Rücksichtnahme von allen Verkehrsteilnehmern. Leider gibt es eine auffällige und nicht gerade kleine Minderheit unter den Radfahrern, die jedes Vorurteil bestätigt. Dazu kommen die reflexartigen Forderungen, doch erst einmal die Verstöße der Autofahrer zu ahnden. Dem widerspreche ich, denn der Kraftfahrzeugverkehr ist, auch weil Verstöße über das Kennzeichen verfolgt werden können, ganzjährig im Fokus der verkehrspolizeilichen Überwachung.
Erfreulich war das Ergebnis einer erneuten Zufallsbefragung zum Ende des Kontrollmonats bei acht Fahrradhändlern in Heidelberg. Die Kunden berichteten positiv über die Aktion und auch die Händler lobten unisono die Maßnahmen. Viele wünschen sich häufigere Kontrollen. Fünf Händler stellten einen merklichen, nicht nur jahreszeitlich bedingten, Anstieg des Verkaufs von Fahrradbeleuchtungen fest. Auch das hatten wir bereits 2014 erlebt.
Ich muss in diesem Zusammenhang immer wieder auf den Grundgedanken unserer Aktion plus5 hinweisen. Dieser empfiehlt allen Verkehrsteilnehmern, sich bewusst 5 Minuten mehr Zeit zu nehmen, um defensiv und regeltreu an das gesetzte Ziel zu kommen. Und das funktioniert. Ich habe tatsächlich Rückmeldungen hierzu, dass man viel gelassener ankommt.
Natürlich musste ich ankündigen, dass diese Aktion im nächsten Frühjahr wiederholt wird.
Unterstützt wurde das Vorhaben durch die Radunfallstatistik. In Heidelberg war die Zahl der verunglückten Radler um mehr als 14 Prozent, in Mannheim gar um über 22 Prozent gestiegen.
Die Hauptunfallursachen bei den Radfahrern ließen häufig Unaufmerksamkeit und fehlende Regeltreue vermuten.
Bei den Autofahrern führt der vergessene Schulterblick oft zum Zusammenstoß mit Radfahrern.
Also begannen wir gleich am Aschermittwoch im März mit den Überwachungsmaßnahmen, um ein Zeichen zu setzen. Und natürlich führte die Hitliste der Verstöße wieder das Geisterfahren und das Missachten roter Ampeln an.
Die Verstoßrate war nicht ganz so hoch wie im November. Die Rhein-Neckar-Zeitung berichtete:
Doch das Ergebnis ist auch mit Einschränkungen zu betrachten, teilt die Polizei mit.
Zum einen ließen sich die Zeiträume nicht eins zu eins vergleichen und im März wurde weniger intensiv kontrolliert, ordnet Verkehrspolizeichef Dieter Schäfer das Resultat ein. Sorge bereite zudem, dass viele Radfahrer weiterhin verbotenerweise links fahren. „Obwohl die Unfallgefahr laut Unfallforschung, um das bis zu Zehnfache steigt und dies auch eine der Hauptunfallursachen für Radfahrende in beiden Städten darstellt, nahmen die Verstöße prozentual deutlich zu“, sagte Schäfer.
Dennoch: „Es ist erfreulich, dass relativ fast die Hälfte weniger Verstöße beanstandet wurde als im November.“45
Wenn man positiv denkt, könnte man daraus schließen, die Regeltreue habe zugenommen.