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Psychotherapie als Coaching, Neuprogrammierung und Reintegration

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Wer mit den neuen lösungsorientierten Methoden arbeitet, steht immer wieder vor der Frage, wie nennt er das, um was es sich bei seiner Arbeit handelt: Psychotherapie, Psychologische Beratung oder Coaching? Man könnte antworten, wenn er als Psychotherapeut arbeitet, ist es Psychotherapie, wenn er als Berater arbeitet, handelt es sich um Psychologische Beratung und ein Trainer ist im Coaching tätig – obwohl sie das Gleiche tun und gleiche Wirkungen erzielen.24 Entscheidend ist, dass die Erwartungen erfüllt werden, die mit diesen Bezeichnungen verknüpft sind, dass es vollwertige Psychotherapie ist, wirksame Psychologische Beratung und erfolgreiches Coaching. Um dieses Dilemma der Bezeichnungen zu umgehen, benütze ich häufig synonym Begriffe wie praktische Psychologie, angewandte Psychologie, Integrierte Kurztherapie, Integrierte Lösungsorientierte Psychologie oder die Abkürzung ILP25, doch häufig auch die Begriffe Psychotherapie oder Therapie.

Die einzelnen Verfahren, die in der Integrierten Lösungsorientierten Psychologie eingesetzt werden, unterscheiden sich deutlich. Das tiefenpsychologische NLP entspricht von der Aufgabenstellung her am meisten der klassischen Psychotherapie. Seit Freud wissen wir, wie frühe Erfahrungen das spätere Leben beeinflussen. In früheren Generationen waren sie so etwas wie ein Lebensschicksal, Segen oder Fluch, den die Menschen hinnehmen mussten. Das Wissen, dass späteres Erleben viel mit frühen Erfahrungen zu tun hat, bedeutete jedoch noch lange nicht, darauf wirksam Einfluss nehmen zu können.

Erst neue Erkenntnisse darüber, dass es nicht die traumatischen Erfahrungen selbst sind, die späteres Erleben und Verhalten bestimmen, sondern die daraus resultierenden Einstellungen, war ein erster Schritt auf dem Weg zu wirksamen Veränderungen. In der Transaktionsanalyse wurden diese Einstellungen beschrieben als das Zusammenwirken von Einschärfungen26 und Antreibern27. Solch eine Kombination könnte lauten: Lebe nicht! und Mach es anderen recht! oder Denke nicht! und Streng dich an!. Nach anfänglichen euphorischen Hoffnungen, jetzt die tiefenpsychologische Aufgabenstellung gelöst zu haben, stellte sich heraus, dass diese Einstellungen sehr stabil sind und sich gegen bessere Absichten und Erlaubnisse immer wieder durchsetzen.

Der nächste Schritt war die Entdeckung des fortgeschrittenen NLP28, wie diese einschränkenden Einstellungen als Programme gespeichert sind, und wie sie durch erlaubende Einstellungen auf der Programm-Ebene ersetzt und stabilisiert werden können. Mein Beitrag dazu war, die typspezifischen Ausprägungen dieser Einstellungen zu formulieren. Damit hat sich die tiefenpsychologische Arbeit sowohl in ihrer Wirksamkeit entscheidend verbessert, als auch die Art und Atmosphäre ihres Vorgehens so verändert, dass sie für einen klassischen Tiefenpsychologen kaum wiederzuerkennen ist. War sie früher bewegend wie ein Drama, so wirkt sie heute eher wie die nüchterne und genaue Arbeit eines Programmierers.

Ähnlich revolutionierend für die angewandte Psychologie ist die Erkenntnis der Lösungsorientierten Kurztherapie, dass von Anfang an auf Lösungen hingearbeitet werden kann und dass damit rasche und nachhaltig wirksame Verbesserungen erzielt werden. Die Erfolge der Lösungsorientierten Kurztherapie29 legen es nahe, dass die problemorientierte Arbeitsweise früherer Therapie-Verfahren es den Klienten eher erschwert hat positive Veränderungen zu realisieren als sie darin zu unterstützen. Da ich die problem- und die lösungsorientierte Arbeitsweisen kenne und praktiziert habe, kann ich das aus eigenen Erfahrungen bestätigen. Ähnliches berichten mir immer wieder Ausbildungs-Teilnehmer, die als Klienten problem- und lösungsorientierte Therapien erlebt haben.

Die Lösungsorientierte Kurztherapie ist besonders geeignet, praktische Veränderungen im Verhalten sowie in der Lebensplanung und -gestaltung zu erzielen. Handeln wird vor allem bestimmt durch Ziele. Hier geht es um konkrete Ergebnisse, um Erfolge. Insofern erinnert dieses Therapie-Verfahren an Coaching. Es gibt weitgehende Übereinstimmungen zwischen den lösungsorientierten Methoden und Anleitungen zur erfolgreichen Lebens- oder Berufsplanung und -gestaltung. Ein Beispiel ist das lesenswerte Buch von A. L. Williams „Das Prinzip Gewinnen“ (1991), in dem er seine Niederlagen und Erfolge als Sporttrainer und Unternehmer analysiert und daraus Empfehlungen für erfolgreiches Handeln ableitet.

Das dritte Therapie-Verfahren, die Systemisch-energetische Therapie, ist revolutionär in dem Sinne, dass diese Methoden bisher eher peripher eingesetzt wurden, etwa paradoxe Interventionen in der Systemischen Familientherapie, das Pacen im NLP oder das TIT FOR TAT De Shazers. Nur Perls, mit der gestalttherapeutischen Reintegration abgespaltener Anteile, und Erickson, mit seinen paradoxen Interventionen, haben überwiegend systemisch-energetisch gearbeitet. Da Erickson fast ausschließlich intuitiv vorgegangen ist, konnte und wollte er nicht erklären, wie er zu seinen therapeutischen Interventionen kam.

Natürlich kann man seine Arbeitsweise beobachten und darin sich wiederholende Muster feststellen, ihnen Namen geben und sie nachahmen. Doch damit fehlt immer noch die Gebrauchsanweisung, welche Methode wann passend ist. Es hat mehrere Jahrzehnte gedauert, bis aus der Systemisch-energetischen Therapie ein präzise anwendbares Verfahren wurde, wohl vor allem deshalb, weil sie sich der Erklärung und Steuerung durch die Vernunft entzieht. Sie kann methodisch kontrolliert eingesetzt werden, doch ist sie gedanklich kaum nachvollziehbar.

Das hängt damit zusammen, dass wir zwar der Ursache-Wirkungs-Kausalität entsprechend nach dem Wenn-dann-Muster denken können. Deshalb kann man die Lösungsorientierte Therapie gut erklären. Doch wir können nicht paradox oder gegenläufig denken, um so die Wirkungsweise der systemischen Kausalität gedanklich abzubilden. Wer das begriffen hat und sich nicht fürchtet, vorübergehend die Kontrolle durch die Vernunft aufzugeben, wird bei dieser Arbeitsweise bewusst aufs Denken verzichten. So nützlich das Denken bei anderen Schritten in der Integrierten Kurztherapie ist, hier hilft es nicht nur nicht weiter, sondern stört die systemisch-energetischen Prozesse. Das gilt für den Therapeuten oder Coach ebenso wie für den Klienten.

Wie ist es dann möglich, in und mit der Systemisch-energetischen Therapie verantwortungsbewusst, genau und erfolgreich zu arbeiten? Der Wirkungsweise der systemischen Kausalität kann durch methodisches Vorgehen entsprochen werden. Dabei werden die emotionalen Reaktionen des Klienten und der beteiligten Personen einbezogen, die Intuition des Therapeuten und, was ich häufig erlebt habe, die Kreativität der Klienten, wenn es darum geht paradoxe Aufgabenstellungen anzuwenden. Für einen vernunftgläubigen Menschen mag sich das zweifelhaft anhören, doch in der Praxis ist damit ein präzises Arbeiten mit erstaunlichen Erfolgen möglich.

Ein Beispiel ist die Weiterentwicklung von De Shazers TIT FOR TAT30. Es ist ein strategisches Vorgehen nach dem Simile-Prinzip, Ähnlichem mit Ähnlichem zu begegnen. Bei De Shazer wird dabei das Verhalten des Klienten geändert, etwa einem rücksichtslosen Verhalten eines Partners mit einem entschlossenen Verhalten zu begegnen. In der ILP geht es nicht um Änderungen des äußeren Verhaltens, sondern der inneren Haltung. Neu ist auch, dass diese Haltungs-Änderungen oder -Antworten in der ILP wesentlich passgenauer ermittelt und angewandt werden. Entsprechend besser sind die Wirkungen.

ILP - Integrierte Lösungsorientierte Psychologie

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