Читать книгу ILP - Integrierte Lösungsorientierte Psychologie - Dietmar Friedmann - Страница 18

Als ich in meiner Jugend anfing, mich für Psychotherapie zu interessieren, erschien sie mir als eine Welt geheimnisvollen Wissens, verwandt den Tätigkeiten von Künstlern, Philosophen und Dichtern. Ich nahm an, dass die Psychotherapeuten über die Geheimnisse des Lebens Bescheid wüssten. Diese Annahme hat sich später relativiert. Doch die Faszination blieb und hat mich herausgefordert, selbst dazu beizutragen, diesem Anspruch näher zu kommen.

Auf der anderen Seite ist Psychotherapie für mich ein Dienstleistungs-Unternehmen. Also müsste das Ziel einer Psychotherapie sein, wirksam und kostengünstig zu sein und überall dort eingesetzt zu werden, wo sie anderen Maßnahmen überlegen ist oder entscheidend unterstützt. Das ist heute erreichbar. Doch dazu müssen drei Bedingungen erfüllt sein: Es müssen Psychotherapie-Verfahren zur Verfügung stehen, die zuverlässig und rasch zu gewünschten Veränderungen führen, Ausbildungen, die gewährleisten, dass die Anwender gute Arbeit leisten, und eine Psychotherapie-Gesetzgebung, die die oben genannten Ziele unterstützt.

Eine wirksame Psychotherapie wird immer einfach sein. De Shazer und seine Mitarbeiter sind dafür ein gutes Beispiel. Walter u. Peller stützen sich auf nur drei Methoden, die Arbeit mit Zielen, mit Lösungs-Filmen und Ausnahmen. Sie werden eingebettet in systemische Elemente wie Verständnis zeigen, Annehmen und Anerkennen, nicht nur verbal, sondern auch körpersprachlich54, dann hinter dem Klienten bleiben oder ihn überholen55. Bei Nachuntersuchungen56 an dem wissenschaftlichen Institut BFTC wurde bei durchschnittlich 4,6 Sitzungen eine Erfolgsrate von 80,4 % erreicht. Als die Klienten 18 Monate später nochmals befragt wurden, hatte sich die Erfolgsrate auf 86 % erhöht. 77 % berichteten, dass sich keine neuen Probleme entwickelt hätten, und 67 % sprachen von Verbesserungen in Bereichen, die nicht Thema der Therapie waren. Interessant ist auch, dass Klienten, die vier oder mehr Sitzungen hatten, eine deutlich höhere Erfolgsrate (91,1 %) erreichten als Klienten, die nur zu einer bis drei Sitzungen kamen (69,4 %).

Das sind gute Ergebnisse. Sie sind beeindruckend, besonders wenn man beachtet, dass in der Lösungsorientierten Kurztherapie vieles von dem verschenkt wird, was an gleichwertigen lösungsorientierten Verfahren heute zur Verfügung steht. Dabei handelt es sich um Methoden, die andere Aspekte der therapeutischen Arbeit betreffen und die nur unzureichend durch das lösungsorientierte Vorgehen ersetzt werden können. Wenn ich beispielsweise davon ausgehe, was Ausbildungsteilnehmer in der ILP-Ausbildung lernen, so nützt die Lösungsorientierte Kurztherapie weder das psychographische Wissen, das es ermöglicht, dem Anderen in seiner Andersartigkeit gerecht zu werden, noch das tiefenpsychologische NLP, das geeignet ist, alte, einschränkende Programme rasch und stabil zu ersetzen durch erlaubende, noch die Methoden der Systemisch-energetischen Kurztherapie, die Leid in Lösungsenergie verwandelt oder passgenaue Haltungen ermittelt, um damit schwierigen Personen und Situationen souverän begegnen zu können und sie günstig zu beeinflussen, und auch nicht das psychographische Autonomie- und Gesundheits-Training – alles höchst wirksame Methoden.

Eine Stärke der Lösungsorientierten Kurztherapie liegt darin, dass sie leicht zu lernen und gut anzuwenden ist, vorausgesetzt, man hat Vertrauen in die Wirkung ihrer einfachen Methoden. Denn ein Verfahren der angewandten Psychologie ist nur so gut, wie es vom Therapeuten oder Coach umgesetzt wird. Das bedeutet, die Ausbildung muss ebenso gut sein wie das Verfahren selbst. Das wird häufig übersehen. Früher haben die großen Psychotherapie-Entwickler wie Erickson, Perls oder Bandler ihr Können und Wissen so weitergegeben, dass sie es vorführten, darüber sprachen und die Seminar-Teilnehmer die eine oder andere Übung machen ließen. Die Teilnehmer waren dann zwar beeindruckt, doch ob sie damit diese Verfahren wirklich beherrschten, erscheint mir eher unwahrscheinlich.