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Einführung von Peter Zimmerling Entstehung und Hintergrund

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Die im vorliegenden Buch abgedruckten Briefe schrieb Dietrich Bonhoeffer während seiner Haftzeit zwischen April 1943 und Januar 1945.1 Sie entstanden fast alle, während er im Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin-Tegel einsaß (von April 1943 bis Anfang Oktober 1944). Nur drei Briefe sind im Dezember 1944 und im Januar 1945 im Kellergefängnis der Gestapo in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße verfasst worden, in das Bonhoeffer am 8. Oktober 1944 überstellt worden war. Das Grundstück an der heutigen Niederkirchnerstraße in Berlin-Kreuzberg, auf dem sich das Kellergefängnis befand, gehört seit 2004 zur Gedenkstätte Topografie des Terrors.

Man merkt diesen Briefen an, dass sie für Bonhoeffer im Gefängnis eine Art Lebenselixier waren.2 Das gilt für die empfangenen Briefe nicht anders als für die von ihm selbst verfassten. „Es gibt hier in der Zelle keine größere Freude als Briefe“ (17.8.1943). „Ich danke Euch sehr für Eure Briefe […]. Es ist, als täte sich hier in der Zelle für einen Moment die Gefängnistür auf, und man lebt ein Stück Leben draußen mit“ (4.6.1943). Manche der Briefe Bonhoeffers, vor allem die an Eberhard Bethge, erwecken den Eindruck, dass er auch deshalb in ihnen kein Ende findet, weil er wenigstens auf diese Weise am Leben des Freundes teilnehmen will.

Ein erster Auszug aus dem Brief Bonhoeffers vom 21.7.1944 wurde bereits 1945, also unmittelbar nach dem Krieg, unter der Überschrift „Diesseitigkeit des Christentums“ vom Ökumenischen Rat in Genf veröffentlicht.3 Sechs Jahre später, 1951, publizierte Bonhoeffers Freund und theologischer Gesprächspartner Eberhard Bethge (1909–2000) eine erste Sammlung der Briefe unter dem Titel „Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft“. „Widerstand und Ergebung“ enthielt neben Bonhoeffers Briefen an seine Eltern und an Eberhard Bethge auch dessen im Gefängnis entstandenen Texte, Gedichte und Gebete. Die Briefe waren z. T. stark gekürzt. Privates wurde, wenn möglich, weggelassen. Persönliche Angaben wurden nicht näher erläutert. Darum wurden auch die Namen mit Initialen belassen. Das Inhaltsverzeichnis sprach von Briefen an „einen Freund“, ohne zu verraten, wer sich dahinter verbarg. Auch die Eltern wurden nicht namentlich genannt. Stattdessen hieß es im Inhaltsverzeichnis lediglich: „Briefe an die Eltern“. Neben den Antwortbriefen der Adressaten fehlte vor allem der Briefwechsel Bonhoeffers mit seiner Verlobten Maria von Wedemeyer. In einer erweiterten Neuauflage von „Widerstand und Ergebung“ wurden im Jahr 1970 nicht nur die Briefe meist ungekürzt abgedruckt, sondern auch die Antwortbriefe mitveröffentlicht. Die Brautbriefe von Dietrich Bonhoeffer und Maria von Wedemeyer erschienen 1992 nach dem Tod der Verlobten als eigenständiges Buch: „Brautbriefe Zelle 92“.4 1998 schließlich wurde im Rahmen der „Dietrich Bonhoeffer Werke“ unter dem gleich gebliebenen Titel „Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft“ eine neu durchgesehene und vervollständigte Gesamtausgabe der Briefe von und an Bonhoeffer aus dem Gefängnis publiziert (weiterhin mit Ausnahme der Brautbriefe).5 Sie enthielt auch die meisten übrigen, in der Haft entstandenen Texte Bonhoeffers.6

Die Briefsammlung im vorliegenden Buch kehrt in mancher Hinsicht zurück zur Erstausgabe der Bonhoeffer-Briefe von 1951, die ihn weltberühmt gemacht hat. Allerdings mit einer gravierenden Ausnahme: Es werden erstmals Bonhoeffers Briefe an seine Verlobte Maria von Wedemeyer im selben Buch mitveröffentlicht.7 In chronologischer Reihenfolge kommen in diesem Band ausschließlich die Briefe Bonhoeffers – jetzt ungekürzt – zum Abdruck, und zwar nur die an die Eltern, die Verlobte und an den Freund. Die Briefe der Eltern Bonhoeffers, der Verlobten Maria von Wedemeyer und des Freundes Eberhard Bethge sind noch nicht gemeinfrei und können deswegen nicht mit abgedruckt werden. Allerdings waren es die Gedanken Bonhoeffers, die „Widerstand und Ergebung“ zum religiösen Klassiker werden ließen.8 Sie treten komprimierter vor Augen, wenn man – wie in dieser Ausgabe – nur Bonhoeffers eigene Briefe liest.

Dabei unterscheiden sich die Briefe an die Eltern, an die Verlobte und an den Freund nicht nur in inhaltlicher Hinsicht: In den Briefen an Eberhard Bethge nehmen theologische Überlegungen einen weitaus größeren Raum ein. Darüber hinaus muss beachtet werden, dass die Briefe an die Verlobte, von Ausnahmen abgesehen, und an die Eltern den offiziellen Weg durch die Zensur nahmen, während die Briefe an Bethge an der Zensur vorbei auf konspirative Weise gelangten – vermittelt über Gefängniswärter, deren Vertrauen Bonhoeffer gewonnen hatte. Allerdings ist diese Unterscheidung insofern wieder zu relativieren, als Bonhoeffer sich nicht scheute, auch an die Eltern und die Verlobte persönliche Dinge zu schreiben, während er umgekehrt bei den konspirativen Briefen immer damit rechnen musste, dass sie in die Hände der Gestapo gelangten.

Nach einer zehntägigen Kontaktsperre am Beginn der Haft durfte Bonhoeffer am 14.4.1943 den ersten Brief an seine Eltern schreiben. Der Briefwechsel dauerte bis zum April 1944 (bis zu diesem Zeitpunkt ist er jedenfalls erhalten geblieben). Erst aus dem Dezember 1944 und Januar 1945 sind, wie bereits erwähnt, nochmals zwei kurze Briefe an die Eltern vorhanden. Der Briefwechsel mit der Verlobten beginnt mit dem Brief vom 30.7.1943. Fortan durfte Bonhoeffer offiziell alle vier Tage schreiben. Er wechselte jeweils zwischen der Verlobten und den Eltern ab. Der letzte Brief an die Verlobte stammt vom 19.12.1944, dem auch das Gedicht „Von guten Mächten treu und still umgeben“ beigelegt war. Der erste konspirative Brief an Eberhard Bethge stammt vom 20.–23.11.1943, der letzte vom 23.8.1944. Die danach noch geschriebenen Briefe Bonhoeffers an Bethge hat dieser angesichts der drohenden eigenen Verhaftung durch die Gestapo vernichtet.9 Die übrigen Briefe an Bethge haben den Krieg in Gasmaskenbüchsen überdauert. Sie waren im Garten des Hauses der Eltern von Eberhard Bethges Frau Renate geb. Schleicher in der Berliner Marienburger Allee 42, dem Nachbarhaus der Eltern Bonhoeffers, vergraben.

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