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3. An Karl und Paula Bonhoeffer
Оглавление4. Mai 1943
Liebe Eltern!
Vielen Dank für Mamas, K.-Friedrichs und Rüdigers Briefe! Ich bin so froh, dass Ihr ruhig und zuversichtlich seid, auch dass K. Friedrich öfter bei Euch sein kann. Dass es für mich persönlich gut ist, das durchzumachen, ist mir gewiss, auch glaube ich, dass keinem Menschen mehr auferlegt wird, als er Kraft empfangen kann zu tragen. Dass Ihr daran mittragen müsst, ist mir das Schwerste, aber so wie Ihr es tut, ist es doch auch wieder unendlich beglückend und stärkend für mich. Dass Maria Euch so tapfer und voll Vertrauen geschrieben hat, beglückt mich sehr. Wie lebt man doch ganz vom Vertrauen und ohne Vertrauen wird das Leben arm. Ich lerne nun täglich, wie gut ich es bei Euch immer gehabt habe, und muss im Übrigen einmal selbst exerzieren, was ich in Predigten und Büchern andern gesagt habe.
Jetzt nach 4 Wochen Haft kommt zu der raschen, bewussten, inneren Aussöhnung mit dem Geschickten allmählich eine gewisse unbewusste, natürliche Gewöhnung hinzu. Das ist eine Erleichterung, hat aber auch seine Probleme; denn gewöhnen will und soll man sich wohl an diesen Zustand nicht; das wird Euch ebenso gehen.
Ihr wollt mehr über mein hiesiges Leben wissen: Sich eine Zelle vorzustellen, dazu gehört ja nicht viel Fantasie; je weniger, desto richtiger; aber an Ostern brachte die DAZ eine Reproduktion aus Dürers Apokalypse; die habe ich mir aufgehängt und Marias Primeln sind z.T. auch noch da! Von den 14 Stunden des Tages gehe ich etwa drei in der Zelle spazieren, viele Kilometer, außerdem 1/2 Stunde im Hof. Ich lese, lerne, arbeite. Besondere Freude hatte ich wieder an Jeremias Gotthelf in seiner klaren, gesunden, stillen Art. Es geht mir gut und ich bin gesund.
Nun rückt die Hochzeit bei Schleichers ja schon ganz nahe. Ich werde vorher nicht mehr schreiben können. Dieser Tage las ich bei Jean Paul, dass die „einzigen feuerbeständigen Freuden die häuslichen Freuden“ seien. Wenn die beiden das verstehen – und ich glaube, sie verstehen es schon gut –, dann kann ich mir von dieser Ehe nur ein großes Glück versprechen, und ich freue mich schon darauf, einmal an ihren häuslichen Freuden teilzunehmen. Dazu sollten sie recht bald zusammen „Geld und Geist“ von Jeremias Gotthelf lesen, das ist besser als jede Tischrede, die ich ihnen halten könnte. Schenken möchte ich ihnen das Spinett, das ihnen zur Hälfte ja schon gehört, außerdem, was ich Ursel schon sagte, meinen Beitrag, wie sie ihn brauchen, zum Flügel, den sie hoffentlich bald bekommen. Ich wünsche ihnen von Herzen einen sehr frohen Tag und werde mit vielen frohen Gedanken und Wünschen bei ihnen sein, und ich möchte es gern, dass auch sie nur mit frohen Gedanken, Erinnerungen und Hoffnungen an mich denken. Gerade wenn man persönlich etwas Schweres erlebt, möchte man, dass die echten Freuden des Lebens – und dazu gehört eine Hochzeit doch wahrhaftig – daneben ihr Recht behalten. Dass ich dabei ganz im Stillen darauf hoffe, dass wir alle zusammen auch einmal meinen und Marias Freudentag feiern werden – wann?, kommt mir zwar im Augenblick fantastisch vor, aber die Hoffnung ist schön und groß. Für Ursel ist das alles ja etwas viel, wie gern würde man ihr räumen und überlegen helfen. Nun hat sie auch unsertwegen noch so viel Mühe. Grüßt das ganze Haus sehr, besonders das Brautpaar, und den Eltern gratuliere ich zum 20. Hochzeitstag. Sie sollen ein paar Fotos machen!
Und nun wieder der Dank für alles Gebrachte, für alle Mühe, Überlegung und Liebe – der Mittwoch ist so immer ein besonders ersehnter und schöner Tag! – und einige Bitten: Je 1 Kleiderbügel, Spiegel, Handtuch, Waschlappen, und wenn es so kalt bleibt (es scheint heute wärmer zu werden), 1 warmes Hemd und Strümpfe; ferner: Holl, Kirchengeschichte, Band „der Westen“ und Rauchbares, was eben geht, und Streichhölzer. Dass Du meinen Anzug und Jacke nicht findest, verstehe ich auch nicht.
Von der Verlobung wissen nun wohl alle? Aber es bleibt doch in der Familie? Da allerdings nach meiner Zählung „die engste Familie“ auf beiden Seiten zusammen über 80 Menschen sind, wird es wohl nicht lange verborgen bleiben. Ich hätte nur den Wunsch von Marias Mutter gern eingehalten. Dankt Maria doch besonders für ihre Grüße! Wie schön, dass es der Großmutter besser geht, sie hat auch eine große Last zu tragen mit ihren fünf gefallenen und noch sieben draußen stehenden Enkeln und Söhnen. Grüßt sie sehr, ich bin ihres Gedenkens gewiss! Tante Elisabeth habe ich leider nicht mehr für die Bachkantaten danken können. Grüßt sie auch sehr!
Ich denke jetzt oft an das schöne Hugo-Wolf-Lied, das wir in letzter Zeit mehrfach gesungen haben: „Über Nacht, über Nacht kommt Freud und Leid, und eh' dus gedacht, verlassen dich beid‘, und gehen dem Herren zu sagen, wie Du sie getragen.“ An diesem „Wie“ liegt ja alles, es ist wichtiger als alles äußere Ergehen. Es bringt die manchmal quälenden Gedanken über die Zukunft ganz zur Ruhe. Nun also noch einmal vielen Dank für alles, was Ihr täglich für mich denkt, tut und tragt, grüßt Geschwister und Freunde, und Renate soll wirklich eine ungetrübte fröhliche Hochzeit feiern und es mir ruhig zutrauen, dass ich mich auch hier wirklich mit ihr freuen kann! Am 15. darf ich gerade den nächsten Brief abschicken, ich werde ihn also am Tag vor der Hochzeit schreiben.
Übrigens, wenn ich mittwochs hier im Haus bin, gebe ich Euch die alte Wäsche immer gleich wieder mit zurück, andernfalls muss sie eine Woche hier liegen. Ich muss beim Auspacken Eures Pakets immer selbst dabei sein.
Mit dem Wunsch, dass Euch und uns allen alle Sorge bald abgenommen werden möchte, grüßt Euch von ganzem Herzen
Euer dankbarer Dietrich
Eben höre ich, dass eine der Schwestern mit dem Paket hier war, habt wieder vielen Dank! Aus dem Inhalt des Pakets sehe ich, dass mein Brief vom 25. noch nicht bei Euch ist; das tut mir sehr leid für Euch! Aber es dauert wohl oft recht lange! Schreibt nur recht oft! Die Zigarren scheinen mir aus Stettin zu kommen! Vielen Dank!