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3.3.1.1 Humberto M. Maturana und Francisco J. Varela

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Der chilenische Biologe und Neurokybernetiker Humberto R. Maturana1 und sein Mitarbeiter Francisco J. Varela entwickelten die Autopoiesis-Theorie, die einen wesentlichen Baustein innerhalb des konstruktivistischen Denkgebäudes darstellt. Maturana betrachtet das menschliche Nervensystem als operational geschlossenes System, das von außen zwar Energie (Quantität), jedoch keinerlei Informationen oder Inhalte (Qualität) aufnimmt, und letztendlich selbst entscheidet, ob es sich durch einen äußeren Reiz anregen lässt. Seine Kernaussage lautet, „dass autopoietische Systeme nicht gezielt von außen beeinflussbar sind“ (von Ameln 2004, 188).

Die oben erwähnte strukturelle bzw. soziale Kopplung ist eng an sprachliche Interaktionen gebunden, jedoch ist Sprache in Maturanas Augen „kein System der Kommunikation mit Hilfe abstrakter Symbole, sondern ein System von Orientierungsverhalten zwischen informationell geschlossenen Organismen“ (Ebd., 74). Nach Maturana ist uns die Welt nur über Beobachtung zugänglich, und diese ist stets an Sprache gebunden. Aus diesem Grund ist es uns nicht möglich, von Beobachtung und Sprache unabhängige – also objektive – Aussagen über die äußere Realität zu machen. Sprache wird somit ein rein konnotativer Charakter zugeschrieben, das heißt, Maturana wendet sich von der lange Zeit gängigen Vorstellung ab, dass Sprache ein denotatives Zeichensystem ist und der Übermittlung von Informationen über eine unabhängige Außenwelt dient. Statt einer Informationsübertragung findet also eine stets kontextabhängige Informationskonstruktion innerhalb der kognitiven Bereiche von autopoietischen Systemen statt. Dies dient „dem Aufbau eines gemeinsamen konsensuellen Bereiches“ (Ebd.). Konsens über die Beschaffenheit der Umwelt entsteht jedoch allein auf der Grundlage von Sozialisationsprozessen, die die Mitglieder einer Gesellschaft durchlaufen, sowie der kulturellen Konventionen einer Gesellschaft (Wolff 1994, 412). Maturana und Varela (1987) stellen den Erkenntnisprozess als Verkettung von Handlung und Erfahrung dar: „Jedes Tun ist Erkennen, und jedes Erkennen ist Tun“ (Ebd., 32).2 Sie sprechen von der „Zirkularität“ (Ebd., 31) zwischen Erfahrung, Handlung und Wissen.

Die radikale Autopoiesis-Theorie fand nicht nur Zuspruch, sondern stieß auch auf heftige Kritik3, die Maturana zum Teil in die Fortentwicklung seiner Theorie aufgenommen hat. Zweifelsohne haben Maturanans Thesen weitreichende Konsequenzen für die systemische Praxis (z.B. die Schule): Dadurch dass Interventionen oder Instruktionen offensichtlich nur eine begrenzte Wirkung haben, verliert die Lehrkraft ihren „privilegierten Status überlegenen Wissens“ (von Ameln 2004, 189) und wird allenfalls zur „perturbierenden“ Expertin und Beobachterin, die zum Lernen und (Selbst-)Beobachten anregt. Eigenverantwortlichkeit, Eigendynamik und Selbstorganisation von Systemen gewinnen dagegen einen wesentlich höheren Stellenwert, als dies im regulären Unterricht bisher berücksichtigt worden ist, und fordern verstärkt autonome und selbstorganisierte Lernformen, wie dies beispielsweise in Storyline-Projekten vorgesehen ist (vgl. Kapitel 2.3.3.5). Wie dies im fremdsprachlichen Klassenzimmer realisiert werden kann, sollen meine Fallstudien untersuchen (vgl. Teil B).

Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule

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