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3.2.6 Die Kommunikationstheorie der Palo-Alto-Gruppe

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Der Philosoph und frühere Psychotherapeut Paul Watzlawick (1921-2007) ist hierzulande vor allem durch seinen Bestseller Anleitung zum Unglücklichsein (1983) bekannt geworden. In den 1960er Jahren lernte er in Palo Alto, wo er das Mental Research Institute mitbegründete, Gregory Bateson kennen, der die Vorarbeiten für die Kommunikationstheorie geliefert hat, welche später von Paul Watzlawick, Janet H. Beavin und Don D. Jackson veröffentlicht wurde und auch heute noch in vielen Kommunikationskursen als Grundlage dient (von Ameln 2004). Kommunikation wird hier – mit Rückgriff auf Systemtheorie und Kybernetik – „als System von Verhaltensweisen betrachtet, das sich durch Mechanismen der Rückkopplung, der Kalibrierung usw. selbst reguliert“ (Ebd., 58). Ihre Kommunikationstheorie enthält fünf zentrale metakommunikative Axiome, die auf Grund ihrer Relevanz für das Fremdsprachenlernen hier kurz erläutert werden:

1. Axiom:Man kann nicht nicht kommunizieren“ (Watzlawick u.a. 1969, 53).

Dieses Axiom sagt – ganz im konstruktivistischen Sinne – aus, dass Kommunikation nicht eine einfache Übertragung von Informationen ist, wie dies von Lehrkräften oft vorausgesetzt wird, sondern eine Konstruktion des „Empfängers“ auf der Basis seiner individuellen Wahrnehmungs- und Interpretationsschemata darstellt. Dabei kann der „Sender“ nicht bestimmen, wie der „Empfänger“ sein Verhalten interpretiert (von Ameln 2004, 59). Auch jede Form der Verneinung oder Vermeidung von Kommunikation wie Schweigen (z.B. im Klassenzimmer) ist „selbst eine Kommunikation“ und stellt eine Art der Stellungnahme dar (Watzlawick u.a. 1969, 52).

2. Axiom:Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, daß letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist“ (Ebd., 56).

In der menschlichen Kommunikation dominiert die Beziehungsebene die Sachebene: „Der Inhaltsaspekt vermittelt die ’Daten’, der Beziehungsaspekt weist an, wie diese Daten aufzufassen sind“ (Ebd., 55). Diese Verstehensanweisungen (Ton, Betonung, Mimik, Gestik usw.) können jedoch auch mehrdeutig sein oder im Widerspruch zum Inhaltsaspekt stehen und somit gravierende Missverständnisse und vor allem Beziehungsprobleme verursachen. Dies gilt gerade auch für (das) Fremdsprachen(lernen)!

3. Axiom:Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt“ (Ebd., 61).

Die Interpunktion von Ereignisfolgen bestimmt die Konstruktion der Wirklichkeit. Diskrepanzen auf dem Gebiet der Interpunktion, also wenn zwei Kommunikationspartner bzw. -partnerinnen ein und dieselbe Handlung in einen unterschiedlichen kausalen Zusammenhang bringen, sind häufig die Ursache für Beziehungskonflikte – auch in der Schule. Relevant für den Fremdsprachenunterricht ist auch die Tatsache, dass jede Kultur eigene Interpunktionsweisen hat, „die zur Regulierung dessen dienen, was (...) als ‘richtiges’ Verhalten betrachtet wird“ (Ebd., 58).

4. Axiom:Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten. Digitale Kommunikationen haben eine komplexe und vielseitige logische Syntax, aber eine auf dem Gebiet der Beziehungen unzulängliche Semantik. Analoge Kommunikationen dagegen besitzen dieses semantische Potential, ermangeln aber die für eindeutige Kommunikationen erforderliche logische Syntax“ (Ebd., 68).

Watzlawick unterscheidet zwei Kommunikationsweisen, die sich in jeder Mitteilung ergänzen: während die digitale Kommunikation (z.B. Sprache) abstrakter und präziser ist, herrscht in der analogen Kommunikation (z.B. Zeichnung, Mimik, Gestik) eine Ähnlichkeitsbeziehung zwischen Zeichen und Bezeichnetem sowie eine allgemeinere Gültigkeit, was allerdings das Problem der Mehrdeutigkeit nach sich zieht. Inhaltsaussagen werden in der Regel digital vermittelt, Beziehungsaussagen dagegen vorwiegend analog, also nonverbal übertragen. Dies bedeutet, dass wir ständig von der einen „Sprache“ in die andere „übersetzen“ müssen, was häufig Verluste und Störungen verursacht (Ebd., 67) – besonders bei Fremdsprachen.

5. Axiom:Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht“ (Ebd., 70).

Kommunizierende nehmen unterschiedliche Rollen ein. Diese sind häufig auch gesellschaftlich oder kulturell bedingt (z.B. Lehrer-Schüler-Beziehung) und beeinflussen den Kommunikationsablauf maßgeblich, und zwar im positiven wie im negativen Sinne (z.B. partnerschaftliche oder hierarchische Beziehung).

Die Kommunikationstheorie der Palo-Alto-Schule macht deutlich, dass menschliche Kommunikation aus dem Zusammenspiel von verbalen und nonverbalen Aspekten besteht und nicht eine „einfache Informationsübertragung“, sondern ein subjektiver und äußerst störanfälliger Konstruktionsprozess ist. Für das fremdsprachliche Klassenzimmer hat dieses Thema eine besondere Bedeutung, zumal Defizite in der Fremdsprache zusätzlich die Kommunikation erschweren können. Dies wird besonders deutlich, wenn Diskrepanzen zwischen Inhalts- und Formebene auftreten, also wenn sich Lernende mitteilen möchten, jedoch die Lehrkraft nur die sprachliche Korrektheit der Aussage berücksichtigt und nicht deren Inhalt oder gar die Beziehungsebene. Im Rahmen von Storyline-Projekten kann die geschilderte Problematik jedoch leicht entschärft werden, nämlich dadurch, dass die Lernenden vielseitige Formen der Kommunikation in einem authentischen Kontext praktizieren, dabei digitale und analoge Kommunikationsweisen verwenden, also neben Sprache ergänzend auch Bilder, Mimik, Gestik, Objekte usw. einsetzen und überdies unterschiedliche Rollen in Kommunikationssituationen einnehmen, um den erwähnten Perspektivenwechsel konkret erfahrbar zu machen. Darüber hinaus bietet die Arbeit in Gruppen zahlreiche Anlässe und Gelegenheiten, um zielgerichtete Metakommunikation in authentischen Situationen zu betreiben. Ob meine These tatsächlich stimmt bzw. auch auf das fremdsprachliche Klassenzimmer übertragen werden kann, sollen meine Fallstudien in Teil B zeigen.

Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule

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