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3.3.1.3 Ernst von Glasersfeld

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Der Psychologe, Kybernetiker und Kognitionswissenschaftler Ernst von Glasersfeld1 hat die konstruktivistische Theoriebildung durch seine Philosophiegeschichte des Konstruktivismus, seine Beschäftigung mit Piagets Erkenntnistheorie und insbesondere durch sein Viabilitätskonzept beeinflusst, welches hier kurz erläutert werden soll. Auch von Glasersfeld geht in seinen Studien der Frage nach, wie wir eine stabile und verlässliche Welt erleben, wenn Wahrnehmung und Außenwelt nicht übereinstimmen. Dabei behilft er sich zunächst mit Vicos Standpunkt: „Wenn (...) die Welt, die wir erleben und erkennen, notwendigerweise von uns selber konstruiert wird, dann ist es kaum erstaunlich, daß sie uns relativ stabil erscheint. (...) Das heißt ganz allgemein, die Welt, die wir erleben, ist so und muß so sein, wie sie ist, weil wir sie so gemacht haben“ (von Glasersfeld 2002, 28f.).

Ernst von Glasersfeld stellt die These auf, dass wir erst durch die Stabilität der eigenen Wahrnehmung befähigt werden, uns in der Welt zu bewegen, das heißt, gewisse Erlebnisse zu verhindern oder verlässliche Vorhersagen zu treffen. Erkenntnis wird demzufolge „als Suche nach passenden Verhaltensweisen und Denkarten“ (Ebd., 37) betrachtet, also „nicht mehr als Suche nach ikonischer Übereinstimmung mit der ontologischen Wirklichkeit“ (Ebd.). Sie steht somit unter dem Vorzeichen der Nützlichkeit und ist als „Anpassungsleistung im funktionalen Sinne“ zu verstehen (von Ameln 2004, 94): Alles, was nicht passt, geht unter. Dieses Passungsverhältnis von Realität und Wirklichkeit wird mit dem Begriff „Viabilität“ umschrieben. Viabilität gilt jedoch nicht nur als Kriterium im Hinblick auf die Wirklichkeitskonstruktionen der Individuen, sondern auch für jegliche wissenschaftliche Theorien und Erkenntnisse. Somit verliert die Vorstellung einer objektiven Wahrheit im Radikalen Konstruktivismus ihre Bedeutung, denn es gibt keine unabhängige externe Instanz, die diese überprüfen oder belegen könnte.2

Überträgt man Ernst von Glaserfelds Viabilitätskonzept auf die Praxis (z.B. den Unterricht), so bedeutet dies, dass Toleranz und Respekt gegenüber anderen Menschen und deren Wirklichkeiten unter einem anderen Licht erscheinen, da es für ein beliebiges Problem nie nur eine mögliche bzw. die richtige oder falsche Lösung geben kann, sondern lediglich eine, die uns in einem Moment als passend erscheint, weil wir (noch) keine andere kennen. Dies gilt es nicht nur im Hinblick auf die individuellen Voraussetzungen und Bedürfnisse in heterogenen Klassen zu bedenken, sondern auch hinsichtlich der angestrebten interkulturellen kommunikativen Kompetenz im Bereich des Fremdsprachenlernens. Im Rahmen von Storyline-Projekten wird dieser Aspekt der Lernerorientierung explizit berücksichtigt, nämlich insofern als die so genannten key questions stets ergebnisoffene Fragen darstellen (vgl. Kapitel 2.3.2.2). So bringen die Lernenden für einen spezifischen Zwischenfall innerhalb der jeweiligen Geschichte (z.B. Krankheit) zunächst ihre eigenen Vorstellungen, Erfahrungen und Hypothesen ein, um mit ihren individuellen „Werkzeugen“ eigene „passende“ Lösungen zu entwickeln, die später diskutiert werden. Konkrete Belege sollen meine Fallstudien in Teil B liefern.

Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule

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