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2. An Karl und Paula Bonhoeffer

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25. April 1943, Ostersonntag

Liebe Eltern!

Heute ist endlich der 10. Tag wieder da, an dem ich Euch immer schreiben darf, und wie gern würde ich Euch wissen lassen, dass ich auch hier ein frohes Ostern feiere. Es ist das Befreiende von Karfreitag und Ostern, dass die Gedanken weit über das persönliche Geschick hinausgerissen werden zum letzten Sinn alles Lebens, Leidens und Geschehens überhaupt und dass man eine große Hoffnung fasst. Seit gestern ist es wunderbar still im Haus geworden. „Frohe Ostern“ hörte man viele einander zurufen und neidlos gönnt man jedem, der hier schweren Dienst versieht, die Erfüllung dieses Wunsches. Im Stillen höre ich nun auch Eure Ostergrüße, wenn Ihr heute mit den Geschwistern zusammen seid und an mich denkt.

Am Karfreitag war Marias Geburtstag. Wenn ich nicht wüsste, mit wie festem Herzen sie im vorigen Jahr den Tod ihres Vaters, ihres Bruders und zweier besonders geliebter Vettern getragen hat, dann wäre mir wirklich bange um sie. Nun wird Ostern sie trösten, ihre große Familie wird ihr sehr beistehen und ihre Arbeit im Roten Kreuz beansprucht sie ganz. Grüßt sie sehr, sagt ihr, dass ich mich sehr nach ihr sehne, dass sie aber nicht traurig, sondern tapfer sein soll wie bisher. Sie ist eben noch so sehr jung, da ist das schwer.

Nun muss ich Euch aber erst einmal sehr danken für alles, was Ihr mir gebracht habt und für Papas und Ursels Grüße. Das könnt Ihr Euch nicht vorstellen, was es bedeutet, wenn einem plötzlich gesagt wird: „Ihre Mutter, Ihre Schwester, Ihr Bruder waren eben da und haben etwas für Sie abgegeben.“ Einfach die Tatsache der Nähe, das handgreifliche Zeichen dafür, dass Ihr immer an mich und für mich denkt – was ich ja eigentlich sowieso weiß –, das ist etwas so Beglückendes, dass es durch den ganzen Tag hindurch trägt. Habt vielen, vielen Dank für alles!

Es geht mir weiter gut, ich bin gesund, darf täglich 1/2 Stunde ins Freie, und nachdem ich nun auch wieder rauchen kann, vergesse ich manchmal sogar für kurze Zeit, wo ich eigentlich bin! Ich werde gut behandelt, lese viel, außer Zeitung und Roman vor allem die Bibel. Zum richtigen Arbeiten ist die Konzentration noch nicht da, aber ich habe mich in dieser Karwoche doch endlich mit einem, wie Ihr wisst, mich längst sehr beschäftigenden Stück der Passionsgeschichte, dem hohenpriesterlichen Gebet, gründlich befassen können und sogar ein paar Kapitel paulinischer Ethik für mich auslegen können; das war mir sehr wichtig. Also, ich muss wirklich immer noch sehr dankbar sein. Wie mag es Euch nur gehen? Freut Ihr Euch noch an den vielen herrlichen Geburtstagsblumen? Was machen Eure Reisepläne? Ich fürchte fast, Ihr werdet nun gar nicht in den Schwarzwald fahren, was doch so gut und nötig gewesen wäre! Und zu dem allen kommen ja nun noch Renates Hochzeitsvorbereitungen. Ich möchte dazu als meinen ausdrücklichen Wunsch sagen, dass Ursel den Termin um keinen Tag hinausschiebt, sondern Renate so bald, so fröhlich und so unbeschwert wie möglich heiraten lässt; alles andere wäre mir nur schmerzlich. Renate weiß ja, mit wie viel guten Wünschen ich an sie denke und wie ich mich mit ihr freue. Wir haben es in den letzten Jahren doch wirklich gelernt, wieviel Freude und Kummer zugleich im menschlichen Herzen Platz haben können und müssen. Also je bälder, je besser! Grüßt sie bitte sehr!

Übrigens wüsste ich gern, wie es Marias Großmutter geht. Bitte verheimlicht es mir nicht, wenn sie gestorben ist. Maria und ich haben beide sehr an ihr gehangen.

Nun ein paar Bitten: Ich hätte gern die braunen oder lieber die schwarzen hohen Schuhe mit Schnürsenkeln. Meine Absätze gehen hier ab. Mein Anzug ist sehr reinigungsbedürftig; ich möchte ihn Euch gern mitgeben und den anderen braunen dafür haben; außerdem Haarbürste, viele Streichhölzer, Pfeife, mit Tabak, Beutel und Reiniger, und Zigaretten. Von Büchern: Schilling: Moral Band 11 und einen Band A. Stifter. Verzeiht die Mühe! Vielen Dank!

Merkwürdigerweise gehen die Tage hier schnell vorüber. Dass ich 3 Wochen hier bin, scheint mir unglaublich. Ich gehe gern um 8 Uhr schlafen – Abendbrot gibt es um 4 Uhr! – und freue mich auf meine Träume. Ich habe früher gar nicht gewusst, was für eine glückliche Gabe das ist: Ich träume täglich und eigentlich immer schön. Bis zum Einschlafen sage ich mir die über Tag gelernten Verse auf, am Morgen um 6 Uhr freue ich mich dann, Psalmen und Lieder zu lesen und an Euch alle zu denken und zu wissen, dass Ihr auch an mich denkt.

Inzwischen ist der Tag vorübergegangen, und ich hoffe nur, es sieht in Euch ebenso friedlich aus wie in mir; ich habe vieles Gute gelesen und Schöne gedacht und gehofft. Es wäre doch eine große Beruhigung für mich, wenn Maria einmal einen Tag in aller Ruhe bei Euch wäre. Lasst sie und auch Renate diesen Brief doch lesen! Vor mir liegen immer die kurzen Zeilen von Papa und Ursel, und ich lese sie immer wieder.

Und nun lebt wohl, verzeiht alle Sorge, die ich Euch mache! Grüßt alle Geschwister und ihre Kinder. In großer Liebe und Dankbarkeit grüßt Euch von Herzen

Euer Dietrich

Du wartest jede Stunde mit mir

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